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Hofämter. Außer de» 600 Beamten der Jubelanstalt hatten sich aus ihren 24 SubdirektionSbezirken, in welchen ein Heer von ca. 5000 Personen beständig für den Verein thätig ist, die hervorragendste» Vertreter, sowie Abgesandte befreundeter Versicherungs- Anstalten und zahlreiche Abgeordnete von Korporationen und Vereinen, welche mit dem Jubelverein im VertragSverhältniS stehen, eingefunden. Den Mittelpunkt der Feier bildete ein glanzvoll ausgestattetes und von VereinSbeamten aufgeführtes Festspiel, das den Nutzen und Segen der Versicherung für die verschiedensten Lebenslagen und Bevölkerungsklaffen in abwechslungsreichen Bildern vor Augen führte. Das Festmahl selbst' würzten zahlreiche Trinksprüche, von denen eine große Zahl dem Vereinsoorstand galt, der durch U-berreichung von Adressen uid Ehrengaben besonders gefeiert wurde. Bi« nach Mitternacht hielten sonstige mannigfaltige künstlerische und humoristische Darbietungen des „Beamtenk.anzeS" die große Menge der Teilnehmer an dem seltenen Feste beisammen. — Dem Vorstand des Vereins ist von Er. Majestät dem König von Wür temberg anläßlich der Jubelfeier das Ritterkreuz I. Klaffe des FriedrichS- ordenS verliehen worden.
Göppingen, 12. Mai. Der Hohenstaufen schreibt: Wir haben am Mittwoch eine Correspondenz aus Eßlingen veröffentlicht, wonach dort ei» schon weit in der Verwesung vorgeschrittener weiblicher Leichnam angeschwemmt worden ist. Nachdem ein Sohn der seit Ende des vorigen Jahres vermißten Witwe Haider hier die Nachricht im „Hohenstaufen" gelesen hatte, fuhr er sofort nach Eßlingen und erkannte dort die Leiche seiner Mutter. Die Fra«, welche an Schwermut litt, verließ seinerzeit ihre Wohnung, um an den Sauerbrunnen zu gehen, von welche« Gang sie nicht mehr nach Hause zurückkehrte.
Hall, 11. Mai. Vor der Strafkammer des Landgerichts hatten sich heute unter der Anklage des Zweikampfs zu verantworten die Gymnafisten Eugen Teufel, 18 Jahre alt aus Nürnberg und Werner Cuntz, 18 Jahre alt aus Heidelberg. Die Verhandlung ergab folgendes: Die Angeklagten, im Schülerpensionat des Gymnasialrektors untergebracht, besuchten zuletzt die 9. Klaff« des hiesigen Gymnasiums. Anfangs März d. I. waren sie bei Tisch in einen Wortwechsel geraten und hatten sich schließlich trotz Anwesenheit einer Dame im Beisein von etwa 15 Tischgenoffrn gegenseitig geohrfeigt. Noch am gleichen Tage ließ Teufel dem Cuntz durch einen Mitschüler eine Forderung auf Pistolen überbringen, falls ihm Cuntz nicht Abbitte leiste. Letzteres verweigerte Cuntz, obwohl er die Tätlichkeiten gegen Teufel begonnen hatte, nahm dagegen die Herausforderung zum Zweikampfe an. Am folgenden Nachmittag, 6. März, fand der Zweikampf, dessen Bedingungen durch Sekundanten genau festgestellt worden warm, auf der „Tullauer Höhr" bei Hall statt, nachdem gleichkalibrige — 6 mm — Pistolen beschafft worden warm. Ei» Arzt wurde nicht beigezogen, wohl aber 2 Sekundanten und ein „Unparteiischer". ES fand zweimaliger Kugrlwechsel
statt und zwar beim ersten Schuß auf 15, bei den drei übrigen Schüssen aus 10 Schritt Entfernung. Während die drei ersten Schüsse fehlgingen, wurde Cuntz durch de» letzten Schuß des Teufel in der rechten Brustseite nicht »»erheblich verletzt. Die Kugel konnte n«ch dem Gutachten deS Sachverständigen Dr. Dürr bis jetzt nicht aus dem Körper de» Verletzten entfernt werde»; wäre sie nicht durch »in« Rippe aufgehalten worden, so wäre sie nach Ausspruch des Arztes i» die Brustwand «ingedrungen und hätte tötliche Folgen haben können. So konnte aber Cuntz nach 2 Wochen di» Schule wieder besuche». — Die Angeklagten konnte» zwar den geschilderten Sachverhalt nicht bestreiten, machten aber geltend, sie haben absichtlich fehlgeschoss en. Sie mußten aber zu- gsben, daß ein« derartige Vereinbarung nicht unter ihnen oder den Sekundanten getroffen worden sei. Zudem wurde bezeugt, daß Teufel vor dem Duell zu seinem Sekundanten geäußert habe, er wolle seinem Gegner eine» „Denkzettel" geben. Endlich hatte Teufel selbst in der Voruntersuchung eingeräumt, er habe auf Cuntz -»zielt, was Cuntz nach seinen früheren Angaben sogar gesehen haben wollt«. Diesen Widerruf ihre« früheren Aussagen vermochten dir Angeklagten nicht zu erklären, zumal der auf ihr unerwartetes Leugnen vom Staatsanwalt als Zeug« in di« Sitzung gestellte Untersuchungsrichter bestätigte, wie die Angeklagten durchaus freiwillig, in „burschikoser Weise", jene sie selbst belastenden Angaben gemacht hatten. — Da» Gericht sprach beide Angeklagte de- Zweikampfs schuldig und verurteilte Teufel zu vier Monaten, Cuntz zu drei Monaten und fünfzehn Tagen Festungshaft.
Bingen, 11. Mai. Heut« mittag traf die Torpedvbootflottille, von dm Spitzen der Behörden, dm Kriegervereinen und einer tausendköpfigen Menschenmenge begrüßt hier ein. Im Rathause wurde den Offizieren rin Ehrentrunk kredenzt und sodann die Burg Klopp besichtigt. Um 5 Uhr fand im Hotel Viktoria Festmahl statt. Vom Großherzog von Hessen traf «in Telegramm ein mit der Mitteilung, daß der Broßherzog am Montag mit der Flottille nach Mainz fahren werde.
Berlin, 11. Mai. Den Abendblättern zu folge gilt «S in unterrichteten Kreisen als sicher, daß die Session sowohl des Reichstage« wie des Landtage« übe« Pfingsten hinaus bis Ende Juni sich erstrecken soll. Die Regierung besteht darauf, daß außer dem Flottengesetz die Unfall-Ver- sicherungSgesttze, da« RrichSseuchengesetz und da» Münzges«tz erledigt werden. Ob außerdem das F l«i s chb r s ch au ges etz und die Isx Heinz« noch zur Beratung gestellt werde», ist noch immer nicht entschieden. Als erwünscht wird bezeichnet, auch die EeemannSor dnung zu verabschieden, deren erste Lesung die Commission allerdings noch nicht beendet hat.
Berlin, 11. Mai. Graf PosadowSky begiebt sich heute nach Leipzig, um im Aufträge de« Kaiser« de; vom deutschen Buchgewerbe-Verein
veranstaltelten Vorfeier der 500. Wiederkehr deS Geburtstages Gutenberg's und und der Enthüllung deS allgemeinen deutschen Ehren-Denkmals der Buchdruckerkunst beizuwohnen. Gleichzeitig wird die Eröffnung de» deutschen Buchgewerbehauses und die Einweihung der Gutenberghalle erfolgen.
Berlin, 12. Mai. Dis Neuesten Nachrichten melden aus Petersburg: Die in der ausländischen Presse über die Reise des Zarenpaar e S nach Wien, Paris, Rom, Bukarest und Sofia verbreiteten Gerüchte werden von ministerieller Seit« als gänzlich auS der Luft gegriffen bezeichnet, lieber eine Auslandsreise de» Zarenpaares ist noch keine Entschließung getroffen. Voraussichtlich wird das Zarmpaar in diesem Jahr überhaupt nicht ins Ausland gehen.
Budapest, 13. Mai. Nach Meldungen aus Constantinopel aus angeblich guter Quelle wurde im Laufe der vergangenen Woche auf den Sultan ein Vergiftungsversuch gemacht, welchem der Sultan nur durch «inen Zufall entging. ES wurden viele Verhaftungen in der Angelegenheit vorgenommen. U. A. wurde der Sohn des Polizeiministers und der Sohn eines Professors an der medicinischen Hochschule verhaftet.
Der Krieg irr Südafrika.
Berlin, 12 Mai. Nach einem Telegramm aus London meldet Roberts auS Geneva Siding, daß er gestern 20 Meilen marschiert ist und jetzt nur noch 14 Meilen von Kronstadt und 6 Meilen von Boschrand entfernt ist. Dort haben die Buren verschanzte Stellungen inne.
Berlin, 12. Mai. Nach einem Telegramm auS London meldet LaffanS Bureau aus Präoria: Die britische Entsatz-Kolonne für Mafeking bestehend aus 3000 Mann Kavallerie und Infanterie mit 6 Geschützen marschiert in Eilmärschen bei Tag und Nacht die Petschuanabahn entlang und passierte am Mittwoch Vryburg. Ueber Kämpfe liegen keine Details vor, außer daß die Engländer von den Buren- CommandoS belästigt werden. Man nimmt an, daß die Entsotzkolonne heute bis auf drei Tagemärsche von Mafeking angekommen ist. Sie brach am Freitag vor acht Tagen von Windsorton auf.
Haag, 11. Mai. Die Subscription deS holländischen Comitös zu Gunsten der Buren beläuft sich augenblicklich auf 2 430000 FrcS., die der Roten Kreuzgesellschaft ergab bisher 430000 FrcS.
London, 12. Mai. In einer Rede, die Chamberlain gestern in Birmingham hielt, erklärte dieser» daß die englische Regierung die Unabhängigkeit der Buren-Republiken nicht anerkennen könne. Die Buren-Republiken müßten dem Reiche ihrer Majestät einverleibt w:rde» und unter englische Flagge gelangen. Nichtsdestoweniger werde eS aber möglich sein, daß den beiden Republiken kurze Zeit nach der Einverleibung eine Verwaltung wie die von Indien gegeben werde. Die Regierung hoffe sogar, daß
eine Gestalt, ein Mann von etwa dreißig Jahren, nackt bi» zum Gürtel und barfuß. Sein Haar war lang und wirr, sein Gesicht hager, leichenhaft, der Blick seiner dunkeln Augen brennend, unstet, scheu und wild.
„Allmächtiger!" sagte Poole. „Wen haben wir hier?"
Der Mann verzerrte seine Züge zu einem Lächeln, da» seine weißen Zähne bloßlegte; zugleich winkt« er den beiden, näher zu kommen. Poole ging herzu.
„Sind da noch mehr von euch an Bord?" fragte er.
„Es ist gut, daß Sie gekommen sind," versetzte der Mann mit harter, tonloser Stimme. „Ich habe auf Eie gewartet. Treten Sie näher."
Er ging rückwärts, und der Steuermann trat in das Innere, nicht ohne die Befürchtung, hier auf Leichen, oder, wa« noch schlimmer gewesen wäre, auf noch mehr Wahnsinnige zu stoßen. Auf dem Tische der klemm Kajüte lag eine Seekarte. Der Halbnackte beugte sich darüber, setzte den Finger auf einen Punkt und sah dann Poole mit seinen unheimlichen Augen in» Gesicht.
„Nach meiner Berechnung befindet dieses Schiff sich jetzt hier," sagte er „Ist das richtig, oder nicht?'
Der Steuermann blickt« auf dir Karte; es war eine Karte der Nordsee.
„Das wollen wir nachher feststrllen," versetzte er begütigend. „Jetzt ist keine Zeit zu verlieren, da mein Schiff nicht zu lang« warten darf. Sind hier noch mehr Leute an Bord?"
„Ich will meine Antwort haben I" rief der Wahnsinnige. „Drei Tage lang rechne ich schon und finde kein Resultat. Die Länge ist falsch, und di« Breite stimmt auch nicht. Bin ich nicht rin Steuermann so gut, wie der beste? Habe ich mein Certifikat etwa nicht in der Tasche? Aber wenn die ganze Nacht die Sonne nicht scheint, wie soll ich da die Mittagshöhe finden? Antwort« Sie mir, Kapitän!"
„Lassen Sie mich mit ihm reden, Steuermann," raunte der Matrose dem betroffenen Poole ins Ohr. „Ich habe einen Schwager im Jrrenhause, ich verstehe mich auf solche Leute."
„Nur zu," nickte der Steuermann und trat zurück.
„Um Vergebung," sagte der Matrose zu dem Halbnackten, der noch immer den Finger in die Karte bohrte, „lassen Sie mich mal sehen." Er bracht« seine Nase dicht auf das Papier, obgleich er weder lesen, noch schreiben, noch rechnen konnte. „Wo sagten Sie? Hier? Ei freilich, das stimmt ja aufs Haar! DaS hier ist genau die Stelle, wo dieser Kasten jetzt schwimmt."
„Um aber ganz sicher zu gehen," fuhr der Matrose mit wichtiger Miene fort, „müssen Sie mit zu uns an Bord kommen; wir haben da einen berühmten Navigator, mit Namen Kapitän Benson, der sich freuen würde, wenn er seine Karte mit de« Ihren vergleichen könnte. Das ist eine Gelegenheit für Sie, wie sie sobald nicht wiederkommt."
Die Blicke de« armen Irren wandert«» zuerst über die Gesichter der beiden Seeleute, dann über die Wände der Kajüte und endlich an seinem nackten Oberkörper hinunter.
„Wo finde ich Ihr Zeug?" fragte Poole.
Ohne hierauf zu achten wie« der Mann von neuem auf die Karte.
„Wird der berühmte Navigator sich in diesem Gradnetz auch zurechtfinden?" fragt« er den Matrosen.
„Wie in seiner Tasche," versicherte dieser. Er ist in Navigationssachen so gelehrt, daß die Admiralität ihm Unsummen von Pfunden wöchentlich geboten hat, damit er di« Berechnungen für sämtlich« englische Flotten übernähme; aber er thut's nicht, aus dem einfachen Grunde, weil er keine Uniform tragen will."
(Fortsetzung folgt.)