jenigen, welche über die Bedürfnissrage in Bezug auf Einrichtung einer Arbciter- kolonie unter süddeutschen Verhältnissen, und infolge dessen auch über die Existenz­fähigkeit der Anstalt Zweifel gehegt haben, zu zeigen, daß die Kolonie nicht allein existiert, sondern auch existenzfähig ist. Der Bericht bespricht die verschiedenen Be­denken, welche gegen die Einrichtungen von Arbeiterkolonien früher gehört worden sind und widerlegt dieselben auf Gruud der gemachten Erfahrungen. Er schildert dann eingehend das Leben der Kolonisten auf dem Dornahofe und bringt Beispiele über die Wirkungen des Aufenthalts in der Kolonie auf einzelne derselben. Es sind dies Lichtblicke in den täglichen Er­fahrungen, welche allein schon reichlich ent­schädigen für so manche Enttäuschungen, welche ja unmöglich ausbleibcn können. Der Bericht widerlegt in eingehender Weise die Besorgnis, es könnte auf der Kolonie, namentlich im Winter, an Arbeitsgelegen­heit fehlen, und glaubt mit gutem Gewissen die Versicherung geben zu können, daß die Kolonisten stets zu strenger Arbeit ange­halten werden und damit der erste Zweck einer Arbeiterkolonie auch wirklich erfüllt wird.

Zu der in diesem Herbst stattfindenden Prüfung evangelischer und israelitischer Lehrer ist für die Kandidaten aus den Generalaten Reutlingen und Tübingen der 19. bis 22. November bestimmt.

Stuttgart, 16. Sept. Nach dem Kriegerkalenderfür 1885" zählt derWürtt. Kriegerbund 681 Militärvereine mit 24 100 aktiven und 8600 passiven Mitgliedern und 455 Fahnen. Das Bereinsvermögen pro 1. Juli 1884 beträgt 54 000 M. und hat um 8216 M. zugenommen.

Stuttgart. In die Kette gemein­nütziger Anstalten hat sich dieser Tage ein neues Glied eingereiht. Es ist das nach dem Vorbild der sog.Kaffee­hallen" in vielen englischen und deutschen Städten errichteteKaffeehaus zum Neckarthor" Cannstatterstraße 127. Das­selbe will jedermann, besonders aber den Gliedern des Arbeiterstandes, erwärmende und erfrischende nicht berauschende Ge­tränke: Kaffee, Thee, Schokolade, Fleisch­brühe, Syphons u. s. w. und die dazu paffenden ganz einfachen Speisen (Eier, belegte Brötchen u. a.) in guter Qualität zu billigem Preis darreichen. Es soll damit keineswegs in der Richtung der ex­tremen Temperenzbestrebungen jeder Ge­nuß von Spirituosen bekämpft, wohl aber dem unnötigen und unmäßigen, kostspieli­gen und gesundheitsschädlichen Verbrauch derselben entgegengearbeitet und zunächst den Arbeitern und anderen Bewohnern dieses Stadtteils Gelegenheit geboten wer­den, zu jeder Tageszeit (auch schon am frühen Morgen) sich mit Getränken ande­rer Art zu versorgen. Das Lokal mit seinem Inventar ist so freundlich und hübsch, daß wohl gehofft werden darf, dasselbe werde, zusammen mit der Güte des Dargebotenen und mit der gewissen­haften und aufmerksamen Bedienung, für die Sorge getragen ist, eine Anziehungs­kraft ausüben und dem Kaffeehaus viele Freunde gewinnen. Dem ersten sollen bald in anderen Stadtteilen ähnliche Kaf-

fehäuser folgen. Freilich sind dazu be­deutende Mittel nötig, wie denn schon die Errichtung dieses Erstlings nicht ohne an­sehnliche Opfer geschehen konnte. Wir erwähnen hier dankbar, daß Ihre Majestät die Königin durch einen reichen Beitrag das Werk gefördert und Ihr hohes Inter­esse an demselben ausgedrückt hat.

Obernd orf, 17. Sepr. Die Mauser- sche Waffenfabrik zieht nach wie vor die verschiedensten Nationalitäten hieher. Heute stattete der japancsische Kriegsminister mit zwei Artillerieoffizieren der Fabrik einen Besuch ab. Die Herren machten eine Militär - wissenschaftliche Inspektionsreise durch Europa; sie sind europäisch gekleidet und bedienen sich der französischen Sprache.

Schrozberg, 18. Sept. Der hiesige Lokalverein des deutschen Vereins für württ. Franken hielt gestern eine Ver­sammlung, in der Gastwirt Himmelein aus Philadelphia, ein geborener Schrozberger, in einer feurigen Rede Deutschland ver­herrlichte und namentlich hervorhob, daß auch die Deutschen im Auslande allen Grund haben, sich der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches und seiner Macht und Größe zu freuen, da sie nicht zum geringsten Teil die Segnungen derselben zu genießen haben, indem dem Deutschen nun allerorts, anstatt daß er wie früher Spott erntete, große Achtung gezollt werde. Zugleich wurde von sämtlichen Anwesen­den eine Adresse unterzeichnet, in der sie sich zum rückhaltlosen Anschluß an die Resolution des deutschen Kolonialvereins, betr. die Dampfersubventionen, erklärten.

Auf der Jagd in Musberg wurde heute ein Bierzehnender erlegt, der mehr als 3 Ctr. schwer ist.

Althen gstett, 17. Sept. Gestern abend ist Haus und Scheuer des Bauern Süßer niedergebrannt. Das Feuer ent­stand dadurch, daß Buben ein Wespennest an der Scheuer ausbrennen wollten.

Der Bienenzüchter-Verein an der Mittlern Enz versammelt sich Sonntag, 21. Septbr. mittags imOchsen" inJllingen. Alle Freunde der Bienenzucht sind dabei willkommen.

Neuenbürg. An einem jungen Apfelbüumchen in den Hausäckern, dem Chrn. Rauser gehörig, befinden sich neben reifen Früchten etliche 20 schöne Blüten.

Ausland.

Moskau, 18. Sept. In dem Gou­vernement Saratow und Kasan ist Schnee gefallen und Kälte eingetreten. Auch aus dem Gouvernement Oreuburg wird Schnee­sturm uud Frost gemeldet. Infolge be­ständigen Rcgenwettcrs ist viel Getreide uneingcerntet auf den Feldern geblieben.

Mi-yellen.

Geprüfte Kerzen.

Novelle von F- Stöckert.

(Fortsetzung.)

Eine Fahrgelegenheit war nirgends zu erblicken, außer dem Bahnbcamten, der mürrisch vor dem Stationshause stand und die junge Reisende mit mißtrauischen Blicken musterte, war überhaupt nirgends ein le­bendes Wesen zu sehen. Ein Bild der Ver­lassenheit, stand die junge Frau auf dem schmalen Fußweg, der sich zwischen grünen

Wiesen schlängelte, lieber ihr spannte sich ein blauer wolkenloser Himmel aus, zu ihren Füßen blühten bunte Wiesenblumen, die Welt war hier so schön.

Ein älterer Herr kam jetzt des Wegs daher, schüchtern fragte Lilli denselben, wie weit es noch bis zum Gute Feldheim wäre?

Verwundert blickte dieser sie an.Nach dem Schlosse wollen das Fräulein? Da ist Niemand zu Haus, die Herrschaften sind auf der Hochzeitsreise."

Lilli sah verwirrt aus.Auf der Hoch­zeitsreise", stammelte sie.

Ja, auf der Hochzeitsreise, ich selbst habe die Herrschaften gestern nach dem Bahnhof gefahren, ich bin nämlich der Kut­scher des Herrn Wellbach, nach Thüringen, glaube ich, ist die Reise gegangen."

Aber das ist ja nicht wahr, das kann ja nicht wahr sein! Schämen Sie sich denn gar nicht, Sie alter Mann, so zu lügen. Ich müßte doch dabei sein, wenn mein sie zögerte etwas, aber dann brachte sie es doch ganz kühn über die Lippen wenn mein Mann eine Hochzeitsreise macht."

Was Sie Sie, wollen die gnädige Frau" stotterte der Kutscher verblüfft.

Lilli stampfte zornig mit dem Fuß auf. Ja, ich, ich bin Frau Wellbach."

Herr Gott, wirklich, Sie sind die gnädige Frau! Na das ist eine schöne Geschichte. Wenn Sie es denn wirklich sind, dann kann ich es Ihnen ja auch sagen, auf dem Schlosse habe ich reinen Mund gehalten, da weiß es Keiner."

Was ist denn passiert, wo ist mein Mann, er war so böse!" rief Lilli angstvoll.

Ja, böse schien er, als er in die Kutsche sprang und mir zurief: Nach der Bahn, Werner! Die Pferde jagten dann nur so durch die Straßen.

Herr Gott, sie sind doch nicht durch­gegangen, die Kutsche ist umgeschlagen und Fritz"

Nee, gnädige Frau, wir sind glück­lich und unversehrt auf dem Bahnhof an­gekommen. Da löste sich denn der gnä­dige Herr ein Billet und sagte zu mir: Werner, sagte er, nun fahren sie direkt nach Feldheim, dort sagen Sie dem Ver­walter und der Mamsell, wir hätten uns noch in der letzten Stunde zu einer Hoch­zeitsreise entschlossen.

Auf dem Schlosse machten sie natür­lich lange Gesichter, es war alles zum Empfang vorbereitet, großartig schön war es. Ucberall Guirlanden, Kränze und Bouquets, die ganze Schuljugend war auf- marschirt. Der Herr Verwalter, wie ein Bräutigam selber, im Frack und weißer Kravatte, die Mamsell im Schleppkleide, ein Rosenbouquet in der Hand, standen beide knixend und sich verbeugend auf der Freitreppe, als ich vorbeifuhr. Na, ich richtete dann die Bestellung des gnädigen Herrn aus und behielt meine Gedanken für mich. Daß die Sache mit der Hoch­zeitsreise nicht in Ordnung war, das war mir klar, so sieht kein Hochzeitsreisender aus, wie mein armer Herr aussah."

Wie sah er denn aus?" forschte Lilli kleinlaut.

Ach Fräulein gnädige Frau wollte ich sagen, er sah aus wie einer, dem