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zufahren. Zwischen der Abgangszeit der beiden Züge liegt ein Aufenthalt von 25 Minuten. In dieser kurzen Zeit glaubte nun die Dame, da- Ulmer Münster besehen zu können und machte sich eilends auf den Weg. Der Zweck wurde auch vollständig erreicht; denn die Dame gelangte noch rechtzeitig auf dem Bahnhof an. Doch kaum hatte sie sich in einem Wagen niedergelassen, als sie plötzlich, von einem Herzschlag gerührt, umfank und sogleich eine Leiche war.

Friedrichshafen, 25. Sept. Heute nacht um 1 Uhr brachen an 2 von den Flaschen­zügen, an denen das Zeppelin 'sche Luftschiff unter dem Dach der MontierungShallr aufgehängt ist, die Ketten und daü Luftschiff stürtzte infolgedessen auf da» Floß herunter. Das Fahrzeug ist durch den Fall verbogen; seine Wiederherstellung wird etwa 14 Tage in Anspruch nehmen. Der Aufstieg mußte daher verschoben werden.

Magdeburg, 25. Sept. Einem Telegramm der Magd. Ztg. aus St. Petersburg zufolge schlägt die russische Presse in den letzten Tagen einen heftigen Ton gegenüber Eng­land an wegen der Transvaalfrage. In der Delagoa-Bai befinden sich drei englische Kriegsschiffe. Man glaubt, daß England sich gewaltsam Krüger» bemächtigen wolle. Di« portugiesische Regierung wies den Gouverneur von Lourentzo-Marques an, Krüger sowie dessen Beamte sofort zum Ver­lassen des portugiesischen Bodens aufzufordern.

BerIin, 25. Sept. Die in Wien erscheinende sozialistische Arbeiterzeitung hält seit dem ersten Be­kanntwerden der Duxer Gruben-Katastrophe die Be­hauptung aufrecht, eS seien mehr Bergleute verunglückt, als offiziell angegeben wird. In ihrer letzten Nummer wiederholt sie ihre Behauptung und sagt, das Personal der Fröhlich-Glück-Zeche betrage 170 Mann, von denen nur ein kleiner Teil bei Nacht arbeite. ES seien thatsächlich 123 Mann eingefahren und, da sich nur 29 retteten und 8 Brandwunden erlitten, so betrage die Zahl der Opfer 86, von denen 43 Leiche» geborgen wurden. Die Arbeiter erzählen, sie hätten auf den Gasgeruch aufmerksam gemacht, eS wurde ihnen aber nicht erlaubt, auszufahren, sondern befohlen, zur Arbeit zu gehen. Eine halbe Stunde später erfolgte die Ex­plosion.

Vom Bodensee, 24. Sept. Die Obst­preise stehen Heuer so nieder, wie seit langer Zeit nicht mehr. Vor zwei Jahren hatte die Bodensse- gegend sehr viel Obst, allein anderwärts war Mangel und so wurde damals für den Waggon Mostobst 800900 erlöst, während man Heuer kaum 200 ^ für einen solchen erhält. In der Nord- und Ostschweiz giebt eS dieses Jahr ebenfalls sehr viel Obst und so ist vorderhand keine Aussicht da, daß d,e niedrigen Preise in die Höhe gehen werden.

London, 25. September. Daily Mail meldet aus Lorenzo Marquez: Aus zuverlässiger Quelle wird versichert, daß die Buren noch 7- bis 9000 Mann unter den Waffen haben, die von Stein und Reitz befehligt werden. Dieselben haben beschlossen, die englischen Verbindungslinien zu zerstören und sich von Zeit zu Zeit nach Norden zu flüchten, wo ge­nügend Futter für ihre Pferde vorhanden ist.

Pretoria, 24. Sept. Lord Roberts hat eine neue Proklamation erlassen,

worin er den Burghern verspricht, daß sie, wenn sie sich freiwillig unterwerfen, nicht deportiert werden, sondern in Zeltlagern von Pretoria und Bloemfontein untergebrochk werden würden. Diejenigen, welche Viehherden besitzen, können dieselben unter die Obhut aller Personen stellen, welche sie selbst bezeichnen. Diese Proklamation hat eine lebhafte Befriedigung hervorgerufen. Man hofft, daß dieselbe dem Kriege ein Ziel setzen wird.

Die Wirre« i« China.

Berlin, 24. Sept. Ueber die Einnahme der Forts von Peitang werden heute fol­gende Einzelheiten aus Tokio gemeldet. Der Angriff begann am 19. September 10 Uhr nachts und wurde 11 Stunden lang fortgesetzt. Am folgenden Tage um 8 Uhr morgens wurden die Forts von den deutschen, russischen und französischen Truppen besetzt. Die Verluste auf deutscher Seite an Toten und Verwundeten betragen 38 Mann, auf russischer Seite 60 Mann. Ueber die Verluste der Franzosen ist noch nichts Näheres bekannt.

Berlin, 25. Sept. Bei der ostasiatischen Nachrichten-Expedition des deutschen Flotten-VeremL ist heute Morgen folgendes Telegramm eingetroffen: Taku, 24. Sept. Die deutschen Truppen haben die chinesischen Forts von Lutai, 40 lrm nördlich von Peitang am Flusse gleichen Namens gelegen, erobert. ES wurde kein ernster-Widerstand geleistet.

Petersburg, 24. Sept. Wie verlautet, einigten sich die Großmächte über folgende drei Punkte: 1. Züchtigung des Prinzen Tuan und der übrigen Anstifter der Un­ruhen. 2. Zahlung einer Entschädigungssumme. 3. Garantieen für die Zukunft.

. Washington, 25. Sept. Der Beschluß der Regierung, nur 1500 Mann Truppen in Peking zu belassen ist bereits unterzeichnet, aber noch nicht dem General Chaffeeemitgeteilt worden. Ferner be­schloß die Regierung die in den chinesischen Gewässern befindliche Flotte zu verstärken um damit den Mächten zu zeigen, daß die Vereinigten Staaten entschlossen sind, ihre Interessen im äußersten Osten zu wahren.

Shangai, 25. Sept. Li-Hung-Tschang hat telegraphisch den Beamten der Stadt mitgeteilt, daß seine Truppen in Gemäßheit des Befehles, olle Boxer in der Provinz Tschili niederzumetzeln, mehr als tausend getötet und mehrere Banden von Boxern südwestlich von Peking auseinandergesprengt haben. Die gefangen genommenen Boxer wurden öffentlich enthauptet, des­gleichen ein Dutzend ihrer Führer. Li-Hung-Tschang teilte im Anschluß an diese Nachricht mit, daß daL Land in einem Zeitraum von nicht ganz 10 Tagen von den Boxern gesäubert worden sei und dis Ein­wohner zu ihren Beschäftigungen zurückkehrten. Die Armee Li-Hung.Tschangs besteht au» dem Reste der ehemaligen Truppen der Provinz Tschili, welche als die besten gelten. Li-Hung-Tschang läßt die Boxer niedermetzeln, um daS Versprechen zu halten, das er vor 14 Tagen in seiner Proklamation gegeben hat. In dieser hat er bekanntlich angekündigt, daß er mit äußerster Strenge gegen alle Boxer Vorgehen werde, welche nicht nach Hause zurückkehren würden. Li- Hung-Tschang fügt hinzu, daß er die zur Sicherheit der in Tscheng-Tsching gebliebenen katholischen Missio­nare erforderlichen Befehle erteilt hat. Man brauche nicht die geringste Besorgnis bezüglich der Sicherheit derselben zu hegen.

Vermischtes.

Ein modernes Ehedrama. Auf dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der ZeitungS-An- zeige ist dieser Tage im Naffauischen zwischen Schuh­machersleuten ein ehelicher Strauß auSgefochten worden. Der Strauß begann regelrecht mit der Kriegserklärung, welche von der minder zarten Hälfte des Ehepaares der besseren Hälfte angekündigt wurde: Warnung! Ich warne meiner von mir entlassenen Frau Bertha, geborene F . . ., etwas zu borgen, da ich für nichts hafte. August M.. Schuh­

macher.* Frau Bertha M. nahm die Kriegser­klärung augenscheinlich mit jener Ruhe entgegen, die großen Seelen in der Stunde der Gefahr eigen ist, denn zwei Tage später fesselt unL im Anzeigenteil des betreffenden Blattes eine Erklärung folgenden Inhalts:Da mir bis vor einem Jahr«, nämlich so lange ich nicht den Namen meines, nun von mir auf- gegebenen Mannes trug, geborgt wurde, soviel ich wollte, nachher aber nicht mehr, hat das Inserat von meinem Mann keinen Zweck. Bertha F ...., früher

Frau M." Der Hieb scheint gesessen zu

haben. Der erzürnte Ehemann scheut selbst die schmerzhaftesten Kosten nicht, und am nächsten Tage steht in der Zeitung wieder folgende öffentliche E r > klärung:Nachdem zu meiner freudigsten Ueber- raschung meine von mir entlassene Frau sich entschlossen hat, mich nicht wieder durch ihre Rückkehr in mein Haus belästigen zu wollen, erklär« ich, daß ich überhaupt nichts mehr borgen werde, da ich nur dann zu borgen gezwungen bin, wenn sie bei mir ist und meinen Kram verwirtschaftet. August M ...., Schuhmacher." Das war augenscheinlich ein harter Schlag für Frau M. Sie brauchte drei Tag«, um sich davon zu erholen. Dann aber teilte sie in dem Anzeigenteil de» betreffenden Blattes folgenden wuchtigen Hieb aus:Nochmals eine Erklärung. Mein von mir aufgegebener Mann, der Schuhmacher M., hat überhaupt noch nie etwas besessen, was ich ihm hätte verwirtschaften können. Der Wahrheit die Ehre.

Bertha F ...." frühere Frau M." Frau

Bertha M. scheint gesiegt zu haben, denn sie hat das letzt« Wort gehabt, wenigstens hat dervon ihr auf­gegebene Mann" bis jetzt noch nicht auf den letzten Trumpf seiner von ihmentlassenen" Gattin zu antworten gewußt.

Wertvolle Ordre. Ein ehemaliger Haus­knecht etablierte sich in Materialwaren und der Rei­sende einer Engrosfirma besucht ihn.Haben Sie Bedarf in Erbsen?" fragte der Reisende.Schicken Sie mir einen halben Zentner," sagte der neugebackene Händler.Und wie ist es mit Bohnen und Linsen?" fragte de« Reisende.Schicken Sie mir von jedem auch einen halben Zentner," bestellt der Ex-Hausknccht. Und wie ist es mit den Referenzen?" erkundigt sich der Reisende vorsichtigerweise.Davon können Sie mir auch einen halben Zentner schicken," lautet die Antwort desMaterialisten".

Das 50jährige Zubilaumssest der Ireiwilttgen Jeuerwehr in Calw.

(Fortsetzung und Schluß.)

Ein imposanter Festzug zog nun vom Brühl dem Marktplatz zu: voran die Calwer Feuerwehrmusik und die I. Compagnie, dann die Ehrengäste und die Veteranen der hiesigen Feuerwehr, viele derselben mit der Ehrenmedaille für 25jährige Dienstzeit geschmückt.

meines Onkels. Amalie bat Miß Floren ce den letztere» Weg einschlagrn zu lassen und bei uns zu frühstücken.

Ich hoffte, du und Mr. Seymour würdet bei mir frühstücken," entgegnete sie.

Meine Cousine blickte mich einen Moment schalkhaft an, und meinte sie wolle mir die Antwort überlassen, worauf ich mit einer Verbeugung gegen Miß Hawke etwas murmelte, was diese veranlaßte dem Kutscher zuzurufen:nach Hausei*

Die alten arabischen Geschichtenerzähler liebten es, junge Männer ver­schiedenen Standes mit Prinzessinnen zusammenführen und ließen diese letzteren die jungen Männer derart mit Gunfibezeugungen und Leckerbissen überschütten, bis diese ganz überwältigt von der Schönheit und Güte ihrer Gönnerinnen nicht mehr wußten, wo ihnen der Kopf stand. Als ich mit den beiden Mädchen nach all den schon gehabten Genüssen jetzt auch noch zum Frühstück fuhr, da dachte ich an die Aehnlichleit meines Glücke» mit dem der jungen Araber. Auch ich war, ohne mein Zuthun, mit einer Prinzessin zusammengekommen, deren bezauberndes Wesen mich närrisch zu machen drohte.

Mit dem Moment wo der Wagen hielt, war ich auch schon heraus, um dem Diener zuvorzukommen und den Damen beim Aussteigen behilflich zu sein. Nachdem ich hierfür ein freundliche» Lächeln geerntet, forderte Miß Hawke meine Cousine auf in ihrem Zimmer abzulegen, mich aber bat sie ins Empfangszimmer einzutreten. Der glänzende Raum war mir ja von vorher schon bekannt, indes benutzte ich doch nun die Gelegenheit, mich näher umzusehen. Ich trat an einen Tisch, auf dem eine Menge Prachtbände lagen. Ein große« Album mit einem Deckel von Elfenbein und Silber stach mir besonders in die Augen, «S trug in der Mitte ein prunkendes Wappen, vermutlich da«, welches Mr. Alfonso sich zu­gelegt hatte. Dasselbe zeigte im Mittelschild einen Vogel mit auSgebreiteten Schwingen und hoch gerecktem Schnabel. Mir kam das Tier vor wie «ine Gans, di« gerne einen Adler vorstellrn möchte. Ich öffnete daS Buch; es enthielt Photo­graphien der königlichen Familie und mehrere Personen von jedenfalls sehr hohem

Range. Zwischen dieser illustren Gesellschaft befanden sich noch einige andere Bildnisse, die wohl zum Teil Familienbilder sein mochten. Im ganzen war das Büch ziemlich mager besetzt und ich hätte eS interesselos aus der Hand gelegt, wenn nicht plötzlich mein Blick durch ein Profilbild von Miß Florence gefesselt worden wäre. Es war in Paris gemacht und eine sehr gelungene Aufnahme. Sie saß an einem Tisch über ein Buch gebeugt und stützte die Stirn mit der Hand so, daß die Löckchen ihres Haares über die Fingerspitzen fielen. Noch war ich ganz verloren über den Anblick, als die Damen eintraten. Ich behielt das Buch aufgeschlagen in der Hand und rief aus:

DaS ist ja ein ganz vorzügliches Bild von Ihnen, Miß Hawke."

Sie errötete leicht und meinte lächelnd:

Ja, es wird für gut gehalten.*

Darauf hielt ich es wieder vor mich und sagte:

Wirklich, etwas Sprechendere» habe ich selten gesehen,* und zu meiner Cousine gewandt, fügte ich hinzu:du hast wohl auch diese Photographie?*

Gott bewahre, Florence ist nicht so freigebig mit ihren Bildern."

Nun, wenn dir viel daran liegt," lachte diese,so nimm dieses, es ist da» einzig«, was ich noch habe."

Darf ich «S dann gleich herausziehen,* fragte ich hastig und, ohne die Erlaubnis abzuwarten, nahm ich eS behutsam aus dem Karton, sagte zu meiner Cousine:ich werde es für dich einstecken* und barg eS in meiner Brusttasche.

Amalie wußte nicht recht, wa» sie dazu sagen, noch was sie für ein Ge­sicht machen sollte, sie kicherte also nur und ließ mich gewähren. Miß Florence schien gar keine Notiz von dem Vorgang zu nehmen, denn sie trat ganz unbefangen zu dem Album, wandte ein paar Blätter und sagt« dann, indem sie mich heran­rief:Sehen Sie, dies ist mein Vater, und da» ist meine arme Mutter." Während ich mit Interesse die Bilder betrachtete, trat ein Diener ein und meldete daS Frühstück.

(Fortsetzung folgt.)