auf volle Unterstützung der Nation rechnen könne; 2) Die Versammlung hält die überseeischen Dampfschiffverbindungen für ein unerläßliches Mittel zur Förderung des deutschen Ausfuhrhandels, zur Hebung des Ansehens der deutschen Flagge und innigerer Verbindung der Deutschen in den überseeischen Ländern mit dem Mutterlandc. Wo solche Dampferlinien ohne öffentliche Unterstützung zur Zeit nicht in einem dem deutschen Interesse entsprechendem Maße eingerichtet werden können, hält die Versammlung geeignete Subventionen aus Reichsmitteln für geboten, bedauert deshalb das Scheitern der Dampfervorlage und spricht schließlich die zuversichtliche Hoffnung aus, daß eine erneute Vorlage allscitige Zustimmung und Annahme finde. Der erste Redner Dr. Fabri (Godesberg) begründete die erste Resolution, worauf Wörmaun und Lüderitz über ihre Besitzungen Mitteilung machten. Die erste Resolution wurde einstimmig angenommen; ebenso wurde die zweite Resolution genehmigt, welche Nasse (Bonn), Annccke (Berlin) und Meyer (Bremen) begründeten.
lF. I.)
Briefe nach A n gra - Peq n e n a und den übrigen deutschen Besitzungen in West- Afrika, wohin die Wörmann'schen Dampfer benutzt werden sollen, kosten laut Bestimmung der deutschen Reichspostverwaltnng 20 Pfennig. Somit sind die dortigen Niederlassungen in das Gebiet des Weltpostvereins gezogen.
Dem abgeschmackten Aberglauben zum Opfer gefallen ist dieser Tage die Gattin eines angesehenen Bürgers zu Insterburg. Die junge, kerngesunde Frau hatte, wie die „Ostd. Volkszeitung" berichtet, sich mit einem Messer an der linken Hand eine Verletzung zugezogen, die trotz ihrer Geringfügigkeit eins schmerzhafte Anschwellung zur Folge hatte. Mehrere „gescheite" Nachbarn bewogen die unglückliche Frau dazu, ein einer Leiche abgcnommenes Tuch um die geschwollene Hand zu wickeln; eins Mittel, das die Geschwulst „aus- ziehen sollte. Am Dienstag abend verstarb die Frau nach qualvollen Leiden an Blutvergiftung.
Württemberg.
Verein für Arbeiterkolonien in Württemberg.
II.
Nach den beigcgebenen statistischen Notizen sind bis zum 31. August d. I. seit der Eröffnung aus allen Teilen Württembergs und Hohenzollerns 154 Mann ausgenommen worden, von welchen sich an diesem Zeitpunkte 28 noch dort befanden, während 34 durch Vermittlung der Verwaltung, 9 durch eigene Bemühungen anderweitig Unterkommen gefunden haben, 65 in geordneter Weise wieder ans Wanderschaft gegangen, 12 wegen Verfehlungen, (Trunkenheit, Unbotmäßigkeit, Arbeitsscheu u. s. w.), ausgeschlossen wurden, und 5 davongelaufen sind; 1 Mann wurde wegen Diebstahls verhaftet.
Von obigen 154 Mann gehörten 105 der evangelischen, 49 der katholischen Konfession an.
Am Schlüsse des Berichtes heißt es wörtlich: „unter allen Umständen ist unserem auf Freiwilligkeit gegründeten Werke,
neben der Hilfe des Staates und der Korporationen, die Privatwohlthätigkeit unentbehrlich. Deshalb erlauben wir uns, alle Menschenfreunde um einmalige größere Gaben, oder um regelmäßige Jahresbeiträge zu bitten. Je reichlicher die Beiträge fließen, um so größer kann die Zahl derjenigen werden, welche durch die Aufnahme in unsere Kolonie dem Müßigang und dem Bettel auf der Landstraße entzogen und zur Ordnung und Arbeit wieder erzogen werden.
Gaben und Beitrüge werden von den Mitgliedern des Ausschusses, den Pflegern des Vereins, und insbesondere von dem Vereinskassier, Herrn A. Pelargus. Prokurist bei der Allgemeinen Nenten- Anstalt in Stuttgart angenommen.
Gmünd, 18. Scpt. Der Geschäftsbetrieb in der dahier vorherrschenden Gold- und Silbcrwareiiindustrie kann dieses Jahr nicht als ein flauer bezeichnet werden, nur daß die Klage über gedrückte Preise in Folge zu großer Konkurrenz stets sich geltend macht. (S. M.)
Rottenburg, 19. Sept. In unsere Stadt ist wieder die ersehnte, wohlthätiae Ruhe eingekehrt. Die 1387 männlichen und 2701 weiblichen Personen, welche über die Dauer der Hopfenernte in Rottenburg Arbeit gefunden, haben wieder eine schöne Summe Geldes mit sortgenommen. Rechnete man auf die Person nur den täglichen Verdienst von 1-46, so macht dies bei einer Arbeitszeitszeit von 3 Wochen 80 000 bis 90 000 cM Nicht mitgerechnet sind dann die Tausende von Verdienst der rührigen Hände unserer Stadtbevölkerung.
(Schm. M.)
Heilbronn, 19. Sept. Demnächst wird die Verbindung des Postgebäudes mit dem Bahnhof durch eine pneumatische Leitung zur Ausführung gelangen und in Verbindung damit die Errichtug eines Telc- grammannahmebureaus im Postgebäude. Es werden dann alle Telegramme aus der Stadt in diesem Bureau abgegeben, mittelst der pneumatischen Leitung nach dem im Bahnhof befindlichen Telegrafenamt befördert und von dort aus unmittelbar abgesendct.
Ausland.
Cholera. Aus einer statistischen Zusammenstellung über die Ausbreitung der Cholera in Frankreich seit deren Beginn bis zum 15. d. M. ergiebt sich, daß ungefähr 5000 Personen der Krankheit erlegen sind. Diese Todesfälle verteilen sich auf 280 Gemeinden. Man schätzt hiernach die Zahl der Erkrankungen seit dem 17. Juni auf wenigstens 10—12,000.
Aus Italien liegen nur die stereotypen Choleraberichte vor, welche leider erkennen lassen, daß die furchtbare Seuche nur wenig abgenommen hat. Speziell in Neapel starben täglich 200—300 Menschen an der Cholera und auch in Rom scheint dieselbe nunmehr ihren Einzug gehalten zu haben, da aus dieser Stadt mehrere „choleraverdächtige" Fälle gemeldet werden. Glücklicherweise hat die mehrtägige Anwesenheit König Humberts in Neapel den tiefgesunkenen Mut der dortigen Bevölkerung wiedcrgehoben und hat außerdem das vpfermutige Verhalten des Königs
noch zur Folge gehabt, daß hiedurch dem dynastischen Gefühl des italienischen Volkes ein mächtiger Aufschwung verliehen worden ist, wovon fast jeder Tag neue Beweise bringt.
Neapel, 20. Sept. In den 24 Stunden von gestern bis heute 4 Uhr nachmittags gab es 320 Cholerafälle und 194 Choleratote, darunter 95 früher erkrankte.
Mizellen.
Heprüfte Kerzen.
Novelle von F. Stöckert.
(Fortsetzung.)
Von dem mürrischen Bahnbeamten erfuhr Lilli, daß erst in einigen Stunden ein Zug abging, mit welchem sie, wieder an ihrer Vaterstadt vorbei, nach Thüringen zu fahren konnte. „Sie können sich so lange dort in meine Bohnenlaube setzen", schloß der Mann seine Rede, indem er mit einer herablassenden Handbewegung nach seinem kleinen Garten wies.
Gehorsam lenkte Lilli ihre Schritte dorthin und setzte sich in die von rot- blühenden Bohnen umrangte Laube auf ein schmales hölzernes Bänkchen. Sie hatte nun hinreichend Muße über ihre sonderbare Lage nachzudenken.
Es war so traumhaft still um sie herum, nur eine kleine Grasmücke zwitscherte in dem Fliederstrauch, Reseda und Lcvkoyen dufteten und zwei große Sonnenrosen wiegten majestätisch ihre mächtigen Köpfe.
So einsam und verlassen hatte sich Lilli in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Wenn sie es zu Hause wüßten, daß sie hier ganz allein in der kleinen Bohnenlaube saß. Dort vermutete man sie längst im Amthause bei ihrem Manne, und Fritzens Gedanken, wenn er überhaupt noch an sie dachte, suchten sie zu Hause bei Eltern und Geschwistern, Niemand von diesen allen ahnten ihr trauriges Schicksal.
Lilli wußte erst nicht recht, was sie beginnen sollte. Zurück nach Hause wollte sic nicht, dort fürchtete sie den Zorn des Vaters, die Borwürfe der Mutter und das Gespött der Nachbarn. Sie wollte zu Fritz, ihrem angetrauten Gatten, der ein gutes Herz hatte und ihr verzeihen würde.
Aber wo war Fritz?
Nach Thüringen gereist, hatte der Kutscher gesagt, und Lilli beschloß, teils einem dunklen Drange, teils ihrer verzweifelten Lage folgend, ihrem Gatten nachzureisen. Geld hatte sie ja, der Papa hatte ihr beim Abschiede eine Rolle Goldstücke in die Hand gedrückt. Lilli seufzte:
„Möchte Gott nur geben, daß ich morgen meinen Fritz finde und nicht noch weiter in der Welt umherirren müßte."
Glücklicherweise war ihr die Tour nach Thüringen nicht ganz unbekannt, vor zwei Jahren hatte sie mit ihrem Vater eine Reise dorthin gemacht, in dem reizenden F. hatten sic sich mehrere Tage aufgehalten und dort würde ja auch wohl Fritz vorläufig geblieben sein, hoffte sie. Ob er sich wohl freuen würde, wenn er sie wiedersah? Ob er ihr verzeihen würde? fragte sie sich dann immer wieder. Ach, sie wollte ja alles thun, sie wollte ein wahres Muster einer Gattin und Haus-