zog will durch dasselbe die Regierung Braunschweigs übernommen und vom Lande Besitz ergriffen haben. Er erklärt, nach Maßgabe der Reichsverfassnng und der Landesverfassung regieren zu wollen. Das Patent ist allen Fürsten und den deutschen freien Städten zugestellt worden. (Was, nun?) (Fr. I.)
Die Tochter des verstorbenen Malers Oskar Begas ist dieser Tage das Opfer einer Blutvergiftung geworden. Das 21jährige schöne Mädchen besand sich znm Besuch auf dem Gute eines Freundes der Familie in Pommern. Vor 10 Tagen bemerkte sie an der linken Wange' nahe dem Munde ein fast unscheinbares weißes Bläschen und bald ein auffällig schmerzhastesAnschwellen der nächsten Umgebung desselben. Nach Berlin zurückgekehrt, .ließ man die immer stärker gewordene Geschwulst vom Hausarzt untersuchen. Dieser erkannte eine besorgniserregende Blutvergiftung. Professor Küster, der zur Behandlung hinzugezvgen wurde, schritt sofort zur Operation. Wange, Lippe und Kinn mußten nach allen Richtungen hin ausgeschnitten und die Wunden karbo- lisicrt werden. Mehrere Male wurden diese Versuche der Ansschneidung der zunächst von der Vergiftung ergriffenen Stellen des Gesichts wiederholt, leider vergebens. Unter entsetzlichen Schmerzen brachte das Mädchen die folgenden Tage zu. Die Kunst der Chirurgen und Aerzte vermochte den vernichtenden Feind dieses jungen Lebens nicht mehr zu besiegcu. Am Morgen des 7. Oktober wurde die Leidende durch den Tod erlöst. Das ihr wahrscheinlich durch den Stich eines Insekts, einer Fliege, eiugeimpfte tätliche Gift hat man als Milzbrandgift erkannt.
Württemberg.
Stuttgart, 24. Okt. Die Kommission der Kammer der Abgeordneten für Vorbereitung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Gemeindeangehörigkeit, hat heute ihre Sitzung geschloffen. Der Kommissionsbericht wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche im Druck erscheinen. (St. A.)
Stuttgart, 23. Okt. Der Stand des Vereins zur Fürsorge für Fabrikarbeiterinnen ist ein verhältnismäßig günstiger, wiewohl noch große Schulden drücken. Der Verkehr in der Herberge war besser als im Vorjahre; 130 Mädchen wohnten in derselben, 70 Dienstmädchen erhielten vorübergehend Nachtherbergen. Lebhaftere Beteiligung des Publikums ist zu wünschen.
Dobel, 23. Okt. Zur Reichstagswahl können wir auch von hier aus Mitteilen, daß die Kandidatur Staelin alle Aussicht hat.
Hi Wildbad, 23. Okt. Zufolge einer Einladung des seitherigen Reichstagsabgeordneten Herrn Kommerzienrath Julius Staelin in Calw vereinigte sich gestern Abend im Gasthof zum goldenen Löwen eine größere Anzahl hiesiger Wähler aller Stände. Herr Stadtschultheiß Bätzner stellte Herrn Staelin der Versammlung vor, worauf letzterer in längerer klarer Rede (wie ja bereits im Enzthäler Nr. 169 auch von Neuenbürg mitgeteilt wurde) seine seitherige und falls
einer Wiederwahl künftige Stellung zu den verschiedenen Vorlagen im Reichstage vor Augen führte. Wir glauben bestimmt annehmcn zu können, daß in Wildbad nahezu alle Wühler dem seitherigen tüchtigen und erprobten Reichstagsabgeordneten Staelin ihre Stimmen geben werden, denn jeder ist sich bewußt, daß es jetzt gilt, dem Manne, welchem Deutschland seine Einigkeit und Größe hauptsächlich verdankt, welcher bis in die entferntesten Länder bewundert wird und dessen Endziel darin gipfelt, Deutschland, welches er groß gemacht, auch wohlhabend zu machen, nicht die harte und schwere Arbeit länger erschwert, sondern erleichtert und unterstützt werden muß und als den Mann, der hiezu bereit ist, können wir ruhig und mit gutem Gewissen den seitherigen Abgeordneten
Herrn Kommerzienrat Jul. Staelin in Calw empfehlen.
Zum 28. Oktober.
Noch sind es nur wenige Tage und das deutsche Volk wird in Folge seines allgemeinen Wahlrechts darüber entscheiden, ob es gesonnen ist, mit der Regierung des Reichs zu gehen oder in nutzloser Opposition und zur größeren Freude des Auslandes seine Schaffenskraft zu vergeuden. Die unberechenbar hohen Wogen der Politik beschäftigen seit Wochen aller- wärtsdieGemütcr; Unmassen vonZeituugs- Artikcln, Wahlreden und Wahlmanövcrn liegen uns vor und es wäre kein Wunder, wenn wir vor Bäumen den Wald nicht mehr fänden. Vor allem find es einzelne Parteien, welche durch ihre phrasenreichen Verlockungen die fast gewonnene Klarheit zu trüben suchen, um im Trüben eher Erfolg beim Fischen zu bekommen. Auch unserem Wahlkreis sollte diese Heimsuchung nicht erspart bleiben, wenn auch der ungeahnte Auftritt eines demokratischen Gegenkandidaten uns nicht unbewacht fand, so brachten doch vielleicht seine Wahlreden und noch mehr sein Programm manchen in ein gewisses Schwanken zwischen dem früheren Vertreter Staelin und seines Antipoden Georg ii. Dem Wahlaufruf des Letztem sollen objektiv, ohne jegliche Antastung der ehrenwerten Persönlichkeit desselben, einige Augenblicke geschenkt sein.
Einleitend hebt Herr Georgii hervor, daß er die Mitwirkung des Volkes beziehungsweise dessen Vertreter an der Regierung und Gesetzgebung ohne die geringste Schmälerung gewahrt wissen wolle. Wer hat bis jetzt auch nur im Geringsten daran gedacht, an diesem verbrieften Rechte zu rütteln? Liegt nicht das Schicksal jeden Gesetzes, jeder Neuerung in der Verwaltung in den Händen der Abgeordneten, hat sich irgendwo das von der Demokratie so vielfach an die Wand gemalte Gespenst der Allgewalt der Reichsregierung mit notwendiger Ausschließung der Bolksstimmc je einmal gezeigt? Wenn, wie die Gegner behaupten, ein Attentat auf das Kleinod des Volkes, ans das allgemeine geheime Stimmrecht geplant sein soll, so wird hiefür der preußische Landtag zitirt, in dem allerdings Minister Puttkamer ähnliche Wolken am politischen Himmel heraufzuzaubern sich die Mühe gab, Wolken, die so schnell vergiengen,
wie sie kamen, ohne irgend einen weiteren faßlichen Niederschlag zu hiuterlassen; und gerade diese einzelne Stimme von hoher Persönlichkeit, aber ohne den mindesten Nachklang verbürgt uns den Besitz des genannten Stimmrechts.
Im Punkt 2 beschäftigt sich Herr Georgii mit den Ausnahme-Gesetzen gegen einzelne Landesteile, wie Parteien, Con- fcssioncn und Bevölkerungsklassen. Wer möchte leugnen, daß Ausnahme-Gesetze hart sind? Aber wer verschließt auf der andern Seite die Augen vor der absoluten Notwendigkeit derselben, solange die unantastbaren Pfeilerdes Staates: Thron, Altar und Familie in Gefahr sind. Oder haben wir jenes verruchte Treiben gewisser Individuen vom vorigen Winter schon vergessen, eine Zeit, in der kein Bürger mehr sicher in seiner eigenen Stube war. Diese elenden Thäter schworen bekanntlich alle ungescheut, unter die Fahne der größten Umsturzpartci Europas, zu dem Anarchismus, dem Zwillings- kinde der Sozialdemokratie, gegen die Umtriebe letzterer wir uns namentlich durch Ausnahme-Gesetze schützen mußten. Rußland, England und Amerika hat seinerzeit diese Verworfenen der Gesellschaft mit offenen Armen ausgenommen und heute sind es diese Staaten, die Deutschland um gemeinsamen Schutz gegen eine solche Menschenklasse angegangen haben, da dieselbe in erschreckender Weise jeder staatlichen Ordnung Hohn spricht. Was sodann die Ausnahmegesetze gegen einzelne Konfessionen betrifft, so kann hiemit natürlich nur die Maigesetzgebung der katholischen Kirche gegenüber gemeint sein. Inwieweit hierin die Regierung schon die Hand geboten hat, ist bekannt, wenn auch von wenig positivem Erfolg; die Schuld liegt eben nicht mehr so sehr an dieser, sondern an den Beratern der Curie und somit wäre vorerst ein weiteres Zurückweichen des Staats unter der Würde. Punkt 3 stellt Erleichterungen in den hohen Gerichtsgebühren, überhaupt größere Ersparnisse auf einzelnen Staatsgebieten in Aussicht. Hat sich aber nicht schon längst eine bedeutende Agitation aus allen Parteien Deutschlands gegen die zu hohe Belastung des Einzelnen in der Rechts- vcrsolgung gezeigt. Hiezu war es des Notschreis der Demokratie nicht mehr nötig. Daß natürlich im Sparshstem das Heer seine alte Rolle im demokratischen Programm entnimmt, kann uns nicht mehr wundern. Gar kein Militär wäre natürlich für den Einzelnen wie für das gesamte Nationalvermögen das allein anzustrebende, ein Wunsch, dessen Realisierung wir wohl leider niemals eintreten sehen in Anbetracht unserer Nachbarn. Die jüngste Drcikaiserzusammenkunft hat zwar scheinbar den grollenden Osten, Rußland, mit den deutschen Verhältnissen, wie sie das Jahr 70 im Gefolge hatte, versöhnt, allein diese Friedensströmung lebt und stirbt bekanntlich oft mit einer maßgebenden Person; und „nichts ist ständiger als der Wechsel,, sagt Heine. Auch unsere westlichen Angrenzer, die Franzosen, scheinen sich mälig mit uns auf besseren Fuß stellen zn wollen, allein die Republik ist weiblichen Geschlechts und als solche häufigen Einwirkungen, der Erfahrung gemäs, aus-