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immer noch verhältnismäßig hoch ist, so ist der Grund einerseits in den großen, zusammenhängenden, znm Teil mit Unterholz bestockten Waldungen, andererseits aber auch darin zu suchen, daß sich dieselben, ähnlich wie solches auch bei den Wölfen der Fall ist, immer wieder aus den angrenzenden französischen Waldungen ergänzen.
Ein neues schädliches Insekt hat uns Amerika wieder mit seinen Produkten zugeführt. Es ist dies eine Mehlmotte, die mit amerikanischem Weizen oder mit Mais eingcführt ist und jetzt durch ihre schnelle Verbreitung und außerordentliche Vermehrung nicht geringe Besorgnis erregt.
Württemberg.
Vermöge Höchster Entschließung vom 20. d. M. haben Seine Königliche Majestät die an dem Rcallyeeum in Calw erledigte untere Prüzeptorsstelle dem Präzeptoratsverweser Cramer in Hohenheim und die erledigte Kollaboratorsstelle an der Lateinschule in Altensteig dem Verweser der Stelle, Kollaboraturkandidaten Rau gnädigst übertragen.
Se. Königl. Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 22. Okt. d. I. den Oberamtsarzt Dr. Kapff in Eßlingen seinem Ansuchen gemäß in den bleibenden Ruhestand gnädigst versetzt.
Stuttgart, 23. Okt. Se. Mas. der Kaiser Wilhelm und Se. K. K. Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen kamen gestern um 5 Uhr Abends mit Extrazug von Sigmaringen hier an und fuhren um 5. is über Osterburken—Würzburg nach Berlin weiter. Sc. Majestät verließ den Salonwagen und unterhielt sich längere Zeit mit I. K. H. der Frau Prinzessin Weimar nebst Sohn und Tochter, dem General von Schachtmeyer, dem preußischen Gesandten u. s. w. Der Kaiser sah sehr gut aus, stano die ganze Zeit über und ließ sich alle anwesenden Damen und Herrn vorstellen. Beim Abgang erschollen begeisterte Hochrufe des zahlreich im Wart- sal und auf dem Perron versammelten Publikums. Der Kaiser grüßte sichtlich erfreut und blieb am Fenster stehen, bis der Zug die Halle verlassen hatte. (St.-A.)
Die Centralleitung des Wohlthätigkeits- vereins fordert im Staatsanzeiger solche weibliche Dienstboten, welche in Einer Familie 25 Jahre lang treu und in Ehren dienen, auf zur Bewerbung um das von Ihrer Majest. der Königin gestiftete Ehrenzeichen. Gesuche sind spätestens zum 1. Dezember einzureichen.
Stuttgart. Die Fabrik von I. Aichelin fertigt billigste Kirchen - Heizung. Sie hat in den letzten Jahren 15 Kirchen eingerichtet. Preis von 150 Mark an.
Marbach, 21. Okt. Dem hiesigen Schillerkomite ist gestern eine freudige Ueberraschnng zu Teil geworden durch die Zuschickung einer Nummer der in Chicago erscheinenden „Freien Presse", in der berichtet wird, daß die Deutschen von Chicago den Beschluß gefaßt haben, „dem Dichterheroen Schiller" im Lincolnpark ein Denkmal zu setzen, zu welchem vom dortigen Schwabenverein bereits ein Grundstock von 3100 Doll, gesammelt worden
ist. lieber alle vorgclegten Entwürfe hat das von Ran modellierte und von Pelargus gegossene Marbacher Schillerstandbild den Sieg davongetragcn. Der Guß wird denn auch wieder an Pelargus übertragen werden.
Untertürkheim, 19. Okt. Inden hiesigen Hofkammerl. Weinbergen ist mit der Lese des Frühgewächses angefangen worden; der gestern gelesene Portugieser hat ein Gewicht von 97". Heute wurde auch sonst mit der Frühlese begonnen, lieber die Qualität des Heringen Erzeugnisses hören wir allgemein das Prädikat „ausgezeichnet". Bezüglich der Quantität sollen die Erwartungen übertroffen werden.
Vergangenen Montag wurde inAlte n- steig im Anschluß an eine Lehrerkonfercnz ein Kirchengesangfest gefeiert, bei dem außer den Lehrern des Bezirks die Kirchenchöre Altensteig, Nagold und Wildberg mitwirkten. Die Ausführung des sehr reichhaltigen Programms ließ erkennen, daß sämtliche Mitwirkenden sich der Sache voll und ganz Hingaben und sich auf die zum Teil schwierigen Stücke mit einem Fleiß vorbereitet hatten, die aller Anerkennung wert ist.
-j- Weinsberg. Weinpreiszettel v. 21./22. Okt. Rot Ausstich 166 -,16 Pr. 3 lll. Rot 150, 148, 145, 144 -46 Pr. 3 lll. Weiß 130, 125, 120 -46 Pr. 3 Iil. Weiß Rißling und Rot Ausstich ineinander verkauft zu 175 -46 Pr. 3 lll. Qualität recht gut; noch schöne Auswahl in roten und weißen Sorten. Versteigerung der Weingärtnergcsellschaft voraussichtlich am 5. November.
Stuttgart, 23. Okt. Kartoffel-, Obst-u. Krautmarkt. Leonhardsplatz: 600 Säcke Kartoffeln ä 2 -46 30 bis 2 .46 80 L pr. Ztr. Wilhelmsplatz: 2000 Säcke Mostobst ä 5 -,16. 50 bis 5 -,16 80 pr. Ztr. Marktplatz: 6000 Stück Filder- kraut g, 10 bis 15 -46 pr. 100 St.
A u s l a n d.
Teheran, 18. Okt. Die deutsche Gesandtschaft ist heute hier eingetroffen. Zum feierlichen Empfang hatte die persische Regierung an allen Stationen zwischen dem Kaspischen Meere und Teheran große Vorbereitungen getroffen. Der Schah stellte der Gesandtschaft ein Palais zur Verfügung.
MiMllkn.
Hin Mädchenlos.
(Fortsetzung.)
Snsetten, wenn sic auch keine Ahnung von dem unterschlagenen Schreiben ihres Tanners hatte, entging doch die eigennützige Absicht des Wirtes nicht. Sie erwiderte mit schlauer Gutmütigkeit:
Bei solchen Verlobungen wird Alles fest gemacht, nicht wahr? Was bestimmen wir denn für den Fall, daß das Los verloren wäre? Ich kann doch nicht umsonst Braut gewesen sein. Ich hab's Los nicht in den Händen, sondern des Herrn Pfarrers Büschen verwahrt's.
Ei, die wird doch nicht — ? fiel Hambach erschrocken ein.
Ich denk's nicht, antwortete sie. Katharinchen ist sonst ein sehr ordentliches
Mädchen. Aber man kann doch für nichts stehen, Herr Hambach, und die Sach' ist lang her.
So, so? Ja, ja! erwiederte er überlegend, indeß Pfarrer Mihm aus zurückgehaltenem Lachen dreimal nießen mußte.
Und sie meinen also, fuhr Hambach fort, wir sollten lieber vor der Verlobung den Gewinn holen? Nun — auch gut! Ich lasse mir ja Alles gefallen! Ja, Herr Pfarrer, die Frauenspersonen Habens gern fest und sicher. Ja, ja, Susettchen, Sie geben einmal eine rechte Sicherheits-Kommissarin ! Und der alte Hambach ist immer so eine ehrliche nachgiebige Haut gewesen. Nicht wahr, Lorenz? Nun fragt sich's aber, wie wir's mit dem Los und Gewinn am Besten anfassen. Ich habe den Advokaten Wilhelm! zu mir bestellt; wie wärs, wenn Du ihn hieher holtest, Lorenz? Der Herr Pfarrer —
Da kommt er schon mit dem Juden Simon! bemerkte Lorenz.
Sie waren cs wirklich und suchten den Wirt auf» beide in einem Wortwechsel begriffen. der auch nach ihrem Eintritt und hinter ihrer Begrüßung her, bald wieder an hob. Beide wollten — nach einem damals beim Parlament beliebten Ausdruck — „die Sache in die Hand nehmen." — Simon pochte auf sein Vorrecht als Verkäufer des Loses, Wilhelmi machte sich als unentbehrlichen Anwalt gegen österreichische Praktiken, wie er es nannte, geltend. Simon war heftig und grob, Wilhelmi blieb kalt und spöttisch. Wir wissen schon, Simon Schwarzschild, sagte er, was Ihr im Schilde führt; Ihr wollt am Lotterielos zu einem Rotschild werden, und nieint damit untere Farbe zu bekennen. Aber fehlgeschossen! Gerade dann seid Ihr erst recht ein Schwarzer und wenn's nächstens ans „Teilen" geht, seid Ihr der erste „Gcldsack" in Neuenzell, der — aufgeknüpft wird! Dafür laßt mich sorgen!
Diese Drohung eines mit den Demokraten der Umgegend verbundenen Mannes schüchterte den Juden wirklich ein. Pfarrer Mihm nahm ihn bei Seite und suchte ihn dadurch zu beruhigen, daß er ihm für die übliche Provision oder Besorgungsgebühr gut sagte. Dennoch trat der gereizte Mann nicht zurück, ohne seinem Aerger wenigstens gegen den Wirt Luft zu machen. — Nachbar Hambach, rief er, winkte dem Wirt bei Seite, und flüsterte dem Wirt ins Ohr:
Ihr steht mir für meine gerechte Provision und ich halte mich an dem unterschlagenen Brief. Ihr sollts mit der Pvst- direktion und mit der betrogenen Susette zu thun kriegen, so wahr ich Simon heiße!
Sobald der Jude fort war, wurde die Angelegenheit beraten. Wilhelmi brachte seinen Antrag durch, der dahin ging, daß Susette als Teilhabern: am Lose, der Wirt als Obmann und Susettens Beschützer und er selbst als Rcchtsbeistand und Unterhändler alsbald nach Frankfurt abreisen, und sich mit dem bezeichneten Bankierhause in Unterhandlung setzen sollten. Susette, hieß es, stelle das Los, der Advokat leiste Rat und Mühewaltung und, der Wirt müsse die Reisekosten vorlegen.
Wilhelmi, im Stillen auf den Vorteil rechnend, der bei den jetzigen schwankenden Geld- und Papierverhältnissen in der Unter-