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die Deutschen, als einst die neue Welt Amerika geteilt und von Europa koloni­siert wurde? Warum schaute unser Volk, unsere Regierung, unser Kaiser müßig zu, als vor mehr als zwei Jahrhunderten Englands und anderer Länder Handel in dem damals entdeckten Erdteile neue Wurzel schlug, aus denen verjüngender Saft und frische Blütenkraft strömte und die schönsten Früchte nationaler Wohlhabenheit schuf?

Vor 200 Jahren war unser Vaterland zerrissen und lag, aus tausend Wunden blutend, von den eigenen Kriegshordeu in dem gräßlichen dreißigjährigen Kriege zer­treten, ohnmächtig am Boden und hat fast 8 Menschenalter gebraucht, um zu genesen und in neuer Kraft zu erstehen, zum nicht geringen Erstaunen unserer neidischen Nachbarn. Und diesen geschichtlich denk­würdigen Zeit- und Wende- und patrio­tischen Werdepunkt erleben wir jetzt, wo Deutschland in demschwarzen Erdteil" Afrika sich mit Geschick, Tüchtigkeit und Kapital festsetzt, Pioniere aussendct, um das Land zu erforschen, die kolonialen Bestrebungen der Großindustriellen unserer Hansestädte mit politischem Wohlwollen und militärischem Nachdruck fördert, den deutschen Kolonisten die Wege zwischen ihren Ansiedelungen und dem Mutterlande durch die finanzielleDampfersubvention" sichert, dem Handel, der Industrie neue Absatzgebiete erschließt und der jährlich wachsenden Übervölkerung Deutschlands reiche Arbeitsfelder an der West- und Ost­küste Afrikas, wie in den nördlichen Teilen Neuguyenas öffnet, die so groß und größer sind wie unser ganzes deutsches Reich. Welche Zukunft öffnet sich da oen kommen­den Geschlechtern unseres Vaterlandes, wenn dieses selbst groß und mächtig und einig bleibt!

Die Angriffe, welche der Abgeordnete Richter in der Sitzung des Reichstages vom vorigen Mittwoch gegen die Kolonial­politik der Reichsregierung richtete, deuten darauf hin, daß die deutsch-freisinnige Fraktion gesonnen ist, in ihre alte Oppo­sitionsstellung gegenüber der Kolonial­politik zurückzukehren.

Das heitere, klare Fricdensbild, welches, Dank der Weisheit und Mäßigung der tonangebenden Großmächte, sich in der hohen Politik entwickelt hatte, ist urplötz­lich von einigen düsteren Wolken umflort worden. Im fernen Südosten zuckende Kriegsblitze, der Fall von der sudanesischen Hauptstadt Chartum in die Hände des Mahdi, noch ehe der englische General Wilson vor den Thoren dieser Stadt er­schien, die wahrscheinliche Gefangennahme Gordons und das erneute Scheitern des englisch-egyptischcn Heeres, den Aufstand im Sudan zu beschwichtigen, finden ihre Nachwirkung nicht nur in Kairo, sondern auch in London, Paris und den übrigen europäischen Hauptstädten. England steckt ganz gefährlich in der egyptischen Klemme, zumal die englische Seemacht jetzt in Folge ihrer Ueberhebungspolitik so gut wie allein in Europa dasteht. In London fühlt man diese Lage mit peinlichem Unbehagen und sucht einen Bundesgenossen in Italien.

Die Afrika-Konferenz hat nun Aussicht, bald zum Schluffe zu kommen. Am Donnerstag ist der die Grenzen

zwischen den Gebieten Frankreichs und der L88oeiution akrieaina am Kongo festsetzende Vertrag durch den Ministerpräsidenten Ferry und durch den Delegirten des Königs der Belgier, Pirmez, unterzeichnet worden.

Die Zolltarif Novelle, wie sie bis jetzt vom Bundesrat an den Reichstag ge­langt ist, beantragt u. a. folgende wichtigere Aenderungen:

Getreide und andere Erzeugnisse des Landbaues: a. Weizen 3 M. (bisher 1 M.), b Roggen, Haber, Buchweizen u. Hülscn- früchte, sowie nicht besonders genannte Gctreidearten 2 M. (bisher 1 M.), Gerste ,1 M. 50 Pf. (bisher 50 Pf., der Ent­wurf wollte Erhöhung auf 2 M.), e. Reps und Rübsat 1 M. (bisher 30 Pf.), ä. Mais 50 Pf. (wie bisher), o. Malz 3 M. (bis­her ! M. 20 Pf.), k. Anis, Koriander, Fenchel, Kümmel 4 M. (bisher 3 M.), g. Weinbeeren, frische, 15 M. für 100 KZ.

Holz re. 1. Bau- u. Nutzholz, roh, 30 Pf. (bisher 10 Pf.), 2. mit der Axt be­waldrechtet 40 Pf., 3. gesägt re. 1 M. (bisher 25 Pf.), nicht gehobelte Bretter, Kanthölzer re. 2 M.

Branntwein aller Art 80 M. (bis­her 48 M.), S ch aumweine 80 M. (bis­her 48 M.), Fische (Häringe ausgenommen) mit Essig und Oel oder Gewürzen znbc- reitet 12 M. (bisher 3 M.), hermetisch verschlossen 60 M. (bisher 3 M.), Honig 20 M. (bisher 3 M.), gebrannter Kakao 45 M. (bisher 35 M.), Kakaomasse, Choko- lade rc. 80 M. (bisher 30 M.), Mühlen- fabrikate rc. 6 M. (bisher 3 M., der Entwurf wollte Erhöhung auf nur 5 M.).

Halle, 7. Jebr. Heute früh 8 Uhr fand im Zuchthause die Enthauptung Reinsdorffs und Küchlers statt. (Rupsch ist nach Berl. Blättern begnadigt.)

Frankfurt, 5. Febr. Nachdem die vielgenannte Judengasse bis auf das Stammhaus der v. Rothschild'schen Familie abgebrochen, hat der Magistrat derselben den NamenBörnestraße" und dem daran stoßenden Judenmarkt die Bezeichnung Börneplatz" beigelegt.

Mainz, 5. Febr. Die Schifffahrt ist wieder in vollem Gange und haben die Köln - Düsseldorfer und Niederländische Dampfschifffahrtsgesellschaften ihre Fahrten wieder aufgenommen.

Ein interessanter Prozeß wird in wenigen Tagen vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe entschieden werden, bei welchem es sich um einen Preisdifferenz von 20 pr. Zentner auf eine Partie Seegras von 150 Zentner handelt, die der Käufer weniger als bedungen zahlen wollte, als diese abgeholt werden sollte. Die entstan­denen Kosten sollen sich nahezu auf 1000 belaufen. Wie viele schlaflose Nächte muß das den Leuten gemacht haben; wie gut wäre es gewesen, wenn die Betreffenden den Ratschlägen zu gütlichen Abmachungen Gehör geschenkt hätten.

Pforzheim. Im Protestanten- Berein hält Herr Stadtpfarrer Oehler am Dienstag 12. Febr 8 Uhr Abends im Postsaalc einen Vortrag überdas psycho­logische und geschichtliche Moment bei Entstehung der Bibeloffenbarung." Es hat Jedermann Zutritt.

Pforzheim, 6. Febr. Auf Anreg­ung des hiesigen Kolonialvereins hat sich

auch in unserer Stadt ein, aus Mitgliedern verschiedener politischer Parteien bestehendes Komite geblildet, zum Zwecke der Annahme von Beiträgen behufs Ueberreichung eines Ehrengeschenkes für Fürst Bismarck. Es darf bei der hier vorwaltenden Stimmung für die nationalen Bestrebungen und Er­folge des Reichskanzlers Wohl angenommen werden, daß die zu veranstaltenden Samm­lungen ein schönes Resultat haben werden. Es ist auch in Aussicht genommen, das Jubiläum unseres großen deutschen Staats­mannes hier durch ein Banket zu feiern.

(S. M-)

Württemberg.

(Personalien.) Dem k. württemb. Obersten v. Sarwey, Kommandeur des 8. württemb. Jnf.-Rcg. Nr. 126, ist laut Reichs-Anz. der rote Adlerorden verliehen worden.

Neuenbürg, 9. Febr: Gestern Abend 10'U Uhr wurde hier ein Meteor be­obachtet. In raschem Fluge wie die ge­wöhnlichen Sternschnuppen aber etwas größer und von elliptischer Form mit glänzendem bläulichen Lichte zog es von südost durch unsere Atmosphäre, sich ebenso rasch nordwestlich verlierend.

* Neuenbürg, 9. Februar. Der Enzth alkranz", welcher gestern im Gasthof zur Linde in Wildbad tagte, war sehr zahlreich besucht Hr. Oberamtsrichter Lägeler referierte zuerst über die projektierte Bismarckspende, worauf zur Bildung eines Bczirkskomite's geschritten wurde. Das Nähere darüber wird in Bälde in diesem Blatte zu lesen sein, weshalb wir von einer eingehenden Darstellung der Ver­handlungen hier Umgang nehmen können. An diese Besprechung von ernstem Charakter schloß sich dann die übliche Unterhaltung an, bei welcher auch der Humor zu seinem Rechte kam. Die Herren aus Wildbad bereiteten durch wohlein- studierte und gut aufgeführte Doppel- Quartette, Hornsoli, ein komisches Terzett rc. rc. dem dankbarem Auditorium einen herrlichen Ohrenschmaus. Ungezwungene natürliche Heiterkeit war die Signatur des Tages; man sah nurfröhliche Leute", welche sich den köstlichen Stoff, den Hr. Frohmann kredenzte, schmecken ließen und in ächt schwäbischer Herzlichkeit mit einander verkehrten. Aber der Abendzug mit seiner schrillen Pfeife mahnte an die Heini­kehr, welche unter den vom weichen Horne intonierten Klängen des LiedesWer weiß ob wir uns wieder sehn", die beinahe klagend in die sternenklare Nacht hinaus­drangen, angetreten wurde. Doch weg mit der Wehmut:

Wenn Menschen auseinandergehn,

So sagen sie: auf Wiedersehn!

Ausland.

Rom, 6. Febt. Es herrscht hier die Ansicht, daß nach dem Falle Khartums Italiens Mitwirkung beider Niederwerfung des Aufstandes bevorstehe; bestimmt ist, daß die Kriegsverwaltung die Abfindung bedeutend stärkerer Expeditionen, als die beiden ersten es waren, vorbereitet.

lieber die Besitznahme am Dnbrikafluß, das Gebiet der Stuttgarter Faktorei an der Küste von Sierra Leone, schreibt einer der Teilnehmer der Expedition, Lieutenant