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Württemberg.
Vom 15. November d. I. ab ermäßigen sich die Fahrtaxen für Beförderung von Personen in Salonwagen von Stuttgart, Cannstatt, Ulm und Wildbad nach Paris, worüber das Nähere bei den genannten württembcrgischen Stationen zu erfragen ist.
Gestorben 21. Okt. zu Stuttgart: Stadtdckan Teich mann, früher Helfer in Göppingen 1851, landesherrliches Mitglied der Landessynode, auch Ersatzmann des Synodalousschusses. Gehörte 32 Jahre Stuttgart an,
Stuttgart, 20. Okt. Der Evangelische Synodus ist heute zu seinen jährlichen Berathungen zusammengetreten.
Stuttgart, 15. Dkt. Ein jäher Todesfall, der die Familie eines hiesigen Malers in Trauer und Bestürzung versetzte, erregt namentlich in ärztlichen Kreisen allgemeines Aufsehen. Der 5 jährige, kerngesunde Knabe des Malers spielte mit einigen in etwas höherem Alter stehenden Jungen auf der Straße. Einer derselben fand auf einem benachbarten Abfuhrkeyricht- haufen ein dicht mit Rost bedecktes spitz zulaufendes Stück Eisen und stach damit im Scherz den Knaben des Malers in die linke Wade. Wenige Minuten später schwoll der Fuß an, der Knabe klagte über Unwohlsein und mußte zu Bette gebracht werden. Trotzdem sofort drei Aerzte zu Hilfe gerufen wurden, erwies sich deren Hilfe fruchtlos. Unter unsäglichen Schmerzen starb das blühende Kind zwei Stunden später. Ein Starrkrampf machte seinem Leben ein Ende. Nach dem Gutachten der Aerzte war weniger der Rost die Ursache des Todes als vielmehr faulende Substanzen, die sich an dem fraglichen Eisen angesetzt hatten. Der Schmerz der Eltern, die sich so rasch des einzigen Kindes beraubt sehen, ist grenzenlos.
Von der Jagst, 16. Okt. Der 81 Jahre alte, geistig noch sehr regsame Schultheiß Schuster in Lensiedel, O.A. Gerabronn, saß am 4. d. M. Abends 7 Uhr allein in seiner Stube und hatte zum Zweck der Lektüre einen kleinen Tisch, worauf sich zwei brennende Erdöllampen befanden, vor feinem altgewohnten Platze, einem Lehnsessel, stehen. Wahrscheinlich wollte der alte Mann aufstehen und muß sich hiebei an dem Tisch gestützt haben, dieser kippte um, die beiden Lampen fielen dem Greise, der wieder in den Lehnstuhl gesunken war, in den Schooß, zerbrachen und der brennende Inhalt ergoß sich über ihn. Im Augenblick stand er in vollen Fammen; er erlitt am Rücken, Füßen, änden schreckliche Brandwunden; alle unst des Arztes, alle treue Pflege seiner Angehörigen war vergeblich; heute früh erlöste ihn ein mitleidiger Tod von seinen Qualen. (S. M.)
Nach Groß-Erlach (Backnang) soll nach der „Ludw. Ztg." kürzlich eine Erbschaft von London im Betrage von einer halben Million gekommen fein. Drei junge Mädchen, seither im Dienste, seien die vom Glück so unverhofft Begünstigten.
-j- Weinsberg. (Weinpreiszettel.) Verkäufe zu 170, 160, 156, 150, 144, 142, 130, 125 ^ pro 3 bl. An Rot- und Schillerweinen bereits ziemlicher Vorrat unter der Kelter. Die Hauptlese in
Weiß begann letzten Montag und dauert voraussichtlich die ganze Woche, so daß von Mitte dieser Woche au allgemein Wein gefaßt werden kann.
Spaichingeu, 14. Okt. Klagen über den Rückgang der Hand Weberei auf dem Heuberg, dieses früher in den Heubergorten blühenden Industriezweigs haben die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel veranlaßt, eine Kommission zu entsenden, um über die Verhältnisse an Ort und Stelle Erhebungen anzustellen und Mittel zur Besserung ausfindig zu machen.
Fr e u d e n st a d t, 16. Okt. Unsere Stadt ist wieder um eines ihrer alten Gebäude ärmer. Die sogenannte Kaserne hinter dem Rarhaus, früher in dieser Eigenschaft benützt, sodann die Wohnung zahlreicher Familien, ist heute Nacht ein Raub der Flammen geworden.
In der jüngst in Calw abgehaltenen Ausschnßsitziing des landw. Bezirksvereins überreichte Herr Oberamtmann Flaxland in Gegenwart des Gemeinderats von Liebels- berg dem dasigcn Oekonomen und Lehrer Alber den ihm von Sr. Majestät dem König Karl verliehenen Septemberpreis von 300 ^ nebst der silbernen landwirtsch. Verdienstmedaille und einem künstlich ausgeführten Diplom mit würdiger Ansprache.
/i Reichstags wähl-Betracht- un gen. (Konservativ und freisinnig.) Diese Worte spielen bei den Abgeordnetenwahlen eine große Rolle, jedoch mehr bei den Führern als bei dem Gros der Wähler. Was diese Worte als politische Parteibegriffe bedeuten, das machen sich nicht sehr viele Wähler klar, es lohnt sich bei einem Wahlkampf auch der Mühe nicht, Auseinandersetzungen hierüber zu geben, denn die Mehrheit der Wähler trifft glücklicherweise die Entscheidung nicht nach diesen häufiger mißbräuchlich, als richtig in Anwendung kommenden Parteibezeichnungen. Viel richtiger ist für die Wähler, wie sich die eine oder andere Partei, welcher der Kandidat angehört, zu den praktischen Fragen verhält, welche das Interesse und die Bedürfnisse des Volks berühren, wir wollen es deshalb unternehmen, den Standpunkt darzulegen, welchen die in unserem Wahlkreis in Betracht kommenden politischen Parteien in den Hauptpunkten in den letzten Reichstagsverhandlungen einge- genommen haben.
Die konservative Partei, welcher der seitherige Abgeordnete Staelin angehört, ebenso die liberalen Parteien, anerkannten freudig und rückhaltlos die vollzogene Einigung des deutschen Volkes, auf der Grundlage der bestehenden Reichsverfassnng, sie unterstützten die auswärtige Politik des Reichs, welche unter der Meisterhand des Fürsten Bismarck unsere Feinde zum Frieden zwingt und dem deutschen Reiche eine achtunggebietende, das Wohl des Volkes fördernde Stellung verschafft. Die freisinnige, in Verbindung mit der demokratischen Partei, welcher der Kandidat Emil Georgii angchört, anerkennt zwar äußerlich, aber höchst nngerne, das nicht ihren veralteten demokratischen Forderungen entsprechende Einigungswcrk, sucht aber fortwährend an den Grundlagen der Reichsverfasfung zu rütteln. Fort mit Bismarck, ist ihr Feld
geschrei, der hauptsächlichste Schöpfer der deutschen Einheit und Größe, der Mann, dem wir zum größten Teile die Erhaltung des Friedens, den Schutz der Arbeit, der Gewerbe, der Land- und Waldwirtschaft, die Sorge für die Lage der Arbeiter verdanken, der große Mann, um den uns alle Völker beneiden, soll weichen, und Männern Platz machen, die ihre Begabung bis jetzt blos im Verneinen, in unfruchtbarem Parteihader an den Tag gelegt haben.
Die konservativen und liberalen Parteien treten ein für die Erhaltung der deutschen Armee, welche in ihrer derzeitigen Schlagfcrtigkeit allein im Stande ist, den Friedensabsichten unserer Regierung Nachdruck zu verschaffen und allmählige Erleichterung der Militärlasten zu ermöglichen. Die freisinnige Partei will die Heeresorganisation ändern, unerprobte Systeme einführcn, die nach Umständen den Frieden bedrohen und zu einer Vermehrung der Militärlasten führen.
Die Absichten des Kaisers und seiner Regierung, für Verbesserung der Lage der Arbeiter zu sorgen, wurde von den konservativen und liberalen Parteien unterstützt und fernere Unterstützung in Aussicht gestellt, aus den Reihen der freisinnigen Parteien fanden dieselben vielfachen Widerspruch.
Der zu gerechterer Verteilung der Steuerlasten längst angestrebte Gesetzes- Entwurf betreffend die Besteuerung der Börsengeschäfte, in einer den Geschäfts- Verkehr nicht belästigenden Form, wird von der konservativen Partei unterstützt, von den Führern der freisinnigen Partei aber unter allerlei Borwänden für unannehmbar erklärt. Das Volk wird allmählich mißtrauisch gegen die — die Börsenbesteuerung verhindernden Einwendungen.
Die freisinnige Partei war es, welche gegen die Einführung eines mäßigen Zolls zum Schutz der Erzeugnisse deutscher Industrie und Gewerbefleißes die heftigsten Kämpfe führte, nur mit Unterstützung der gemäßigten Parteien gelang es, diese weise Maßregel durchzusetzen, welche so viele Arbeit und so vielen Verdienst in's Land brachte. Die beabsichtigte, von der konservativen Partei längst betriebene Erhöhung des Zolls auf ausländisches Getreide und Holz, um die Bauern und Waldbesitzer vor den Nachteilen zu schützen, welche sie durch die massenhaften Einfuhren von ausländischem Holz und Getreide erleiden, wird von den Führern der freisinnigen Partei heftig bekämpft.
Hierin besteht, in den dem Volk zunächst wichtigsten Fragen der Unterschied zwischen dem Standpunkt der konservativen und der freisinnigen Parteien. Hiernach mögen die Wähler entscheiden, welche Wahl ihrem Vorteil entspricht. Auf den einen oder anderen der oben hervorgehobenen Punkte werden wir noch ausführlicher zurückkommen.
Soweit unsere Nachrichten reichen, findet die Stellung, welche der seitherige Abgeordnete Staelin zu obigen Fragen einnimmt, bei der großen Mehrheit der Wähler in Stadt und Land ungeteilte Anerkennung.