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Beilage M Ur. 55 des Enzthälcrs.

Neuenbürg, Sonntag den 7. April 1889.

Kwnik.

Deutschland.

Zu dem Unglück vor Samoa und die deutsche Colonialpolitik schreibt das Frkf. Journ.:" Die Trauerbotschaft aus Samoa bestätigt sich leider beinahe in ihrem ganzen Umfange; es bleibt nur noch die Hoffnung, daß dieOlga" gerettet wird. Leider ist das Unglück, welches unsere Marine betroffen hat, nicht vor einer politischen Ausbeutung bewahrt geblieben; ein Teil der deutsch-freisinnigen Presse schlägt aus demselben für ihre Zwecke Kapital. Trauernd stehen auch wir an dem Wellengrabe so zahlreicher deutscher Brüder, die im Kampfe gegen die wüten­den Elemente, pflichtgetreu bis zum Tode, unterlegen sind. Allein aus diesem Un­glück als Konsequenz die Forderung ziehen, wie es geschieht, die ganze Kolonialpolitik aufzugeben, und diejenigen, welche die­selbe inaugurierten, verurteilen und für das Unglück verantwortlich machen, das heißt denn doch das Kind mit dem Bade ausschütten. Unsere Kolonial-Politik ist unter Zustimmung aller maßgebenden Fak­toren beschlossen worden und steht jetzt fest als politisches Axiom. Ihre Durch­führung ist aber ein wesentlicher Teil der Aufgaben unserer Flotte, und wenn letztere dabei ohne ihr Verschulden schmerzliche Verluste erlitten hat, so liegt doch ent­fernt kein Grund vor, diese Kolonial­politik aufzugeben; kein vernünftiger Mensch hat erwartet, daß eine so schwierige Auf­gabe ohne Opfer gelöst werden kann, das beweist schon die kolonialpolitische Ge­schichte anderer Länder, und es würde der Machtstellung und dem Ansehen Deutsch­lands nicht entsprechen, wenn man sich plötzlich zurückziehen wollte. Die Reichs­regierung kann an einen solchen Schritt überhaupt gar nicht denken, wir vertrauen vielmehr auf die Klugheit und Mäßigung und werden uns nicht abhalten lassen, unserer Kolonialpolitik nach wie vor unsere vollste Sympathie entgegenzubringen. In diesem Sinne erfüllt uns die Nachricht, daß ohne Verzug Ersatz für die verlorenen deutschen Kriegsschiffe nach Samoa gehen wird, mit Genugthnung.

Daß die deutschen Interessen auf Samoa diejenigen anderer Nationen weit überwiegen, geht neuerdings aus einer von der Magdb. Ztg-,wiedergegebenen Schilderung eines Mannes hervor, der lange Jahre dort in angesehener Stellung gelebt hat. Danach ist Samoa thätsächlich in deutschen Händen. Was an frucht­barem Boden auf dieser Inselgruppe vor­handen ist, befindet sich im Besitz der deutschen Handels- und Plantagengesell­schaft der Südseeinseln. Der Besitz der Engländer und Amerikaner ist gering­fügig und großenteils noch ohne jede Kultur. Auch der Handel ist fast nur in den Händen der obigen Gesellschaft und me deutsche Industrie findet hier ein reiches Absatzgebiet. Was in unseren Kolonien in Afrika erst geschaffen werden soll, das

ist hier längst fertig und bedarf nur des Schutzes, um sich gedeihlich weiter zu ent­wickeln. Von den 30000 lla. der Gesell­schaft befinden sich 3000 Ira, unter Kultur und bringen reiche Erträge an Copra (Kokosnußöl), Kakao, Kaffee, Baumwolle und Bananen und das alles in vorzüg­licher Güte. Bon allen Seiten wird der Freude darüber Ausdruck gegeben, daß Mataafa unseren Landsleuten bei ihrem Unglück Hilfe geleistet hat; man findet darin einen Beweis, daß lediglich die Treibereien des berüchtigten Ameri­kaners Klein den Angriff auf unsere Truppen herbeigeführt haben.

Pforzheim, 1. April. In der am 28. März in Karlsruhe abgehaltenen Sitzung des badischen Eisenbahnrates wurden Seitens des Vertreters der Pforz- heimer Handelskammer Herrn H. Gesell verschiedene Wünsche bezl. des Sommer­fahrplanes vorgetragen. Es wurde gebeten, den ersten Zug nach Stuttgart (Abgang hier 6.45 morgens) später ab­gehen zu lassen, um den langen Aufent­halt (34 Minuten) in Mühlacker zu ver­meiden. Die Eisenbahnverwaltung ver­sprach dafür zu sorgen, daß der fragliche Zug früher in Mühlacker abfahre und frühzeitiger in Stuttgart eintreffe. Die gewünschte Späterlegung des um 7.40 abends von Karlsruhe nach Pforzheim abgehenden Zuges, konnte immer noch nicht zugestanden werden, weil die dadurch bedingte Trennung des Eppinger Zuges zu große Umstände mache. Es ist dies sehr zu bedauern, weil dadurch der An­schluß des Frankfurter nachmittags Schnell­zuges nur über Mühlacker und nicht über Durlach möglich ist, was für die Beteiligten vermehrte Kosten und Umstände verur­sacht. Die Fahrzeit des neu eingerichteten Zuges Abfahrt in Mühlacker 6.45 abends, Ankunft in Pforzheim 7.31 (im Anschluß an den Stuttgarter nachmittags Schnell­zug) konnte leider nicht zu verkürzen zu­gesagt werden, trotzdem hiedurch der An­schluß dieses Zuges ins Enzthal versäumt wird und auch die Arbeiter nach Wilfer­dingen erst 7.40 statt wie bisher schon um 7.20 in ihre Heimat fahren können.

(Pf- B.)

Württemberg.

Im Bayerisch-Württembergischen Güter­verkehr treten mit sofortiger Wirkung für Holz, wie im Spezialtarif III genannt, ferner für Holzsägespähne und Holzsäge­mehl, unverpackt, Holzwolle, Torf und Torfstreu, auch gepreßt und Torfkohle, für Stationsverbindungen auf Entfern­ungen von 100 üm und darüber Aus­nahmefrachtsätze in Kraft.

Ferner kommt mit gleicher Wirkung für Sägemehl zwischen der Station Wörth a. M. einer- und den Stationen Blau- felden und Roth a. See andererseits ein noch weiter ermäßigter Ausnahmefrachtsatz zur Einführung.

Nähere Auskunft erteilen die Güter­expeditionen, sowie das Tarif- und Rekla­

mationsbureau der Generaldirektion der Staatseisenbahnen.

Unter Bezugnahme auf die Verfügung, betreffend die Vorschriften über die An­nahme, Ausbildung und Prüfung der Anwärter für den niederen Eisenbahn- und Telegraphendienst vom 9. Juni 1885 (Reg.-Bl. S. 183) wird bekannt gegeben, daß die in Z. 2 dieser Verfügung vorgesehene Vorprüfung, deren Erstehung die Voraussetzung zur Annahme als An­wärter für den niederen Eisenbahndienst bildet, Heuer ausnahmsweise auch im Monat Mai abgehalten werden wird.

Die Gesuche um Zulassung zu der Vorprüfung sind spätestens bis zum 20. April d. I. bei der Generaldirektion der Staatseisenbahnen einzureichen.

Stuttgart, 4. April. Dem Ver­nehmen nach ist Oberstudienrat v. Dorn zum Direktor der Kultministerialabteilung für Gelehrten- und Realschulen ernannt worden.

Im württembergischen Oberland gelang es, wie demN. T." aus Ellwangen berichtet wird, der Behörde, einen soge­nannten Bierdoktor auszuheben. Die bei ihm Vorgefundenen Korrespondenzen haben ergeben, daß von einer Menge von Bier­brauern Schmieralien der schlimmsten Sorte von ihm bezogen wurden, wie: Kristall­glanzbierkläre, Dickzuckerbiercouleur, Mous­sierpulver, Natron, Weinsteinsäure rc. Infolge dessen sind in neuester Zeit bei vielen Bierbrauern gerichtliche Haussuch­ungen vorgenommeu worden; es werden die Strafbestimmungen des Nahrungs­mittelgesetzes auf solche Bierpfuscher ihre Anwendung finden.

Vom obern Kocher, 1. Apr. Die ungünstige und stets wechselnde Witterung in den letzten zwei Monaten hat die Ge- sundheitsverhältniffe unserer Thalbewohner da und dort schwer geschädigt. So fanden, wie kürzlich berichtet worden, in einer verhältnismäßig kleinen Gemeinde zwischen Hall und Gaildorf seit Neujahr 28 Be­erdigungen statt, in Sulzbach a. K. seit zwei Monaten fast jeden Tag eine, mehr­mals deren zwei, ohne daß eine epidemische Krankheit aufgetreten wäre. Es überkam die Leute eine im Verlauf der Zeit nach und nach unheimliche Todesangst. Droben auf den Bergen stand es merklich besser, aber glatt giengs auch dort nicht ab, wie man zu sagen pflegt.

Neuenbürg, 5. April. Kartoffel­preise, rote und gelbe Rastatter 3 M. 70 p. Ctr.

Ausland.

Brüssel, 2. April. Wie hierher gemeldet wird, beabsichtigt die französische Regierung die Kündigung des lateinischen Münzbundes zum Jahresschluß,

China. Die Hungersnot in den süd­lichen Distrikten des Reiches ist eine so entsetzliche, daß die Behörden daran ver­zweifeln, die Unglücklichenderbetreffenden Provinzen bis zum Frühjahr am Leben