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a. D. Tilly aus Minden vom Dubrika- fluß, 5. Jan. Folgendes: Am 2. d. M. hat Sr. Maj. Schiff Ariadne, Kapitän Chüden, in Kapitai die deutsche Flagge aufgehißt. Das Land Kapitai, ungefähr 30 d. Quadratmeilen groß, liegt zwischen dem Dubrika- und Bramaiafluß und ist insofern von äußerster Wichtigkeit, als es den ganzen Handel mit dem Innern namentlich mit dem reichen Lande des Futas bewerkstelligt. Alle Faktoreibesitzer, sowohl am Dubrika wie auch am Bramaia, sind höchst erfreut über diese Annexion. Ebenso auch die Eingeborenen. Haben letztere sogar doch in allerneuester Zeit mehrere Anerbietungen von franös. Seite ausgeschlagen, da sie nur mit Deutschen verhandeln wollten.
Immer klarere Beweise erhält man in Amerika dafür, daß die anarchistische Schlange sich auch zum Stich gegen den Busen, der sie genährt, anschickt. Eine sogenannte „Sozialisten-Versammlung" in Nem-Aork verlief so stürmisch, daß die Polizei cinschreiten mußte. Sie fand als der Saal gesäubert war, daß man bereits eine Dynamitbonbe gelegt hatte, um das Gebäude in die Luft zu sprengen-
Miryellen.
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Aus den Auszeichnungen eines Pvlizeibeamten mitgeteilt
von Karl Chop.
(Fortsetzung.)
Am folgenden Tage wurde meine Geduld von Neuem auf recht harte Proben gestellt. Vergebens fragte ich am Vormittage wiederholt nach dem ersehnten Telegramme, vergebens hielt ich Nachmittags das Bureau in permanentem Belagerungszustände. Ich hörte aus dem benachbarten Thurme Viertel nach Viertel und Stunde um Stunde schlagen; der Mittag und der Nachmittag gingen unsäglich rasch vorüber, schon rückte der Abend näher und näher und immer noch ließ der böse H—kurzer Kollege auf Antwort warten. Schon konnte ich ein leises Zittern aller Glieder, das aus nervöser Ueberreizung entsprang und nebenbei auch wohl auf die trivialen Empfindungen des Hungers und Durstes sich zurückführen ließ, trotz aller jahrelang geübten Selbstbeherrschung kaum noch be- meistern. Was sollte auch werden, wenn heute die erwartete Antwort nicht eintraf? Morgen in aller Frühe begann die Hauptverhandlung, welche über Sturms Schicksal entscheiden mußte.
Da schlug es sieben und dreiviertel Uhr und Punkt acht wird das Postamt geschlossen. Der Büreaudiener, welcher mich wiederholt mit halb mitleidigen, halb lächelnden Blicken gemessen hatte, traf schon seine Anstalt, den Laden vor dem Schalter zu schließen. Schon hatte er die Eisenstange ergriffen, welche das Fenster zur Nachtzeit verwahrt, und ich nahm endlich resigniert den Stock in die Hand, um halb verzweifelt und halb verhungert nach meinem Gasthause zu eilen, als sich am Telegraphenapparate das verhängnisvolle Ticken, das mich heute schon so vielfach erst gespannt und dann getäuscht hatte, noch einmal vernehmen ließ.
„Eine Depesche, Herr Sekretär," rief der Büreaudiener in das Nebenzimmer hinein, in welchem der Beamte soeben seine Abzugstoilette begonnen hatte.
„Konnte auch etwas früher kommen," brummte Jener als Erwiederung, eilte aber doch sofort dienstbereit nach dem Apparate zurück.
„Endlich kommt die Antwort aus H—bürg!" rief er mir bald darauf zu. „Sie können die Depesche sofort in Empfang nehmen, Herr Inspektor. Da ist sie."
Wer war froher als ich, endlich den ominösen Papierstreifen in den Händen zu halten. Ich konnte nicht die Zeit erwarten, um die Nachricht im Gasthause ruhig durchzulesen, sondern überflog sofort am Eingänge des Postgebäudes unter der Gaslaterne den Zettel. Er lautete:
„Arthur Sturm seit Wochen hier wegen Betrugs verhaftet. War im März von hier abwesend. Kehrte mit beträchtlichen Geldern zurück. Erkundigungen hiernach mühsam und zeitraubend. Resultat sicher. Brief an hiesiges Postamt um jene Zeit angelangt. Einlage Brief an Kaufmann Julius Surm in Bleichensee mit Bitte Einlage bis vierzehnten für Adressaten aufzubewahren, dann schleunigst abzusenden. Näheres schriftlich."
Noch einmal überwältigte die freudige Aufregung den physischen Menschen, der vor Allem nach Speise und Trank verlangte. Ich eilte spornstreichs zum Oberstaatsanwalt und hatte auch das Glück, denselben in seinem Zimmer zu treffen. Meine Eröffnungen fanden aber zunächst kein geneigtes Ohr und zwar aus naheliegenden Gründen. Ich sah aus den über den ganzen Tisch gebreiteten Akten und einigen schmalen Blättchen von der Hand des Beamten, daß er eben den morgen zu verhandelnden Fall meines Schützlings noch einmal gründlich durchgenommen und wohl schon ein besonderes beredtes Plai- doyer gegen die immer mehr um sich greifende Pest des Meineides und den Folgen für unser gesamtes Rechtsleben bereits im Kopfe ausgearbeitet hatte. Da war es nun freilich ziemlich fatal, daß dies jedenfalls sehr kunstreich konstruierte Gebäude durch meine unberufene Hand vorzeitig wieder cingerisfen werden sollte.
Indessen konnte der Oberstaatsanwalt sein Ohr für meine Mitteilungen nicht völlig verschließen, und bald im weiteren Verlaufe meiner Darstellung erfaßte auch ihn das Interesse des Falles.
„Sie sind also fest überzeugt, daß der Angeklagte völlig unschuldig sei," fragte er endlich, indem er, die Hände auf den Rücken zurückgelegt, vor mir stehen blieb und mich mit seinen grauen Augen durchdringend ansah.
„So fest," entgegnete ich, „daß ich für ihn Bürgschaft übernehmen würde, falls der Gerichtshof, wie ich hoffe, dagegen seine einstweilige Freilassung verfügen sollte."
„Hm, wollen sehen, was sich thun läßt, Herr Inspektor. Inzwischen bin ich Ihrer Meinung, daß die Verhandlung mindestens vertagt werden muß, um die neuen Zeugen vorladen und die H—burger Gerichte wegen des Nötigen requirieren zu können. Der Arthur Sturm muß jeden Falls zur Stelle
geschafft werden. Ich werde sofort die nötigen Anträge stellen."
Damit wendete sich der Oberstaatsanwalt seinem Pulte wieder zu und ich ging.
Der andere Morgen aber fand mich schon in aller Frühe in der Wohnung des Gerichtspräsidenten. Als ich dort zu meiner lebhaften Freude erfahren hatte, daß alle meine Wünsche erfüllt werden sollten, genügte ich zuerst in Gegenwart des Protokollführers den erforderlichen Formalitäten und verfügte mich dann sofort, mit den nötigen Papieren versehen, zu meinem Schützling in das Gefängnis.
Mein junger Freund hatte sich, als der Schlüssel im Schlosse seiner Zelle knarrte, von seinem Sitze erhoben und trat uns mit fieberhaft geröteten Wangen und eigentümlich leuchtenden Augen entgegen. Zwar glitt, als er mich erblickte, wieder ein wehmütiges Lächeln um seinen Mund, während er mir zugleich die Hand mit warmem Drucke darreichte. Aber aus jeder Miene, aus jedem Blicke seiner Augen, aus jeder Bewegung sprach vor Allem eine bis zum Aeußersten gespannte Aufregung. War nicht der Tag angebrochen, wecher über das Schicksal seines ganzen Lebens entscheiden sollte?
„Ich komme, um Sie abzuholen," sprach ich endlich, da Sturm erwartungsvoll schwieg.
(Fortsetzung folgt.)
(Gefälschter Thee.) Wie der „Marsch. Dnewnik" mitteilt, hat die Polizei unlängst in Warschau eine ganze Fabrik zur Herstellung gefälschten Thees entdeckt, und zwar in der Wolskastraße Nr. 27. Die Fabrik stand unter der Leitung eines Spezialisten auf dem Gebiete der Fälschung. Man fand eine Menge von Etiketten namhafter Theefirmen, ferner einen großen Vorrat bereits gebrauchten Thees. In vielen Häusern haben die Dienstboten das Recht, die Theekauncn vom Tische der Herrschaft zu sich zu nehmen und sich noch einen Aufguß zu bereiten. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn nicht sehr häufig ein weitverbreiteter Betrug die weitere Folge dieser Gepflogenheit wäre. Der ausgebrauchte Thee wird in vielen Häusern von den Dienstboten getrocknet und dann an die Händler verkauft, die, namentlich in guten Häusern, Flaschen, Knochen und sonstige Abfälle an sich bringen, wodurch die Dienstboten sich eine Sondereinnahme schaffen. Dieser ansgebrauchte Thee gelaugt daun im Wege des Zwischenhandels an die „Theefabriken", welche ihn sorgfältig verpackt unter der Etikette angesehener Theehandluugen wieder auf den Markt bringen, und zwar vorzugsweise in kleinen Provinzialstädten. Jeder umsichtigen Hausfrau erwächst nach solchen Beobachtungen die Pflicht, darauf zu achten, daß mit dem in ihrem Hausstande ausgebrauchten Thee kein Mißbrauch getrieben werden kann.
(Fingerhüte mit Gummifutter) sind neuerdings Frau Marie Demme patentiert worden. Es gewähren diese Fingerhüte, deren innere Fläche mit einer Guttaperchaschicht überzogen ist, absoluten Schutz gegen die immerhin häufig vorkommende Grünspanvergiftung.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.