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ungarische, galizische und überhaupt öster­reichische Ware nächstes Jahr zu ganz den gleichen Preisen wie seither nach Deutsch­land geliefert werden kann. Die Hoffnung, welche wohl alle Holzinteressenten, gleich­viel ob Freunde oder Gegner des Holz­zolles, teilten, nämlich daß in Folge der stark erhöhten Zollsätze notgedrungen früher oder später eine Preissteigerung, wenigstens für geschnittenes Material eintreten müsse, wird dadurch zu nichte gemacht. Dazu kommt noch, daß, da unzählige Händler und Produzenten mit Sicherheit auf höhere Preise im Frühjahr gerechnet hatten, un­geheuere Massen Rundholz angekauft, viele im Inland nahe den österreichischen und russischen Grenzen gelegenen Sägewerke vergrößert wurden und an verschiedenen Plätzen neue großartige Werke errichtet werden. Da ferner überall in Deutsch­land noch enorme Vorräte von Brettern re. lagern, so wird im nächsten Frühjahr der deutsche Markt nicht nur mit ausländischem, sondern auch mit inländischem Schnitt­material in einer Weise überschwemmt werden, wie das vielleicht noch niemals der Fall war. Die Folge davon wird und muß sein, daß die gegenwärtigen niedrigen Preise nicht nur keine Besserung erfahren, sondern daß ein weiteres und vielleicht ganz merkliches Fallen der Preise eintritt, womit jedenfalls ganz enorme Verluste seitens vieler Geschäfte und auch der Ruin einer großen Anzahl verbunden ist. Für Manche ist es jetzt noch Zeit, sich davor zu schützen, indem sie ihre Pro­duktion oder sonstigen Unternehmungen möglichst einschränken und so auf diese Weise im eigenen und allgemeinen Interesse ihr Scherflein dazu beitragen, daß die Deroute im Holzgeschäft keine zu große wird.

Württemberg.

Stuttgart, 26. Nov. Nachrichten aus Nizza zufolge empfingen Ihre Kgl. Majestäten daselbst am 23. d. M. den Besuch des Großherzogs und der Groß­herzogin von Mecklenburg-Schwerin, Höchst- welche vor Kurzem zum Winteraufenthalt in Cannes eingetroffen sind. Dieselben nahmen mit dem in Nizza befindlichen Neffen I. M, der Königin, Sr. Kais. Hoheit dem Herzog Georg von Leuchten­berg, bei Ihren Majestäten das Frühstück und kehrten nachmittags wieder nach Cannes zurück. Die Witterung war in der letzten Zeit an der Riviera trüb und regnerisch, dabei aber warm; jetzt soll dieselbe wieder prachtvoll sein. (St.-Anz.)

Stuttgart, 26. Nov. Wegen Ab­lebens Sr. Maj. des Königs Alfons von Spanien ist Hoftrauer von heute an auf 4 Wochen angeordnet worden.

Schwäbisches Musikfest. Aus Stuttgart wird geschrieben: das diesen Sommer abgehaltene I. Schwäbische Musik­fest hat einen über Erwarten günstigen Abschluß ergeben. Den Einnahmen mit ca. 26 800 Mark stehen nach der unter dem Präsidium des Prinzen Weimar stattgehabten Schlußsitzung an Ausgaben (Orchester, Dirigenten, Solisten u. Chor rc.) 22 200 ^ gegenüber, so daß ein Ucber- schuß von rund 4600 ^ bleibt, welcher an denVerein zur Förderung der Kunst" fallen. Letzterer überwies dem Liederkranz

als ersten Beitrag zur Anschaffung einer Orgel 1000 cM., während der Rest als Reserve für das vom Verein in mehreren Jahren iu Aussicht genommene zweite Musikfest zurückgestellt wurde. (F. I.)

Neckarsulm. Am 21. Novbr. be­ging das erste industrielle Etablissement am hiesigen Platze, die Neckarsulmer Strick­maschinenfabrik, eine Jubiläumsfeier an­läßlich Fertigstellung der 2500stcn Strick­maschine. Das in Ricdlingen gegründete Etablissement wurde im Jahre 1880 nach Neckarsulm verlegt und produziert nach derNeck. Ztg." in seiner heutigen Er­weiterung jährlich gegen 1000 Maschinen, wovon der größere Teil im Auslande ver- chlossen wird.

Neuenbürg. Bekanntlich findet auf den 1. Dezember die Volkszählung statt. Bei der hohen Wichtigkeit dieser Aufnahme des Standes der Bevölkerung im deutschen Reiche, für statistische Zwecke im Allgemeinen, wie im Besonder» auch ür Württemberg selbst, wie für jede ein­zelne Gemeinde, wird es unter Hinweis auf die betr. Bekanntmachung in Nr. 179 des Enzthälers vom 10. November nur noch dieser Anregung an die Familien­häupter bedürfen, durch genaue Aufzählung ihrer Familien und Hausgenossen den Be­hörden bei diesem wichtigen Akte an die Hano zu gehen. Die Ausgabe der Zähler kann erleichtert werden, wenn die Familien- Vorstände Tags zuvor schon ihre sorgfäl­tigen Notizen nach dem der Zählungslistc angefügten Muster vorbereiten.

Ausland.

Madrid, 26. Nov. Canovas begab sich abends nach El Pardo und überreichte der Königin die Demission des Ministeriums, welche angenommen wurde. Alle ent­lassenen militärpflichtigen Soldaten sind wieder einberufen. Die Armee wird da­durch um 60 000 Mann verstärkt.

In allen Zeitungsartikeln über den Tod des Königs Alsonso XII. kehrt die Befürchtung wieder, daß Spanien damit in eine neue Aera der Revolution eingetrcten sei. Die Karlisten rüsten sich mit Eifer zu einem neuen Kriege. Die Koalitionsbe­strebungen der Republikaner aller Schat­tierungen wurden ebenfalls in der jüngsten Zeit und in dem Maße, wie die Gerüchte über den Zustand des Königs ungünstiger wurden, mit immer größerem Eifer be­trieben. Auch sie bereiten sich vor, die Erbschaft an sich zu reißen. Sogar die Königin Jsabella II hat noch ihre An­hänger, diese möchten ihr die Regentschaft über ihre Enkelin sichern. Zunächst tritt jedenfalls die Regentschaft der Königin Maria Christine ein. Die Karlisten ziehen auch Nutzen von dem Einflüsse der Jesuiten und anderer geistlichen Orden, welche, aus Frankreich vertrieben, sich überall in Spanien etabliert haben.

Die Leiche des verstorbenen König Alfons wird altem Herkommen gemäß im Kloster Escurial beigesetzt werden, wo auch seine erste, am 26. Juni 1878 entschlafene Gemahlin, die Königin Maria de la Mer­cedes, Tochter des Herzogs von Mont- pensier, ruht. Noch frisch im Gedächtnis ist dem Schreiber dieses die Stunde, als der Kronprinz von Deutschland am 4. Dezbr. 1883 dies achte Weltwunder, den Escurial,

besuchte und beim Verweilen in der Königs­gruft König Alfons auf den Platz und Sarg hinwies, der bestimmt war, dereinst eine Reste aufzunehmen. Wer hätte da­mals daran gedacht, daß dieser liebens­würdige Fürst, der damals überall selbst den Führer machte, schon nach 2 Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilen und man seine Gebeine so bald schon an der von ihm bezeichneten Stelle beisetzen würde.

Dem König Alfons ist der Marschall Serrano, Herzog de la Torre, am 26. im Tod nachgefolgt. Er ward 1872 Ministerpräsident, und als Amadeus ab­dankte, Präsident der Republik, bis er 1874 dem König Alfons weichen mußte.

Miszellen.

Aie

verhängnisvoLen Mntoffetn.*)

Onkel Karl war der liebenswürdigste Junggeselle von der Welt. Kein Wunder, daß seine zahlreichen Nichten (er war ein Allerwelts-Onkel) ihn hätschelten und ver­wöhnten, hatte er doch stets die zartesten Auf­merksamkeiten für sie und ließ er sich keine Ge­legenheit entgehen, ihnen Freude zu machen. Wollten die jungen Mädchen an einem schönen Sommertage eine Land- oder im Winter eine Schlittenpartie machen, so war es Onkel Karl, welcher den Wagen oder Schlitten besorgte und das fröhliche Völkchen bevätcrte. Wollten sie eine neue Oper hören oder ein beliebtes Lustspiel sehen, Onkel Karl bot ihnen Plätze in seiner Loge an und begleitete sie; stand ein Ball in Aussicht, so sorgte Onkel Karl für Blumen und Handschuhe kurz, Onkel Karl hier und Onkel Karl dort, nichts ohne Onkel Karl!

So freigebig Onkel Karl auch für andere absonderlich für die lieben Nichten war, so sparsam war er,für sich selbst. Wenn die jungen Mädchen etwas an ihm anszusetzen fanden, so war es diese Sparsamkeit. Aber wie war es trotzdem so gemütlich in dem verräucherten Zimmer des Onkels! Wenn er da so in seinem Schlafrock und Pantoffeln, unfern des Ofens, in seinem Großvaterstuhl saß und sein Pfeifchen rauchte zu Zigarren hatte er sich nie entschließen können so forderte er durch seine bloße Erscheinung das Vertrauen der schönen Kinder heraus. Wie manches Geständnis war den rosigen Lippen entfallen, wenn die eine oder die andere ihm da gegenübersaß, sei es in Beziehung auf eine Herzensneigung, oder auf eine minder wichtige Angelegenheit, welche man sich scheute, dem ernsten Vater, ja selbst der gütigen Mutter anzuvertraueu. Dem Onkel Karl konnte man alles sagen, er hatte Verständnis, wußte Rat für alles und durch seine Vermittlung war schon mancher Wunsch erfüllt worden, den man nicht gewagt hatte den Eltern vorzutragen.

Gegen Weihnachten feierte Onkel Karl seinen 65. Geburtstag.

Emilie backte ihm eine Manteltorte seine Lieblingssorte, Agathe brachte ihm eine Flasche feinsten Ungarweins, Bertha ein Füßchen Kaviar u. s. w. Alle diese

*) Probe ausSchorers Familienblatt," durch seinen interessanten Inhalt empfehlenswert.