Neuenbürg, 1. Aug. „1,68 ad- 86uts out kort" sagt der Franzose. Unwillkürlich kam uns dieser Satz im gestrigen Konzert in Erinnerung. Ließen schon die Namen der 3 Künstler einen seltenen Genuß erwarten, so war vollends die Ausführung des Programms, welches in schöner Abwechslung Klassisches und Modernes (jedoch nur gute Salonmusik) enthielt, über alles Lob erhaben. Welch' markige, und wieder welch' weiche, eindringliche Töne wußte der Violinist, Hr. Neumeister, der das „ImrKbetto aus dem Klarinettenquintett" von Mozart, ein prächtiges Scherzo von Joach. Raff, Ballade und Polonaise von Vieuxtemps und charakteristisch gehaltene Zigeunertänze von Nachoz bot, seinem Instrumente zu entlocken! Er verfügt über eine eminente Technik, verbunden mit absoluter Reinheit, die auch das schwierigste Passagewerk spielend überwindet. Wie nahm der Waldhornvirtuose H. Spohr, durch seinen gefühlvollen Vortrag einiger Lieder von Stark, Gounod und Esser die Herzen der Hörer gefangen! Welchen Applaus erntete der Pianist, H. Müller, durch seine Solonummern! Mit imponierender Fertigkeit und bewundernswerter Sorgfalt brachte er eine Kanzone und Tarantelle von Liszt, ein Chopin'sches Nokturno und 1,6 kau kollot (Irrlicht) von Kühe zu Gehör. Namentlich mußten wir auch seine Ausdauer bewundern; er begleitete nämlich sämtliche Violin- und Hornpiecen. — Und wie schön war weiter das Zusammenwirken der drei Herren! Die Ensembles ^.ve Naria von Joh. S. Bach (von tief poetischem Zauber), „An eine Lerche" von Suppe und „Frühlingslied" von Wilh. Speidel, zeugten von sorgfältiger Einstudierung und fleißigem Zusammenüben. Es ist alles wie aus einem Gusse. Kurzum — Wir sind den Konzertierenden großen Dank schuldig, denn solch' ein feines musikalisches Menu wird uns in unserm Enzthal nicht oft geboten. Sehr anzuerkennen ist, daß nach Absolvierung des Programms, in welches Hr. Spohr auf besonderen Wnnsch Beethovens „Adelaide" für Horn und Pianoforte eingeschobcn hatte, noch verschiedene Kompositionen zugegeben wurden, u. a. zwei spanische Tänze von Sarasate und das Lied „Au den Abendstern" aus dem Tannhäuser von Nich. Wagner. — Hoffen wir, daß wir die liebenswürdigen Künstler nicht zum letztenmale gehört haben, und wünschen wir ihnen bei einem künftigen Auftreten ein zahlreicheres Auditorium! Sie verdienen's! R. zv.
O e st e r r e i ch.
Wien, 29. Juli. (Ein schrecklicher Vorfall) spielte sich vor einigen Tagen, wie wir dem „Bell. Börsen-Cour." entnehmen, auf einem Holzplatz des Wiener Vortortes Sechshaus ab. Der achtzehnjährige Sohn eines begüterten Hvlzhänd- lers hatte drei Schulfreunde zu sich geladen, mit denen er auf dem Hofe „Richter, Schläger, Dieb" spielte. Die „Diebe" erhalten einen gewissen Vorsprung eingeräumt, werden dann von den „Häschern" verfolgt, und wenn es gelingt, einen zu fangen, wird derselbe zu dem Richter geschleppt, welcher den Delinquenten zu der ihm nötig erscheinenden Tracht Prügel
verdonnert, die vom „Schläger" sofort verabfolgt wird. Der jüngste der Mitspielenden war der kleine siebenjährige Heinrich, der Sohn des Eisenbahn-Diurnisten W—z, ein schwächliches Kind, den der kräftige rohe Bursche des Holzhändlcrs sehr despotisch behandelte. „Jetzt muß er aber ordentlich gestraft werden!" rief endlich der „Profoß", „wir werden ihm den Kopf abhauen!" Die anderen Knaben stimmten jubelnd bei, der Sohn des Holzhändlers holte eine Zimmermannshacke und der kleine Heinrich wurde auf einen Holzpflock gelegt. Langsam zählte der Sohn des Holzhändlers: eins — zwei — drei — und ließ dann das Beil niederfallen. Ein lauter Schmerzensschrei durchzitterte dieLuft und der weiße Hemdkragen Heinrichs färbte sich rasch mit Blut. Erschrocken stürzten die beiden anderen Knaben herbei und als sie das Blut sahen, brachen sie in ein überlautes Jammergeschrei aus. Durch dasselbe wurden zwei Arbeiter hcr- beigelockt, die den Knaben in die Wohnung des Holzhändlers trugen. Glücklicherweise war die Wunde nicht tief, da das Beil alt und schon ziemlich stumpf war. Der Holzhändler, der von dem Vorfälle selbst tief erschüttert war, hat den armen Diurnisten thränenden Auges um Verzeihung für die That seines mißratenen Sohnes gebeten und übergab ihm eine größere Geldsumme als Schmerzensgeld für den kleinen Heinrich.
Ausland.
Paris, 1. August. die gestrige Sitzung der Deputiertenkammer ist durch einen empörenden Zwischenfall gebrandmarkt worden. Clemenceau sagte in seiner Rede Ferrh sei am 30. März von seinen Freunden verlassen worden. Langlois, ein ehemaliger Oberst, rief dazwischen: „Nicht von Allen!" Clovis Hugues rief mit theatralischer Heftigkeit: „Sie haben auch Gambetta fallen lassen! (vou8 avsr: ILellö (lambotta) Langlois, im Getöse wahrscheinlich ILella, Feigling, verstehend, that mit einem Gebrüll einen Riesensatz in den Halbkreis hinunter und sprang zum Platze von Hugues hin, der ihm seinerseits schreiend entgegenrannte. Alle Abgeordneten sprangen auf, schrieen, gestikulierten; eine unerhört wüste Scene entspann sich, Andere warfen sich Hugues entgegen, während Salis Langlois zurückhielt. In jeder der beiden Gruppen entspannen sich Faustkämpfe zwischen den Wütenden und denen, die sie zurückhalten wollten. Langlois biß Salis den Arm blutig, während Arone später blaue Male an seiner Schulter aufweisen konnte, die ihm Hugues mit Fausthieben bcigebracht hatte. Den allseitigen Bemühungen gelang cs schließlich, die Ruhe wieder herzustellen.
Miszellen.
Die Hochzeitsreise.
Humoreske von A- von Winterfeld. (Fortsetzung.)-.
„Merkwürdiges Kostüm für einen Hochzeittag," begann Stappenbeck mit wiedergewonnenem Humor nach einer kleinen Pause; dadurch muß man sich aber
die gute Laune nicht verderben lassen .. . die Wärme kehrt schon wieder in meinen Körper zurück ... bis auf das Herz . .. in dem sie nie erkaltet war . . . Marie!" wickelte er dann seinen rechten Arm mühsam aus dem Plaid und suchte nach der linken Hand seiner Frau; „meine theure, geliebte Marie!"
„Mein Gott, wie sind mir die Füße kalt," drückte die junge Frau die feinen Stieselchen aneinander.
„Mir sind sie auch schon ganz abgestorben . . . aber das thut nichts .. . oben bin ich warm."
In diesem Moment fuhr ein Windstoß durch die fehlende Scheibe ins Zimmer und entzündete, indem er aus dem Schornstein wieder hinausraste, die schlummernde Flamme, und einen Augenblick nachher erschien August mit einem Stück bekleister- ten Papiers, das er vor die Oeffnung klebte.
„So!" nickte er freundlich, nachdem er die Arbeit gethan, „wenn Sie die Scheibe wieder zerbrechen sollten, bekommts Ihnen nicht theuer."
Dann verschwand er, freundlich wie er gekommen.
Jetzt wäre einem doppelten Uebelstande abgeholfen," freute sich Stappenbeck; „das Windloch ist verklebt, das Feuer brennt willst Du nicht Deine Füßchen ein wenig weiter ausstrecken und Dich wärmen? So thut das nicht wohl!"
„Ach, ja!" entgegnete die junge Frau.
„Der Horizont klärt sich auf," faßte er jetzt ihre linke Hand; „ein behagliches Feuer... ein gutes Souper in Aussicht o, Marie. . . meine geliebte Marie!"
Das junge Weib ließ ihm die Hand und schlug verschämt die schönen Augen nieder.
„Willst Du mich jetzt auch Ernst nennen, woran Du Dich noch nicht gewöhnen konntest?" rückte Stappenbeck ein klein wenig näher.
„Von Herzen gern."
Plötzlich stand der Gemahl aber auf und wickelte den Plaid von seinem Körper.
„Was machst Du denn?" sah ihm Marie mit Erstaunen zu.
„Mir wird zu warm," sagte er, das Tuch fortlegend und sich wieder zu ihr setzend.
„Nimm Dich in Acht, Du wirst Dich erkälten."
„Sei unbesorgt, mein holdes Weib!"
Indem sie ihn freundlich ansah, siel ihr Blick herab auf eine Zigarrentasche, welche neugierig aus der Brusttasche seines Rockes guckte.
„Rauchst Du, Ernst?" fragte sie, nicht angenehm berührt.
Ernst bekam einen kleinen Schreck und versuchte die Tasche ein klein wenig tiefer zu stopfen.
„Ob ich rauche... meinst Du?" stotterte er verlegen . . . nein ... das heißt.. . nur wenn es verlangt wird ... sonst nicht."
„Ich werde es niemals verlangen, denn ich verabscheue das Rauchen," wandte sich die junge Frau ab.
„Oh!" machte Ernst, ein wenig betroffen.
„Papa sagt, alle Raucher würden zuletzt blödsinnig oder bekämen die Gehirnerweichung."