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Staaren beobachtet, welcher sich auf einer Pappel in der Nähe der Stadt niederge­lassen hatte.

Neuenbürg. (Eingesendet.) Im Voll­machtsnamen Sr. Majestät des Königs haben Se. Kgl. Hoheit der Prinz Wilhelm am 27. Febr. d. I. der Stadtgemeinde Neuenbürg zu den Kosten ihres Schul­hausbaues einen Staatsbeitrag von 6000 gnädigst bewilligt. In diesem auffallend hohen Staatsbeitrag darf die Stadt die allerhöchste Anerkennung der von ihr ge­brachten Opfer erblicken, wie andererseits das so sehr gelungene Bauwesen gewiß das Seinige zur Bemessung des Staatsbeitrags beigetragen hat. Die städtische Schulden­last erfährt durch diese reiche Gabe eine namhafte Erleichterung. Dem hohen Spender, wie auch dem K. gemeinschaft­lichen Oberaml, welches das Gesuch der Stadt um einen Staatsbeitrag so kräftig unterstützt hat, wird die Stadtverwaltung ihren Dank besonders ausdrücken. Dies ist aber auch der Zweck dieser Zeilen.

Neuenbürg, 3. März. Heute neues Schneegestöber.

Schweiz.

Zürich, 29. Febr. Der außerordent­liche Güterandrang auf der Gotthardbahn nach dem Süden fängt von Neuem an, so daß die fakultativen Tag- und Nacht­züge ausgeführt werden müssen. Dagegen sind die Arbeiten am zweiten Geleise und an der Festung des außerordentlichen Schneefalles wegen, der nicht aufhören will, eingestellt.

Lm Kanton Tessin und dem ganzen Norden Italiens verursachen Schnee­wehen und Lawinen viel Unglück.

Bern, 23. Febr. Ein großartiges Unternehmen einer Wasserversorgung von Paris aus dem Neuenbnrger See macht gegenwärtig in schweizerischen und sranzös. Blättern viel von sich reden. Be­kanntlich ist Paris mit Trinkmasser nicht gut versehen, es bezieht den Wasserbedarf größtenteils aus dem Oberlause der Seine und aus dem von der Marne abgeleiteten Kanal ckö l'Oureguo. Nun hat Ingenieur Ritter in Freiburg dem Pariser Gemeinde­rat einen Plan vorgelegt, die Stadt Paris in Hülle und Fülle nnt Trink- und Nutz­wasser aus einer geradezu unerschöpflichen Quelle zu versorgen, nämlich aus dem Neuenburger See. Das Unternehmen würde auf 300 Mill. Fr. zu stehen kom­men; dieser Summe würde jedoch eine sichere Einnahme zur Verzinsung und Tilgung gegenüberstehen. Der Neuen­burger See liegt 500 Kilometer von Paris entfernt; über 400 Meter höher als Paris, hat eine Oberfläche von 350 Quadrat- Kilometer und könnte demnach, selbst wenn er ohne jeden Zufluß bliebe, zwei Jahre lang Paris mit soviel gutem Wasser ver­sehen, daß auf jeden Kopf täglich 600 Liter kämen, ohne daß der Seespiegel mehr als einen Meter sinken würde.

Ausland.

Paris, 1. März. Wilson wurde wegen Ordenshandels zu zwei Jahren Gefängnis und einer Geldbüße von 3000 Francs, sowie zu fünfjährigem Verlust der Ehrenrechte verurteilt.

Miszellen.

Schalten und Licht.

Erzählung von A. Fries.

1 .

Im grauen Kloster.

Tante Lotte, warum haben eigentlich die Engel Flügel?"

Weil sie des lieben Gottes Boten sind, mein Junge, und ganz schnell seine heiligen Befehle ausrichten müssen!"

Aber, Tante Lotte, warum liegt der König Hiskiah im Bett und hat eine goldene Krone auf dem Kopfe? er kann sich ja gar nicht in seine Kissen legen, warum hat er nicht eine Nachtmütze auf?"

Wenn er eine Nachtmütze aus hätte, dann würden die Leute ja nicht sehen können, daß er ein König ist?"

Aber, Tante Lotte, wer ist der große Mann mit dem Ding in der Hand?"

Das ist der heilige Laurentius."

Was ist das für ein Ding, das er in der Hand hat?"

Das ist der glühende Rost, worauf die bösen Menschen ihn zu Tode gemartert haben!"

Das sollen die bösen Menschen aber nicht, Otto will sie prügeln "

Dieses und ähnliche Gespräche sind mir so oft wieder erzählt worden, daß sie sich meinem Gedächtnis eingeprägt haben, sonst würden sie wahrscheinlich der Nach­welt verloren gegangen sein, denn ich mag höchstens vier Jahre alt gewesen sein, als mir vorstehende Unterweisung zu Teil ward und ich mich veranlaßt fand, den heiligen Laurentius nachträglich an seinen Peinigern zu rächen.

In alten katholischen Zeiten hatte drese Kirche dem Kloster der grauen Brüder gehört, in dessen Mauern sie auch lag. Jetzt wohnte in diesem Kloster meine Tante Lotte, denn in neueren Zeiten war es mit seinen Einkünften in ein Stift ver­wandelt, wo alte unversorgte Frauen, Jungfrauen und auch Männer Aufnahmen fanden.

Das Innere des Klosters hatte natür­lich manche Umwandlung sich gefallen lassen müssen. Die früheren Zellen waren zwar noch gewölbt, aber durch ein hohes Bogenfenster strömte der goldene Sonnen­schein so warm und wohlthuend herein, daß man wahrlich nicht mehr an ein düsteres Kloster erinnert ward, und ich oft habe denken müssen: wenn die armen grauen Brüder es doch auch so hell und warm gehabt hätten! Besagtes Bogenfenster bildete nun eine tiefe Nische, denn die alten Mauern waren sehr dick, und in der Nische blühte und duftete es zu allen Jahreszeiten von Levkojen und Goldlack, von Rosen und Heliotrop im Sommer, und wenn draußen die Erde mit Schnee und Eis bedeckt, gab's hier Reseda und Hyazinthen! Von diesen Blumen umblüht und umduftet stand ein Arbeits­tischen, worauf Bücher lagen, und davor saß Tante Lotte!

Wie sah sie aus? In meinen Kindererinnerungen ist die vorherrschende Farbe au ihr ein Helles Weiß. Das Haar kam weiß hervor unter ihrem weißen Häubchen, ihr altes, freundliches Gesicht

war blaß und zart, dann trug sie freilich immer ein graues Kleid, wahrscheinlich zu Ehren der grauen Brüder, aber dar­über eine weiße, hohe Schürze mit feinen Kanten besetzt.

Da nun auch die Wände ihrer Zelle immer weiß gehalten wurden, so wird man begreifen, daß um und an Tante Lotte lauter Licht war. Daß aber auch in ihr schönes, Helles Licht war, das sah man ihren lieben freundlichen Augen an, aus welchen es herausleuchtete, daß drinnen sich ein Heiligtum Gottes befinde, voll Frieden und Freude. Mein Vaterhaus dagegen lag im tiefen Schatten. Meine Mutter habe ich nie gekannt, da meine Geburt ihr das Leben gekostet. Seitdem hauste mein armer, vereinsamter Vater mit einigen alten Dienstboten ganz allein in dem großen Hause, das mit seinen Wohnräumen gegen Norden, in einer schmalen Straße gelegen, ein merkwürdig sonnenloser Aufenthalt war. Meine frühesten Erinnerungen reichen in eine Kinderstube, wo ich unter der Aufsicht eines alten Mädchens, die Gita hieß, mein Wesen trieb. An Spielsachen fehlte es mir nicht, auch war Gita nach ihrer Weise freundlich mit mir, sang sogar mit einer dünnen Blechstimme allerlei merkwürdige Romanzen und Balladen von Rittern und Nixen, sang die Arie der Hulda aus dem Donauweibchen:In meinem Schlosse ist's gar fein, komm Ritter, kehre bei mir ein!" aber über all' diesen Erinnerungen liegt es doch wie Schatten. Die alte Tapete in der Kinderstube war so Grau in Grau gemalt, allerlei steife, langweilige Figuren; die Reise von der Kinder­stube in meines Vaters Arbeitsstube führte über so lange, dunkle Gänge, eine Treppe hinauf, die ein schwerfälliges Geländer von dunklem Eichenholz hatte, dann durch eine Reihe von hohen, unbewohnten Zimmern, wo die Gardinen immer herab­gelassen waren, und die gradlehnigen Stühle nie vvn den Wänden gerückt wurden. Und dann die Arbeitsstnbe meines Vaters, mit den bis zur Decke reichenden Büchergestellen, mit den ver­gilbten Gypsbüsten berühmter Männer, deren sternlose Augen mich so gespenstisch anglotzten, alles vom Tabaksrauch durch­zogen und überzogen! Da war mir die Kinderstube noch lieber! Nur Eins entzückte mich in meines Vaters Stube. Das war der Mutter Bild über seinem Schreibtisch, ein schönes jugendlichesFrauen- antlitz voll Anmut und Liebreiz, die blauen Augen strahlten aus der Leinwand hervor, der leicht geöffnete Mund lächelte mir so hosdselig zu, in dem hochsrisierten blonden Haar schwebte so frisch und fröh­lich eine Purpurrose! Das Bild war der einzige Lichtpunkt in all dem Schatten, und ich erinnere mich sehr wohl, wie ich als kleiner Bursche mich auf die Fußspitzen hob und dem Bilde Kußhände zuwarf und immer neue Aehnlichkeiten mit der Tante Lotte im Kloster entdeckte. Meine Mutter war nämlich deren Schwester gewesen, aber an Jahren viel jünger. Die Ehe meines Vaters war zehn Jahre kinderlos geblieben, bis meine Geburt das Band löste. Ein tieflrauriger Ernst ist seitdem nicht wieder von meinem Vater gewichen, und wenn bei meinem Erscheinen in seiner