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Seitenbahn vom Bahnhof Ettlingen bis zur Stadt nachzusuchen. (Ps. B.)

Pforzheim, 25. Okt. Gestern Mit­tag zog in einer hiesigen Famielie ein Kind eine brnnende Spiritnslampe vom Tische, alsbald stand ein noch jüngeres Kind in Hellen Flammen. Trotz der schleunigsten Hilfe ist das arme Kind mit vielen Brandwunden bedeckt und demgemäß gefährlich erkrankt. (Pf. B.)

7 Pforzheim, 27. Oktbr. Heute früh wurde auf dem Geleis der Enzthal- und Nagold-Bahn ein Mann aufgcfnnden, welcher unzählige Wunden am Kopfe hatte und bereits gestorben ist. Man erklärt sich die Sache so: Bei der in Brötzingen stattgehablen Kirchweihe ging es jedenfalls nicht ohne Schlägerei ab und werden einige Bursche, welche den Mann erstochen haben, denselben, um den Verdacht von sich ab­zuwenden, auf das Bahngeleis gelegt haben, damit man meinen sollte, er sei vom Zug überfahren worden, was aber nicht der Fall ist, denn erstens lag er der Länge nach auf dem Geleis und obwohl schon zwei Züge über ihn hinweggefahren sind, so kann es ihm doch nichts gemacht haben, zweitens beweisen es die Kopf­wunden, daß er erstochen worden ist, (so viel ist bis jetzt bekannt). Die Staats­anwaltschaft ist bereits an Ort und Stelle und wird jedenfalls bald Licht in die Sache bringen.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Okt. In wür­digster und gelungenster Weise ist heute Vormittag die Enthüllung des von Bild­hauer v. Hofer gefertigten und gestifteten Denkmals des verewigten König Wilhelm im Hof der Kunstschule und die Uebergabe desselben in die Obhut des Staates erfolgt.

Stuttgart, 24. Okt. Für die Omnibuslinie Prag- Hasenberg stehen be­reits 8 Omnibuswagen zur Verfügung. Sie werden je nach Bedarf in Dienst ge­stellt. An Sonntagen, an Regentagen u. s. w. reichen diese Wagen kaum aus.

Eßlingen, 24. Okt. Ein er­schütternder Todesfall hat sich gestern auf dem Stuttgarter Bahnhof zugetragen. Der seit Jahren im Ruhestand lebende Stadtpfarrer Reif war mit seiner Gattin am Mittag nach Stuttgart gefahren. Abends 6 Uhr fand er sich zur Rückfahrt im Wartsal II. Klasse des Bahnhofs in Stuttgart ein, wo ihn gleich bei feinem Eintritt ein Herzschlag traf und seinem Leben ein unvermutet rasches Ende machte. Die nach einigen Minuten ebenfalls auf dem Bahnhof eingetroffeue Gattin traf ihren Mann nicht mehr lebend.

Calw, 25 Okt. Vom Mittwoch auf den Donnerstag waren die 25 württ. Offiziere aller Waffengattungen, welche sich auf einer Generalstabsrcise befinden, mit ihren Dienern und Pferden hier in den Gasthöfen einquartiert.

Neuenbürg, 27. Okt. Eben einge- laufenc Mitteilungen aus den 12 Wald- vrten besagen, daß dort die Kandidatur Staelin weitaus die meisten Aussichten hat.

Ausland.

sWeinplanscherei.j Durch portu­giesische Zeitungen gelangt die Nachricht von ausgedehnten Weinfülschungen hierher. Es wird behauptet, daß in jüngster Zeit

zwei oder drei Schiffsladungen Rotwein von Hamburg aus nach Opvrto verschifft und von dort wieder als Portwein nach Deutschland zurückverschifft worden seien.

Einen barbarischen Kriegsgebrauch haben die Franzosen in China wieder eingeführt. Der Figaro erklärt heute den starken Verlust, welchen die Chinesen bei den Gefechten vom 10. und 11 . Okt. hatten, dadurch, daß die Franzosen keine Gefangenen machen, sondern alle Chinesen niedermetzeln, welche ihnen in die Hand fallen.

Misitllen.

Kin Wädchentos.

(Fortsetzung.)

Unter dieser letzten Rede hatte Katharine ihre Gäste in die gute Stube geführt, deren Thür inwendig wie auswendig mit einem Hirschgeweihe als Superport geschmückt war.

Die Stube sah reinlich aus; der Fuß­boden mit weißem Sand bestreut, der Tisch gescheuert und mir Weideustühlen umstellt; ein altmodischer Winkclschrank und ein Hangendes Gcbäukel waren mit Tassen und Gebetbüchern besetzt. Eine Schwarz­wälder Uhr pickte über ihren Zuggewichtcrn; ein Dompfaff hieng am Fenster, und eine Buchfinkenhecke nahm die schmale Wand hinter'm Ofen ein.

Wunderlich geschmückt sah die lange Seitenwand aus: ein Kruzifix in der Mitte teilte gewissermaßen ein himmliches und ein irdisches Reich. Rechts dem Fenster zu, hatte Katharinchen ihre Heiligenbilder symmetrisch zu einem Altärchen augevrdnet, alle in grellen bunten Farben ausgcfiihrt, wie man sic auf Jahrmärkten kauft. Die linke Seite hatte sich der Oheim für die Steindruckbildnisse der Frankfurter Parla­mentsmitglieder von der äußersten Linken nicht nehmen lassen.

Aber, Katharinchen, wie kommen die Heiligen und die Rcvolutionsmünuer so neben einander? bemerkte Susette. Wo­rauf dieselbe verdrießlich crwiederte:

Ich hab's nicht hindern können; der Onkel wollte durchaus auch seine Leute an der Wand haben. Zuletzt Hab' ich doch 'nen Sinn darin gefunden und mich be­ruhigt: es sind die linken Schächer neben dem Kreuz, die im Plapperment der Pauls­kirche aller Religion und Gottesordnung die Lästerzunge weisen.

Diese Aeußerung setzte einen Wort­wechsel mit dem Advokaten ab, der mit der Rache der Demokraten drohte. Indes; blieb er beim Freundlichen, und man konnte sich am Kontrast beider Streitenden er­heitern, wenn dem trocknen, schnupftabak- unsaubern, mit den Schultern überhangen­den Juristen oder Rabulisten auf's Leb­hafteste die kleine, runde, reinlich an­sprechende Mädchengestalt gegcnüberstand und mit Blick und Wort verriet, daß in dieser vollen Brust ein eingeborener Liebes- drang gewiß nur ungern oder aus Ver­wirrung der angenommenen Frömmigkeit und Klostersehnsucht Platz machte.

Der politische Streit war noch nicht beendigt, als der alte Forstlaufer Konrad Remmert mit Büchse und Ranzen in die Stube trat, ein langer, hagerer Mann mit verwettertem, eigensinnigem Gesichte,

worin der alte Waldgänger und neue Vvlksfreund, dieMärzstoppcln seinesgraueu Bartes bvrstenlang zu einem Demokratcn- schmuck hatte wachsen lassen.

Zuerst befremdet von dem Besuche, nahm er auf die Nachricht der ihm vvrge- stellten Personen von dem außerordent­lichen Glückssalle eine steife Höflichkeit und schmunzelnde Rückhaltung an. Hol's Los, Käthe! gebot er.

Katharinchen brachte es ans ihrer Kom­mode herbei. Er nahms rasch an sich und fragte:

Wie lautet die Zeitungsnummer, Herr Advokat?

73,747, da steht's! war die Ant­wort Wilhelmi's, der das Zeitungsblatt aus der Tasche zog.

Damit hat's feine Richtigkeit. Wir haben das Gut oder Geld gewonnen. Wie viel machts bar? fragte Remmert.

Für alle drei Jungs. Fräulein zu­sammen 300 000 Gulden in W. W.

Nun, das ist schon was, Käthe! Und nun heißt's festgehalten, vorgesehen!

Hiemit steckte Remmert das Los in die Hosentasche und fragte:

Hast Du 'was zu Abend für die Gäste, Katharina?

Wir danken schön, sagte Hambach, haben schon Bestellungen im blauen Hecht droben gemacht, und wollten nur vor allem Gewißheit wegen des Loses. Ich besorge die Reise-Auslagen.

Sv? crwiederte Remmert mit mißtraui­schem Lächeln.

Und kommen. Euch selbst zu Abend ein­zuladen. Es muß nun 'was drauf gehen.

Aha! brummte der Alte! Dankeschön, und wünsche gesegnete Mahlzeit, beliebst geruhsamer Nacht.

Alle stutzten, und der Advokat fragte:

Was gibt's denn aber mit dem Los?

Ja, Remmert, was gibt's mit dem Los? fragte auch der Wirt.

Remmert klopfte auf die Tasche.

Beide Fragenden sahen einander mit befremdenden Blicken an; dann forderten sie Kathrinen aus, den Ansprüchen ihrer beiden FreundinnenRechnung zu tragen", nach dem damals aus dem Parla­ment her gängen Ausdrucke.

Käthe steht in meinem Brot, erklärte Remmert, und Rechnung trage ich.

Er klopfte wieder auf die Tasche. So bitte ich mir mein Drittel vom Los aus, Herr Forstmeister! sagte Susette mit einem scherzenden Knickse.

Das Papier läßt sich nicht teilen, gnädig Fräulein, sondern das Geld.

Das kann nur mittelst des Papiers erhoben werden, Herr Forstrat!

Kommt Zeit, kommt Rat!

Unsere Reisenden traten zusammen ans Fenster, um zu überlegen, was man mit dem eigensinnigen Menschen anfangen sollte. Und freilich war sein verschlossenes, innerlich brütendes, nach außen abwehren­des Benehmen Allen ein Rätsel, selbst für Katharina, die sonst ihren Oheim genau kannte. Nur hatte sie ihn noch nicht im Selbstgefühl von Besitztum gesehen, und darin lag es.

Remmert hatte zum erstenmal die Empfindung von vielem Geld, das er in der Anweisung auf solches fest hielt. Mißtrauen gegen den Adokaten und den