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splittcrung ein Ende gemacht werden. Zu unterstützen seien alle auf die Macht, den Wohlstand und das Ansehen des Reichs gerichteten Bestrebungen des Reichs­kanzlers, ferner seine sozialen Reformen und etwaige durch die Notlage einzelner Bc- rufszweige gebotenen Gesetzesänderungcn. Auch dem sogenannten Kulturkämpfe müsse ein Ende gemacht werden, indem man das gewähre, um berechtigte Klagen unserer katholischen Mitbürger zu befriedigen, doch dürfe man nicht der leider vom Jesuitis­mus über die Gebühr geleiteten katholischen Hierarchie Konzessionen machen, die der Staatsoberhoheit znwiderlicfen.

Berlin, 17. Sept. Aus Hamburg wird mitgeteilt, daß seitens der Herren Graf Pfeil und Dr. Peter eine Expedition für die Südostküste Afrikas ausgerüstet wird, woselbst der Gras Pfeil sich mehrere Jahre aufgehalten und Land erworben hat.

Aus Baden, 17. Sept. Bezüglich des ans dem Widderstein verunglückten Professor Dreikorn von Mannheim wird vermutet, der Tod werde durch Ver­hungern oder Erfrieren, möglicher Weise auch durch Verblutung eingetretcn sein. Die Lage des Leichsnams, die Hände waren tief in den Grasboden eingegraben, deutet auf einen schweren Todeskampf. In das bei der Leiche aufgefundene Notizbuch hatte der Verunglückte, im vollen Bewußtsein seiner entsetzlichen Lage, seiner Gattin und seiner hochbetagten Mutter die letzten Grüße eingeschrieben. Die Teilnahme an dem erschütternden Ereignis ist allgemein.

Baden, 16. Sept. Unsere amtliche Fremdenliste zählt bis heute 45 075 Per­sonen, unter welchen man viele Personen der höheren Gesellschaft findet. Die Stadt dürfte sich, wie man hört, in diesem Jahre einer guten Wintersaisvn zu er­freuen haben.

Pforzheim. Von den Erben des kürzlich verstorbenen Hrn. Christof Becker sind u. a. dem hiesigen Kirchengemeindcrat 10 000 zum Ausbau der Türme unserer Schloßkirche zugewendet worden.

Pforzheim. Der Gartenbauverein veranstaltet auf den 4. und 5. Oktober eine Obst- und Gemüseausstellung.

Neuerdings wieder sind Klagen über Belästigung unseres Landvolks durch her- umziehende Zigeunerbanden zu lesen. Am meisten haben darunter einzelnstehende Höfe zu leiden.

Sigmaringen, 14. Septbr. Ein äußerst schmerzliches Unglück hat heute eine hiesige Familie betroffen. Der Kinder­wagen, in dem sich der 1'/-jährige Knabe derselben befand, stürzte, in Folge mangel­hafter Beaufsichtigung, die Böschung an der Donau hinab und schleuderte das arme Kind in den Fluß, aus dem es leider erst als Leiche herausgeholt werden konnte. Der Jammer der unglücklichen Eltern ist natürlich groß.

Württemberg.

(Zur Statistik der evang. Landeskirche in Württemberg im Iahr 1 8 8 3.)

Nach einer auf Grund von pfarramt- lichen Aufzeichnungen gefertigten Zu­sammenstellung wurden im Kalenderjahr 1883 49 925 Kinder evangelischer Eltern

geboren, darunter außerehelich 8,60 "/». Von diesen wurden getauft 48 711 97,57 Prozent. Ungetauft blieben 4214 2,43 Prozent.

Ehen wurden geschlossen 8862 und zwar rein evangelische 8215, gemischte 647. Hievon wurden kirchlich getraut 8651 97,62 Prozent und zwar von rein evan­gelischen Paaren 8078, von gemischten 573. Bon den gemischten Paaren wurden evangelisch getraut 392, katholisch 181. Ohne kirchliche Trauung blieben 211 Ehen 2,38 Prozent. Abgesehen von der Hauptstadt Stuttgart beträgt der Landes­durchschnitt der ohne kirchliche Trauung gebliebenen Ehen 0,96 Prozent.

Gestorben sind 33 461 evangelische Ge­meindeglieder. Davon wurden kirchlich beerdigt 27 512 82,22 Prozent.

Konfirmiert wurden 29 228 Kinder, darunter 462 ans gemischten Ehen.

Die Zahl der Kommunikanten belief sich aus auf 730 664. Aus 100 Evange­lische kamen im Verhältnis zur evange­lischen Gesamtbevölkerung 53,66 Kom­munikanten.

Uebertritte zur evangelischen Kirche fanden statt 100 und zwar von Katholiken 34, Dissidenten 65, Israeliten 1. Aus­getreten sind 218 Personen und zwar zur katholischen Kirche 45, zu den Dissi­denten 173.

Der Gesamtertrag der für besondere kirchliche Zwecke angeordneten Kollekten berechnet sich auf 67 064

In Stuttgart hatte ein Spekulant einen Vertrag mit der Uhlbacher Eisfabrik auf Lieferung von 100 000 Zentnern zu 29 ^ per Ztr. abgeschlossen. Da Eisnot entstand, verkaufte er den Ztr. an Brauer, Metzger und Wirte zu 3 -M, an Privat­leute zu 5 und machte einen Gewinn von mehr als 200 000 ^

Die Infanterie-Kaserne zu Stuttgart wird mit einer neuen Kanalisierung ver­sehen , nach dem städtischen Röhrensystem, auch werden die Abtritte sämtlich aus dem Hauptgebäude in die Nebengebäude ver­legt und es erfolgt außerdem eine voll­ständige Desinfizierung aller verdächtigen Räumlichkeiten.

Die Zwetschgen, welche Heuer in verschiedenen Gegenden teils sehr sparsam Vorkommen, teils ganz fehlen, sind auf dem Stuttgarter Wochcnmarkt in großer Menge zugeführt. Dieselben kommen aus Baden und der Bayrischen Pfalz, hauptsächlich aber aus der Gegend von Herrcnberg, wo sie in seltener Fülle und prächtig geraten sind. Der Preis stellt sich auf 7-10 ^ pr. Psd.

Cannstatt, 17. Sept. Ein unüber­sehbarer Leichenzng bewegte sich heute mittag 4 Uhr von dcr Badstraßc nach dem Uffkirchhof, um dem so unerwartet aus dem Leben geschiedenen Geheimrat von Dil len ins die letzte Ehre zu erweisen.

Reutlingen, 17. September. Am Montag abend wollte die Frau eines hie­sigen Bürgers das Abfalllanb vom Hopscn- pflücken durch das Garbenloch in die Scheune werfen und siel dabei selbst hinab. Un­glücklicherweise stand die Stallthür offen, ans welche sie auffiel; sie wurde innerlich so verletzt, daß wenig Hoffnung auf Rettung vorhanden ist. Die Verunglückte war eine fleißige, tüchtige Hausfrau und Mutter.

Bom Fränkischcn, 16. Sept. Dem Kaufmann L. von Hclmb recht in Baiern erkrankte ein Stück Vieh, weswegen er dasselbe schlachten ließ. Als das Tier aus­genommen wurde, konstatierte der Bczirks- arzt von Münchberg, daß dasselbe vom Milzbrände befallen gewesen sei; daher wurde der Kadaver verscharrt und Stall­sperre verfügt. Sämtliche beim Schlachten beteiligten Personen erkrankten durch Pusteln an Händen und Armen. Der Bezirks­tierarzt und ein Metzger sind bereits an Blutvergiftung gestorben, während die anderen und der die Kranken behandelnde Arzt noch lebensgefährlich darniederliegen.

(St.-Anz.l

Heilbronn, 17. Septbr. Bis jetzt sind im städtischen Bauhof 170 000 auf der hiesigen Markung erlegte Mäuse ab­geliefert worden.

Herrcnberg, 13. Septbr. Heute wurde die Schlußprüsung der hies. Hans- haltungssehule vorgenommen, welche ein sehr günstiges Resultat lieferte.

Oesterreich.

Wien, 17. Septbr. Wie verlautet, dürfte der Kaiser anläßlich der Eröffnung der Arlbcrgbahn am Sonntag dem Groß­herzog von Baden auf der Insel Mainau und dem König von Württemberg in Friedrichshasen einen Besuch abstatten.

kJ. J-)

Pilsen, 15. Sept. Gestern fand in Nebrfchem auf Schönbornschem Revier eiue Jagd statt, welche einen tragischen Aus­gang nahm. Ein Adjunkt schoß die junge Gräfin Therese Korff-Schmising-Kerssen- brock, geborene Lazansky aus unmittel­barer Nähe au und verletzte sic schwer im Unterleibc. In dem infolge dessen ent­standenen Tumnlt handhabte ein Straßen- rüumer sein Gewehr so unglücklich, daß dasselbe losging, die Ladung seinen Kopf durchbohrte und er sofort tot blieb. Acht Pilsener Aerztc und mehrere Prager Pro­fessoren wurden an das Krankenlager der schwer verwundeten Gräfin berufen. (Ist inzwischen verschieden.)

Ausland.

Paris, 15. Sept. Papst Leo XIII. sandte unverzüglich nach der Anzeige der Geburt des neuen Prinzen von Orleans dem Neugeborenen, der Mutter und dem Vater seinen Segen. In Erwiderung dessen stellte der Graf von Paris dem päpstlichen Nuntius 10 000 Frcs. als Peterspfcnnig für den heiligen Vater zu.

Der lenkbare Luftballon inParis hat bei seiner Probefahrt Fiasko gemacht.

Die Weinernteberichte aus Frank­reich lauten fortwährend sehr günstig hinsichtlich der zu erwartenden Qualität, dagegen mißlich in Betreff der Quantität, die so ziemlich überall den Betrag einer mittleren Ernte nicht erreichen wird. Es gilt dies sowohl von Südfrankreich wie von Burgund und Beaujolais.

In einer deutsch-amerikanischen Zeitung enthielt jüngst eine einzige Nummer gegen 200Empfehlungen von deutschenBrauereien, Hotels, Gast- und Boardinghänscrn, Wein-, Liqucnr- und Lagerbier-Salons, Bar- und Lunch-rooms w., die meistens in den Hän­den von Württembergcrn sind. Letztere sangen übrigens an, deutsche Benennungen für ihre Wirtschaften zu wählen (Württem- berger Hof",Schwäbische Bierhalle",