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Mark Diäten für sich selber. Da kann nur ein kräftiges Wort der Wähler Wandel schaffen."
Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Ein Verein von Deutschen in Paris hat dem Reichskanzler zur Kreirung einer zweiten Direktorstelle in dem auswärtigen Amte die erforderliche Summe zunächst für ein Semester zur Verfügung gestellt. In den betreffenden Telegrammen sprechen die Geber den Wunsch aus, daß ein für Deutschland würdevolleres neues Abstimmungsresultat vor Anfang des zweiten Semesters, für welches der Geldbetrag schon bereit liegt, stattsinden möge.
An der berühmten Abstimmung des Reichstags vom 15. Dezember, wodurch mit 141 gegen 119 Stimmen bei der 2. Lesung des Etats dem Reichskanzler die 20000 für einen zweiten Direktor im Auswärtigen Amte des D. Reichs verweigert wurden, haben sich von den 17 Abgeordneten aus Württemberg nur 9 beteiligt (eine Anzahl durch die ständischen Verhandlungen in Württemberg abgehalten); davon stimmten für die Bewilligung 4: Fischer, Lenz, v. Neurath, Veiel; gegen die Bewilligung 8: Graf Adelmann, Härle, Mayer, Erbgraf zu Neipperg, Utz. Es fehlten 8: Leemann, v. Ow, Payer, Schott, Schwarz, Staelin, Graf Waldburg-Zeil, v. Wöllwarth; davon Schott und Graf Waldburg-Zeil ohne Entschuldigung.
Berlin, 16. Dez. Der Reichstag beginnt morgen seine Ferien bis 8. Jan., der Bundesrat wahrscheinlich übermorgen bis zum selben Termin. (S. M.)
Berlin, 18. Dez. Dem Reichstag wurde soeben die Vorlage über Ausdehnung der Unfallversicherung auf das Transportgewerbe überreicht.
Berlin, 17. Dez. Die Nordd. A. Z. schreibt: Anläßlich der letzten Reichstagsverhandlungen gingen dem Reichskanzler aus den verschiedensten Teilen des Reiches Telegramme zu, aus denen sich ergibt, welch peinlichen Eindruck die Stellung der Volksvertreter im Lande hervorgerufen hat. Daran anschließend veröffentlicht das gen. Bl. solche Telegramme aus Bielefeld, Schorndorf und Mannheim, welche dem Reichskanzler tiefste Verehrung und vollstes Vertrauen ausdrücken.
Deutsche
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Aettuug aus Seegefayr.
Bremen, 5. Novbr. 1884.
Herr Hafenmeister Polack in Cuxhaven berichtet:
Am 5. ds. Mts., Morgens 3'/r Uhr, wurde gemeldet, daß in östlicher Richtung von Cuxhaven andauernd Blaufeuer gezeigt würden, worauf das Segelrettungsboot „Köln" gegen 4 Uhr bei schwerem Weststurm mit Regenböen aus dem Hafen ging. Auf Kratzsand fand dasselbe eine gestrandete Brigg in großer Noch. Dieselbe hatte bereits 7 Fuß Wasser im Raum, das Ruder war weggestoßen, während der Fockmast heftig schwankte und jeden Augenblick über Bord gehen konnte. Das Rettungsboot nahm die aus 10 Personen bestehende Besatzung sowie einen au Bord befindlichen Lootsen aus Cuxhaven glücklich über und verließ dann schleunigst
die gefährliche Nähe des Schiffes. Es mochte 5 Uhr sein, als das Rettungsboot die Rückfahrt antrat. Der Sturm tobte mit furchtbarer Gewalt, während sich ein heftiges Gewitter entlud. Die Rückfahrt des Rettungsbootes war eine äußerst beschwerliche, erst gegen 8'/- Uhr wurde Cuxhaven erreicht und die Geretteten sofort in beste Pflege genommen.
Das verunglückte Schiff war die deutsche Brigg „Katharine", Kapt. Brumund aus Elsfleth, mit Copra von Apia nach Hamburg bestimmt. Dieselbe hatte bei der Kugekbaake vor Anker liegend beide Anker und Ketten verloren und war, nachdem die schleunigst gesetzten Segel von dem heftigen Sturm in Fetzen gerissen worden, auf Kratzsand gestrandet. Das Schiff ist als total verloren zu betrachten, Württemberg.
Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit Prinz Wilhelm am 18. Dezember d. I. die erledigte Oberamtsarztstelle in Crailsheim dem Distriktsarzt Dr. Mülberger in Herrenalb gnädigst übertragen.
Ludwigsburg. Auf Anregung des Kriegervercins zu Stuttgart ist auch im hiesigen Kriegerverein eine Sanitätsabteilung gebildet worden, welcher sogleich etliche 30 junge Männer beigetreten sind. Diese Abteilung erhält von Mitte Januar ab von Dr. Nachtigal, Oberstabsarzt a. D. in Stuttgart, jede Woche zweimal je abends von 7—8 Uhr Unterricht im Sanitätswesen und macht einen praktischen Uebungskursus durch.
Rottenburg, 17. Dez. Wie der N.B. vernimmt, ist Bischof Dr. v. Hefele aus Anlaß der Jubelfeier des Fürsten von Sigmaringen von Sr. Maj. dem Kaiser der Kronenorden I. Kl. verliehen worden.
Vom Algäu, 17. Dez. Ein gräßlicher Unglücksfall ereignete sich gestern nachmittag in Hoheneck. Maria Schupp, die 21jährige, blühende Tochter eines Hofbesitzers, half den Nachbarsleuten beim Dreschen. Wahrscheinlich in Folge eingetretenen Schwindels siel sie von der Dresch- maschiene in das in vollem Gange befindliche Schwungrad, wodurch ihr der Kopf buchstäblich in 2 Hälften gespalten wurde.
(S. M.)
Bopfingen, 17. Dz. Eine schreckliche Unthat ereignete sich heute Nacht in Aufhausen bei Leuchheim. Ein Arbeiter des dortigen Schleifmüllers ging Morgens wie gewöhnlich an sein Geschäft und wunderte sich nur, daß sein Herr nicht da war. Nach einer Stunde ging der Knecht hinauf in das Wohnhaus um nach dem Müller zu sehen. In der Wohnstube saß der kleine Sohn und sagte zu ihm: wenn nur mein Vater kommen würde, meine Mutter liegt im Bette wie tot. Die Frau lag auf dem Bett, in den Kleidern, erwürgt. Böses ahnend ging der Knecht nun im ganzen Haus herum und auf dem Boden fand er den Müller am Stricke hangend, derselbe hatte sich erhängt. Die ermordete Ehefrau ist allgemein als eine fleißige, thätige Frau bekannt, die viel von den Mißhandlungen ihres Mannes zu leiden hatte. Die zwei Kinder wußten nichts vom Vorgefallenen, denn als die That geschah, schliefen beide und kann man Einzelheiten nur vermnthen. (W. Ldz.)
Miszellen.
Die Sühne.
Novelle von E. Heinrichs.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„Es wäre eine nutzlose Sühne," sagte die Frau mit fester Stimme. „Deine Mitmenschen mögen es erfahren, daß Du ein Verbrechen zu sühnen hast, ihr Segen kann auch die blutroteste Sünde schneeweiß waschen."
„Ich gehe, Deine letzten Worte sollen mich tröstend begleiten — aber in dieser Kleidung — schon in der nächsten Minute wäre ich verraten."
„Ich werde für Kleider sorgen," sagte die Frau und entfernte sich.
Sie besaß noch einen vollständigen Anzug ihres Vaters, eine heilige Erinnerung an den geliebten Toten.
Diese Kleider trug sie hinaus zu dem Mörder, hätte sie ihm solche von seinem Opfer geben dürfen?
Sie schauderte zusammen und sagte leise: „Vater, vergieb — ich muß mein Werk vollenden!"
Als sie das letzte vollbracht, gieng sie zu ihrem Kinde — es lag in des Vaters Sessel und war sanft entschlummert.
„Dank Dir, mein Gott, für diesen Schlaf," flüsterte sie und mit uuhörbarem Geisterschritte verließ sie das Zimmer, um sich zu den Toten zu begeben und dort traurige Wacht zu halten.
Wie bebte sie, als die Hausthür leise geöffnet wurde, der Mörder verließ das Haus. —
Wie von Eumeniden gejagt, eilte er durch die öde Straße, den einsamen Weg hinan nach der Mühle, wo er die Schlei leicht erreichen konnte. Das Wasser war fest gefroren, Wagen waren schon herübergekommen.
So irrte der reiche, vornehme Mann einsam und von dem blutigen Schatten gejagt durch die dunkle Winternacht, über die weite trostlose Eisdecke. Der schneidende Wind fegte den Schnee in Haufen zusammen, daß er oft schon glaubte, hier elendiglich umkommen zu müssen.
Es war eine furchtbare Neujahrsnacht für den stolzen Aristokraten. Bon der Stadt trug der Wind die Klänge eines Chorals: „Nun danket alle Gott!" in die finstere Nacht hinaus.
Er stand still und lauschte dem bekannten Tone. Dann irrte sein Blick zum dunklen Himmel empor. Mußte nicht auch er, der Mörder, in das Danklied einstimmen?
Er trug ein Bündel, in der rechten Hand einen Stock, es war der blutige Degen.
Von namenlosem Entsetzen gepackt, schleuderte er die Waffe weit von sich und wunderte weiter seinen öden, gefahrvollen Weg.
„Ich muß dieser Kleider los sein," murmelte er und blickte sich scheu und ängstlich um, als könne ihn hier jemand sehen und hören.
st Er öffnete das Bündel, es war seine Uniform, — im weitergehen streute er alles hin auf die weite Spiegelfläche der Schlei. Der Wind fegte den Schnee darüber und bald war alles bedeckt.