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mid Mörder! Vater," setzte sic feierlich hinzu,besudele deine Hände nicht, in dieser Nacht nicht, mit dem Blut eines Mensche», sonst bin ich dein Kind nicht mehr. Ich will darben und hungern, und auf meinen Händen durch die Welt kriechen, aber nicht das Brot essen eines Ver­brechers."

Schafft die Dirne fort," rief Einer, frecher als die Uebrigcn,sie verrät uns mit ihrem albernen Geplärre!"

Gehe, Kind," mahnte Niels besänf­tigend,du bist uns hier im Wege."

Ich gehe nicht!" ries Margarethe, und hing sich an des Vaters Arm,ich lasse dich nicht los."

In diesem Augenblick trat ein unver­mutetes Ereignis ein. Die Boote hatten sich unterdeß der Küste genähert. Ein Mann stand in dem vordersten aufrecht, und zeigte anscheinend den Uebrigen die Richtung. Kaum war dieses dem Lande auf zwei Ellen nahe, als er die Insulaner dem Ufer zueilen sah.

Wie ich dachte!" rief er laut.Gebt Feuer! Schießt die Schurken nieder!"

Eine Gewehrsalve krachte, noch ehe Einer der Strandräuber seine Pistole abgc- schossen. Ein jämmerliches Stöhnen zeigte, daß die Kugeln getroffen. Die eine Hälfte der Räuber war tot oder verwundet nieder­gesunken, die Uebrigen ergriffen entsetzt die Flucht.

Unter den Zurückgebliebenen war Mar­garethe. Sie war ihrem Vater bis an den Strand gefolgt, nun kniete sic neben dem Schwerverwnndeten, der, von zwei Kugeln getroffen, wie entseelt am Boden lag.

Du hattest Recht, Mädchen," stöhnte Niels;jetzt, merk' ich, ist es zu spät, ich fühl' es, das Hab' ich verdient."

Es ist besser," seufzte Margarethe, daß du hier liegst, als wenn du deine Hände mit dem Blut dieser wunderbar geretteten Schiffbrüchigen besudelt hättest."

Sprichst du so, Weib?" fragte eine tiefe Stimme neben dem Mädchen,dann gehörst du nicht zu dieser Bande. Ich kannte ihren Schlupfwinkel wohl, und steuerte gerade darauf zu, vollkommen aus einen Angriff vorbereitet. Sie sollen zum letzten Mal auf Plünderung und Raub ausgegangen sein."

Margarethe sah erschrocken auf. Der Mann neben ihr war ein Fremder, hoch­gewachsen und breitschulterig, daS gebräunte Antlitz zeichnete den erfahrenen Seemann. In einiger Entfernung standen seine Ge­fährten.

Mein gutes Mäochen," fuhr der Fremde fort,wir sind kalt und durch­näßt, führe uns unter ein Obdach, dir dürfen wir vertrauen."

Ja," entgegnete Margarethe,das dürft ihr, und was ihr begehret, soll euch werden. Aber hebt meinen Vater auf, der hier liegt, ich fürchte mit dem Tode ringend, und tragt ihn in seine Wohnung."

(Schluß folgt.)

Die Hrodukle des Meeres.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Den Vorrang behauptet aber in unfern nördlichen Meeren der Hering und welche Bedeutung dieser Fisch namentlich für

unsere mittleren und unteren Bevölkerungs­klassen hat, geht schon aus der Thatsache hervor, daß im Jahre 1882 allein für 52,800,000 gesalzene Heringe in das deutsche Zollgebiet importiert wurden. Da wir einmal bei dem statistischen Kapitel angelangt sind, so wollen wir gleich noch einige der frappantesten Daten aus dem Fischerei-Betrieb mitteilcn. So werden täglich auf den berühmten Londoner Fisch­markt zu Villingsgate ca. 8000 Zentner frische Fische gebracht und übersteigt der Gesamtwert der britischen Seefischereien überhaupt jährlich 500 Millionen Mark. Die klimatisch so ungünstig gestellte Be­völkerung von Norwegen erzielt aus der Ausfuhr von Fischerei-Produkten einen jährlichen Ertrag von 50 Millionen Mark, Frankreich erzielt jährlich 70 Millionen, Rußland die gleiche Summe und Italic» 40 Millionen aus der Seefischerei. Trotz dieser namhaften Zahlen wird die Fisch­nahrung bei einem großen Teile der Be­völkerung , hauptsächlich in Deutschland, noch lauge nicht ihrem wahren Werte nach gewürdigt. Die neuesten wissenschaftlichen Untersuchungen haben uachgewiesen, daß in 100 Teilen Fischflcisch 1213 Prozent blutbildende, kraftcrzeugcnde Bestandteile enthalten sind, also um nur 5 Prozent weniger als im Ochseufleffch, dagegen um 45 Prozent mehr Nährwert als im Waizcnbrod. Dabei kostet aber von letzterem das Pfund durchschnittlich 70 bis 80 L., während sich selbst im Kleinhandel z. B. das Pfund Dorsch nur auf 25 bis 30 ^ stellt, hoffentlich findet die ebenso billige, als schmackhafte und nahrhafte Fischnah­rung in Zukunft noch eine größere Be­deutung als jetzt. Auch die Meere der südlichen Zonen enthalten kolossale Massen von Fischen, die jedoch auf den europäi­schen Märkten aus naheliegenden Gründen so gut wie unbekannt sind.

Neben dem Fischreichtumc, diesem seinem hauptsächlichsten Produkte, bietet uns das Meer in seinen Krustenticren und Mol­lusken ebenfalls sehr schätzenswerte Nah­rungsmittel dar, wenn dieselbe auch mehr die Rolle von Delikatessen spielen, deren Genuß sich der Minderbemittelte nur nach Maßgabe seines Geldbeutels verschaffen kann. Aus der Reihe der erstercn bilden Hummern, von denen allein in der Nord­see und im Kanal jährlich 5 Millionen Stück gefangen werden sollen, von letzteren die Austern einen Leckerbissen auf der Tafel der Gourmands. Der Verbrauch dieser schmackhaften Schalentiere hat sich in den letzten Jahren bedeutend gesteigert, besonders groß ist derselbe aber in Nord­amerika, wo die Austcrbünke eine Gesamt­länge von 3000 englischen Meilen haben, speziell der Austerhandcl New-Aorks wird jährlich ans 100 Millionen Dollars ge­schätzt. Endlich stellt auch die Klasse der MccrcSreptilien in den Schildkröten einen willkommenen Beitrag zur Tafel des Fein­schmeckers und Schildkrötensuppe erfreut sich einer eben solchen Beliebtheit wie Hummersalat und Austern. Das Tierreich des Meeres gewährt dem Menschen auch in anderer Beziehung großen Nutzen. So liefern der Pottwal und der Finnfisch, das Walrath und die Ambra, der Walfisch den Thran und das Fischbein. Das Fell der Seehunde giebt ein zähes Leder und die

Knochen mehrerer anderer Seesäugetiere werden sogar zu einer Art Elfenbein ver­arbeitet. Die Haut des Haifisches giebt einen sehr dauerhaften Ueberzug für Koffer u. s. w., ebenso diejenige des Sägefisches, die Schalen der Austern und Schildkröten finden in der Technik mannigfache Ver­wendung und so könnten wir dieses Capitel noch lang ausdehnen.

(Schluß folgt.)

Ein künstliches Gesicht. In Javrot bei Landrecies im Norddepartemcnt lebt so erzählt man der Voss. Z. aus Paris der frühere Artillerist Joseph Moreau, welcher während des deutsch- französischen Krieges wohl die schrecklichste aller Verwundungen erlitten hat, deren Heilung gelungen ist. Ein Granatsplitter riß ihm am 3. Januar 1871 bei Bapaume, rechts von oben kommend, das ganze Ge­sicht weg; Augen, Nase und Oberkiefer waren zerrissen, der Unterkiefer verrenkt. Man ließ ihn für tot liegen. Eine halbe Stunde später stand er jedoch von selbst auf, und da das linke Auge noch einen Rest Sehvermögen zeigte, kam er, öfters fallend und auf den Knieen rutschend, bis Ervillers. Am folgenden Tage ließ ihn ein Oberst nach Arras fahren und ins Lazareth bringen, wo er erst am 4. Oktober entlassen werden konnte. Während dieser neun Monate war die Vernarbung nicht vollständig geworden. Man schaffte Moreau nach dem Lazareth Val de Grace in Paris, wo er bis zum 26. März 1872 blieb. Hier wurde er sorgfältig gepflegt und Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Er­örterungen. Im April wurde er als vollständig geheilt" entlassen. Diese traurige Vollständigkeit besteht darin, daß man ihm ein künstliches Gesicht aufgesetzt hat. Da alle Weichteile seines Gesichts durch die Granate abgerissen und sogar die Knochenteile vielfach gequetscht worden waren, glich das Antlitz fast einem Toten­kopfe: zwei leere Augenhöhlen, eine Höhle an Stelle der Nase und ein offener Mund. Hierauf hat man eine Wachsmaske ange­legt, welche alle fehlenden Teile begreift. Der Zahnkünstler Delalain legte einen künstlichen Gaumen an, um das Gebiß des Oberkiefers wieder hcrzustellcn. Die Maske paßte ganz genau, die Augen der­selben sind geschlossen; sie hält sehr fest, besonders da allmülig an ihrem Rande eine kleine Hautwulst angewachsen ist. Der Patient atmet durch die Löcher der falschen Nase; in den inneren Augen­winkeln der Maske sind zwei kleine Luft­löcher angebracht. Die Höhlung bei der Nase ist mit Charpic unterlegt, um die innere Nasenhaut zu schützen. Ein kleines Schwämmchen nimmt den Nasenschleim auf und verhindert das Eindringen fremder Körper. Alle Funktionen sind jetzt ge­sichert. Moreau atmet frei, ißt ohne Be­schwerde, vermag selbst Hartes zu beißen, spricht so deutlich wie früher, riecht, ver­mag sogar Flöte zu spielen. Er erfreut sich jetzt vollständiger Gesundheit, erzählt bereitwillig seine Erlebnisse und bethätigt die allen Blinden eigene Ergebung in sein Schicksal. Sein Gehör und besonders der Tastsinn und das Gefühl haben sich außer­ordentlich entwickelt; von weit und breit kommen Leute, um ihn zu besuchen. Er