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Ich setze bei Denen, welche jetzt unsere Feinde sind, und mit denen ich durch Familienverbindungen innig verknüpft bin, die Hochherzigkeit voraus, daß sie einem Greise, der die Schmach seines Vaterlandes erleben mußte, und der sich jetzt in einer belagerten Stadt, fern von seinem einzigen Kinde und fern von seinem Schwiegersohn befindet, die Freude bereiten werden, seiner geliebten Tochter Nachrichten über ihren Gemahl nicht vorzuenthalten. Ja, meine liebe Hortense, Dein Mann den Du be­weintest, lebt. Lege die Trauer wieder ab und nimm den Schleier von Deinen schönen Augen, erwache auch Du zu neuem Leben. Er lebt. Ich habe von Ducrol, den ich gestern sprach, die bestimmte Nachricht erhalten, daß Gaston als Kriegsgefangener nach Deutschland abgeführt ist. Ducrot hat ihn nach der Kapitulation von Sedau noch gesprochen. Hoffentlich hast Du es schon erfahren, denn ich setze voraus, daß Gaston seinen Starrsinn überwunden und Deiner Tante trotz allen Grolls, den er gegen sie und ihren Mann hegt, von seiner jetzigen Lage Kenntnis gegeben hat. Wärst Du mir doch gefolgt, mein Kind! Hättest Du den Gedanken, den geliebten Toten auf dem Schlachtfeld aufzusuchen und ihn selbst zu bestatten aufgegeben, so würde ich Dich doch wenigstens in meiner Nähe haben. So bin ich in dieser unruh­vollen Zeit in gänzlicher Ungewißheit über Dich und über Alles, was vorgeht. Ich hoffe nur, daß Du unserer Verabredung gemäß von Sedan aus über Belgien zu Deiner Tante gereist und jetzt sicher ge­borgen bist. Bist Du mit Gaston vereint, so will ich dem Schicksal nicht grollen. Aber es ist ja Alles möglich; und möglich ist auch, daß Du nicht einmal von seinem Dasein etwas weißt und erst durch diesen Brief auf Umwegen die tröstliche Wahrheit erfährst. Daß wir von Gaston direkt keinen Brief erhalten haben, wundert mich nicht. Hier leben Hunderte und Tausende, welche über das Schicksal ihrer Angehörigen, die bei Sedan gekämpft haben, vollkommen im Unklaren sind. Gaston mag geschrieben haben, der Brief ist aber nicht mehr zu uns gelangt. Solltest Du Gaston noch nicht gesehen haben, so wird es Dir jeden­falls keine Mühe verursachen, ihn zu finden. Wende Dich gleich an die oberste Behörde; einer freundlichen Aufnahme Deiner Bitte darfst Du im Voraus gewiß sein. Berufe Dich auf Deinen Onkel! Von mir, mein liebes Kind, kann ich Dir nur sagen, daß ich mich den Umständen nach wohl befinde und den Augenblick Herbeisehne, wo dieser entsetzliche Krieg sein Ende erreicht haben wird. Je schmerzlicher die Trennung war, desto freudenreicher wird die Stunde der Wiedervereinigung sein. Materiell leide ich unter der Belagerung nicht, Speise­kammer und Keller sind noch ans viele Monate gefüllt. Mit der Gesundheit gehl es gut. Die Ligny hat sich bei mir häus­lich niedergelassen und ist für mich in der Einsamkeit ein wahrer Trost.

Dein

Dich herzlich liebender Vater Vicomte Leon de Nanteuil.

Auf dem Couvert stand: Madame Hortense de Brouillac, per Adresse Frau

Generalin von G. Neudorf bei Swine­münde. Pommern.

Der Brief machte auf mich, wie gesagt, einen ganz ungewöhnlichen Eindruck. Ich kannte den alten Vicomte gut, hatte manche glückliche Stunde in seinem gastfreien Hause in Paris zugebrachl und hatte sogar unter dem Vorwände, seine Tochter im Deutschen zu unterrichten, für die reizende Hortense ein lebhafteres Interesse gewonnen, als es vom Sprachlehrer verlangt wird. Und es unterlag gar keinem Zweifel, Hortense behandelte auch mich viel freundlicher, als alle Anderen.

(Fortsetzung folgt.;

Im Februar vorigen Jahres ist einer unserer besten und edelsten, von Vaterlands­liebe durchglühter Sänger heimgegangen, nämlich Bernhard Endrulat. Der Dichter der Schleswig-Holstein-Lieder, der begeisterte Freund jenes Landes, für welches er 1849 kämpfte und blutete, hat verschiedene Sammlungen seiner Gedichte herausgegeben, doch fand sich in seinem Nachlaß noch eine Anzahl bisher ungedruckter Poesien, die wohl wert erschienen, daß sie in Buchform gesammelt, weiteren Kreisen zugänglich ge­macht werden. Mit einer Auswahl schon gedruckter Lieder und mit einem Lebens­abriß des Dichters zusammengefaßt, erschien sie soeben als ein zierliches, sauber aus- gestattetcs Heftchen im Verlag von Joseph Jolowicz in Posen. Indem wir auf diese Gedichte von Bernhard Endrulat" empfehlend Hinweisen, geben wir in Nach­folgendem eine kleine Probe des Inhalts:

Beruf des Weibes.

Wenn draußen Männerwaffen klirren, Der Streit um Licht und Freiheit klingt, Dann ist's ein trauervolles Irren,

Wenn auch das Weib die Fackel schwingt. Doch wenn die Zeit, vom Geist verlassen In eitle falsche Bahnen drängt,

Und wenn der dumpfe Sinn der Massen Verloren am Gemeinen hängt,

Dann sei das Weib im stillen Hause Der Schönheit Hohepriesterin,

Und wahre treu im Tagsgebrause Den großen, unbeirrten Sinn!

Dann lieg' in seines Auges Güte Der Treue Lohn, der Ehre Sporn,

Doch jeder Schuldbewußte hüte Sich scheu vor seinem keuschen Zorn! Dann wird des Heerdes traute Stelle Der Menschheit festlicher Altar;

Dann sammelt sich an seiner Schwelle Der bessern Zukunft Kämpferschaar!

lDid.t

Vorsicht. Wenn die beunruhigen­den Kriegsgerüchte geeignet sind, Handel und Verkehr lahm zu legen, so giebt es doch auch Fälle, in denen die­selben eine entgegengesetzte Wirkung auf unser Geschäftsleben ausüben. Kauft sich da unlängst ein Bäuerlein im Elsaß, um während des Kriegs keinen Hunger zu leiden, 2 Ztr. Kochsalz, 1 Ztr. Zucker, 25 Pfd. Kaffee, eine Quantität Reis und andere Spezereiwaren, so daß er im Ganzen eine Rechnung von über 100 ^ zu be­zahlen hatte. Doch,wenn Herz und Mund sich laben, muß die Nase auch was haben," das läßt sich unser Bäuerlein ge­sagt sein und vermehrt seine Einkäufe noch

um einen halben Zentner Schnupf- s tabak, weil, wie er meint, hier die Bor- ! sicht besser als die Nachsicht ist und er ! auch während des Krieges seine Prise nicht ^ missen will.

(Der Weg zum Himmelreich.) Als dem Grafen Schafgotsch durch den Tod seines Oheims die Herrschaft Schlackenwerth zu­gefallen war mit der Bedingung, daß er zur katholischen Religion übertrete, be- i nachrichtigte er Friedrich den Großen von seinem Entschluß, die Erbschaft anzutreten und suchte seinen Religionswechsel zu ent­schuldigen. Der König erwiederte ihm: s Viele Wege führen zum Himmelreich: t Euer Liebden haben den über Schlacken- s werth eingeschlagen. Ich wünsche glück- : liehe Reise.

(Ein See - Adler im Fuchseisen) ist s Ende Januar bei Milkel in der sächsischen ' Oberlausitz lebend und merkwürdiger Weise j unverletzt gefangen worden. Er war mit : dem gegen 4 Kilo schweren Fuchseisen in die Höhe geflogen und dabei an dem Aste eines Baumes hängen geblieben, von dem er mit großer Vorsicht herabgeholt wurde, um dem Zoologischen Garten in Dresden überwiesen zu werden.

Ein Anzahl von Familien der Stadt Piacenza ist durch das Ertrinken von 24 Knaben, welche auf einem in der Nähe : belegenen leicht zugeforenen Sumpfe schlitterten", in Trauer versetzt. Drei der Ertrunkenen gehörten einer und der­selben Familie an.

(Gut taxiert.) Richter:Wie hoch i schätzen Sie die Ihnen gestohlenen Stiefel?"

Schadenträger:Neu haben sie mich . 16 Mark gekostet, dann habe ich sie zwei­mal sohlen lassen, macht 12 Mark; zu­sammen also 28 Mark."

Wandinschrift in einer Weinkneipe.

Der Rote stets so sauer ist,

Daß er ein Loch in den Magen frißt. Worauf man dann zum Weißen flieht, " Der es bald wieder zusammenzieht. Dasselbe Kunststück auch gelingt,

So man zuerst den Weißen trinkt.

Was am besten ihm gefällt,

Ein Jeder für das Wahre hält. j

Auflösung des Rätsels in Nr. 21.

Der Uhrpendel.

Silbenrätsel.

Oderberg, Cölleda, Wiener - Neustadt, s

Carolinenthal, Marne, Valladolid. . ,

Aus obigen Ortsnamen soll je eine Silbe entnommen und daraus die Bezeich­nung eines berühmten Faschingsfestes ge­bildet werden.

Goldkurs der K. Staatskassenverwaltung vom 8. Februar 1887. 20-Frankenstücke .... 16 6 ^ '

Zustellungen auf den Knzthäler

können täglich bei allen Postämtern ge­macht werden._

Mit einer Beilage:

Karte des Landesbefestigungs-Systems im nordöstlichen Frankreich.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.

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