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»wecke übergab. Der König dankte und versicherte, die Stiftung zur Zufrieden­heit des Landes für die bezeichnten Zwecke zu verwenden. (Der Bezirk Neuenbürg war hiebei vertreten durch die Herren Commerell. Höfen u. Oberamtspfleger Webin ger, Neuenbürg.) Hierauf folgten die Vertretungen der evangelischen Kirche, Deputationen des evangelischen Konsistoriums, des Synodus und der evangelischen Landessynode und der israe­litischen Kirchengenossenschaft. Den Ver- lretcr der katholischen Kirche, Bischof Dr. v. Hefele empfingen Seine Majestät mit Rücksicht auf sein hohes Alter und seinen Gesundheitszustand, der ihm längeres Stehen und Gehen unmöglich macht, in besonderer Audienz. Auf die Vertreter der Kirchen folgten diejenigen der Univer­sität Tübingen und der landwirtschaftlichen

Akademie Hohenheim, sowie des Poly­technikums und der Kunstschule hier. An sie schloß sich die Vertretung der Reichs- bankhauptstelle Stuttgart an. Hierauf kam die Deputation der Stadt Stuttgart, welche eine zur Erinnerung au das Jubi­läum von derdankbaren Haupt- und Residenzstadt Stuttgart" geprägte Medaille in Gold überreichte, die von Seiner Ma­jestät mit huldvollen Worten des Dankes entgegengenommen wurde. Auf sie folgten die Vertreter der evangelischen Hof-, Garnisons- und Stadtgeistlichkeit, die­jenigen der katholischen Stadtgeistlichkeit, die Ortsvorsteher und Bürgerausschuß- obmünner der 11 über 10 000 Einwohner zählenden Städte des Landes u. s. w. Auf Befehl Seiner Majestät wurden die Adressen und Kunstgegenstände in der graphischen Ausstellung zur allgemeinen Ansicht auf­gelegt, wo sie Zeugnis geben von der Entwicklung, die Kunst und Kunstgewerbe in den letzten Jahrzehnten im Lande genommen haben. An diese Deputationen schlossen sich nun noch solche von Anstalten und Vereinen, insbesondere von Frauen an, welche Ihren Majestäten Gaben für Wohlthätigkeits-Zwecke überreichten. Abends wohnten Ihre Königlichen Maje­stäten dem von dem Verein zur Förderung der Kunst zur Feier des Jubiläums ver­anstalteten Huldigungsfest im K. Hof­theater an. Wir verzichten aut eine Aufzählung all der hohen und distinguier­ten Persönlichkeiten, die zu dem Feste er­schienen. Es versteht sich, daß Ihre Majestäten von den erlauchten Mitgliedern der Königlichen Familie und ihren fürst­lichen Gästen umgeben waren und daß die einheimischen und zur Zeit hier ver­weilenden fremden Würdenträger, sowie die ganze der Kunst zugethane Gesellschaft Stuttgarts und ein reicher Damenflor in den geschmackvollsten und kostbarsten Toi­letten zu dem Feste erschienen.

Stuttgart, 25. Juni. Seine Majestät der deutsche Kaiser und König von Preußen und Ihre Majestät die deutsche Kaiserin und Königin von Preußen sind heute vormittag 9 Uhr 50 Min. zum Besuche Ihrer König­lichen Majestäten und zur Teilnahme an den Jubiläumsfestlichkeiten hier ange­kommen und haben im K. Residenzschlosse Wohnung genommen.

Gleichzeitig sind Seine Majestät der

König von Sachsen hier angekommen und im K. Residenzschlosfe abgesticgen.

Der Kaiser und die Kaiserin, welche 'ich beide augenscheinlich des allerbesten Wohlseins erfreuen, fuhren mit dem Prinzen Wilhelm von Württemberg im ersten Wagen zum königl. Schlosse, vom Publikum tausendstimmig mit Enthusias­mus begrüßt, wofür der Kaiser, wie immer, ernst, die Kaiserin mit liebens­würdigster, gewinnender Freundlichkeit dankte. Seine Majestät der König von Sachsen fuhr im zweiten Wagen, auch ihm wurden vielfache Hochrufe zu Teil. Die Vorstellung im königl. Schlosse und die Erholung der hohen kaiserlichen Reisenden nach der langen anstrengenden Fahrt war nur von kurzer Dauer. Nach einer halben Stunde fuhren die hohen und höchsten Herrschaften zur Parade durch den königl. Schloßgarten nach Cannstatt. Ein Borreiter zeigte die An­kunft Ihrer Majestäten des Königs und Kaisers an, welche überall mit Hochrufen bestürmt wurden; ebenso auch Ihre Maj. Kaiserin Angusta Viktoria und Königin Olga von Württemberg. Es war ein Jubel in allem Volk, die jugendlich schöne Kaiserin in so innigem Verein mit der Königin zu sehen; die Kaiserin hörte nicht auf, überallhin aufs huldvollste und freudigste zu danken, sich zu verneigen. Von der Parade für heute nur noch: Die ganze Truppcnmasse stand unter dem Befehl des Generallicutenant v. Wölckern Um 11 Oi Uhr nahten das Kaiserpaar und das Königspaar mit ihrem glänzenden Gefolge. Bei den TrupMi herrschte tiefe Ruhe, bei der schauenden Menge laute Bewegung. Immer näher schallen die Jubelrnfe. Jetzt erklang auf der ganzem langen Front Kommandoruf, und der Präsentiermarsch begann. Langsam fuhr der Wagen des Königs an der Front entlang, der Kaiser, einen prächtigen Fuchs reitend, begleitete den König zu seiner Rechten. Der Kaiser trug die Uniform seines württemb. Regiments, König Karl diejenige seines Grenadierregiments; beide hatten das Band des Ordens der würlt. Krone angelegt. Ihnen folgte ein ge­waltiger Schwarm bunter Uniformen, aus denen der junge russische Thronfolger, der Husarenuniform trug, leicht kenntlich hervorleuchtete. Während die beiden Herrscher die Fronten der drei Treffen abnahmen, fuhr der 4spännige Wagen, in welchem die Kaiserin und die Königin Olga saßen, hervor, um vor der Tribüne Ausstellung zu nehmen. Die junge Kaiserin war ganz in Weiß gekleidet, die Königin hatte lila Seide angelegt. Als das Kaiserregiment heranrncktc, sprengte der Kaiser an die Spitze desselben und führte sein Regiment dem König vor: ein An­blick, der das Publikum zu lautem Jubel hinriß. Als die Parade geendigt hatte, unterhielten sich, der Kaiser und der König einige Zeit: der erstere schien den König für die Haltung der Truppen zu beglückwünschen. Beide Majestäten sprachen dann noch, nachdem der Kaiser vom Pferde gestiegen war und sich an die Seite König Karls in den Wagen begeben hatte, mit Oberbürgermeister Nast von Cannstatt, dem der Kaiser die Hand reichte. Dann fuhr der Wagen mit dem Herrscherpaar

noch einmal die Runde ab, der Kaiser und der König begrüßten die militärischen Zuschauer und Deputationen und nahmen dann den Rückweg durch Cannstatt.

Rottenburg, 23. Juni Auch in unserer Stadt wurde heute das Regierungs- Jubiläum in feierlicher Weise begangen. Zuerst wurde in der Domkirche von dem Herrn Weihbischof Dr. v. Reiser ein Pontifikalamt zelebriert, worauf sich der stattliche Festzug unter Vorantritt der Bürgerwache durch die reich beflaggte Stadt nach der evangel. Kirche bewegte, um hier eine treffliche Festpredigt des Hrn. Stadtpfarrers Glauner anzuhören.

Am 21. Juni wurde von der Evan­gelischen Oberschulbehörde die zweite Schul­behörde in Deckenpfronn, Bez. Calw, dem Schullehrer Frey in Dobel, Bez. Neuenbürg, übertragen.

Sulz a. N., 18. Juni. Vergiftung durch Milch. In Sigmarswangen ereig­nete sich der merkwürdige Fall, daß Per­sonen von der Milch solcher Kühe ver­giftet worden sind, welche unter dem Futter Giftpflauzen zu genießen bekommen hatten. Es enthielt nämlich das heim­gebrachte und Kühen verfütterte Wald­gras Tollkirschenkraut. Der Genuß des­selben brachte zwar den Kühen keinen sichtbaren Schaden, dagegen bekam ihre Milch stark giftige Eigenschaften. Die Personen, welche von dieser Milch ge­nossen hatten, erkrankten gefährlich, und die Krankhcitssymptome zeugten von einer hochgradigen Bclladonnavergiftung. Alle klagten über Kopfschmerzen und Lähmung der Sehkraft. Dieselbe ist bei einigen so geschwächt, daß sie ganz blind sind.

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""" Calw., 23. Juni. Soeben durcheilt die Trauerkunde unsere Stadt, daß der Geh. Kommerzienrat I. Stälin hier gestorben sei. Derselbe vertrat den 7. württ. Wahlkreis seit 1875 im Reichstag und unsern Oberamtsbezirk während zweier Perioden im Landtag. Im Jan. d. I. war es ihm nicht mehr möglich, eine Wiederwahl für den letzteren anzunehmen, denn schon zeigten sich die Vorboten eines Herz- und Nierenleidens, das nun einem Leben, das in hervorragender Weise dem Dienste seiner Mitbürger gewidmet war, im schönsten Mannesaller ein Ziel gesetzt hat. Der Verstorbene war ein begeisterter Anhänger von Kaiser und Reich und ein guter Württemberger. Welche Bedeutung er für die industrielle Entwicklung unserer Stadt hatte, crgicbt sich aus seiner Stellung als Chef bedeutender Fabrik­anwesen, als Vorsitzender der Handels­und Gewerbekammer und als Begründer und Vorstand der landwirtschaftlichen Kreditbank. Wo es sich um die Förderung edler und humaner Bestrebungen auf dem Gebiet von Kirche, Schule u. s. w. han­delte, da zeigte er stets einen offenen Sinn und eine freigebige Hand. Not­leidende und Bedrängte fanden in ihm einen immer bereiten Helfer und Berater. Dazu war er ein liebenswürdiger Gesell­schafter und ein treubesorgter Gatte und Vater. Die Bewohner Calws werden den Dahingeschiedenen stets in ehrendem An­denken behalten. (S.

Calw, 23. Juni. Heute feierte Sladt- schultheiß Haffner hier das Fest seiner