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Lübeck mit folgender Widmung gesandt: Fahr wohl! An Deines Hügels Rand steht trauernd auch das Schwabenland. Fahr wohl!

Ueber die Dauer des heurigen Stutt­garter Pferdemarktes, und zwar bezüglich des Transportes nach Stuttgart tritt auf die Zeit vom 17. bis einschließlich 22. April, hinsichtlich des Transports ab Stuttgart auf die Zeit vom 21. bis einschließlich 30. April für die Beförderung von Pferden in Güterwagen (nicht aber auch in soge­nannten Stallwagen) eine Taxermäßigung in der Weise in Wirksamkeit, daß bei Be­nützung von Pcrsonenzügen von der Be­rechnung des hierfür vorgeschriebenen Zu­schlages von 50 °/o abgesehen wird. Auch ist die Annahme von Pferden zum Trans­port nach Stuttgart auf den württem- bergischen Eisenbahnstationen am Sonntag den 20. April d. I. ausnahmsweise znge- lassen.

Stuttgart, 15. April. Der Bau der neuen Jnfanteriekaserne (Moltkcstraße) ist jetzt so weit gediehen, daß mit dem Abschluß der unterirdischen Magazins­räumlichkeiten auch mit dem Taggemäner der Anfang gemacht werden kann. Es kommen eigentümlich geformte, konisch zu­gespitzte Backsteine zur Verwendung. An fertigen Quadern steht ein sehr umfäng­liches Material zur Verfügung. Sobald man einmal so weit ist, wird der Bau einen raschen Verlauf nehmen.

Miszellen.

Die neue Gouvernante.

Novelle von Emil Mario Vacano.

(Fortsetzung.)

8. Kapitel. Wetterleuchten.

Am andern Tage war es im Vergleich totenstill geworden im Schlosse.Alle Welt" war fort, wie der Franzose sagt. Und Graf Aquilin und Fürst Muresti waren auf der Jagd seit erster Frühe, mit einigen Treibern und den Jäger­burschen, an deren Spitze der alte Lipp stand.

Das Leben im Schlosse gieng auch seinen gewohnten Gang. In aller Frühe schon holte der.Bediente die Briefe und Zeitungen von Reitenburg herüber. Unter diesen Briefen befand sich auch einer an die Gräfin Nesti von ihrer guten Freundin Helorsen. Der Brief war penetrant parfümirt mit Eßbouquet-Jris und lautete:

Ollorio IWsti! Ich beeile mich, Dir für den gestrigen vergnügten Nachmittag zu danken. Die beiden Schneegänse waren köstlich. Den neuen viclgerühmten italie­nischen Lieutenant hätte ich mir galanter und interessanter vorgestellt, er verkroch sich ja stets. Aber weshalb ich Dir eigent­lich jetzt noch in der Nacht schreibe, ist Folgendes. Ihr habt den schwarzen Fürsten von der Moldau auf dem Schlosse be­halten, d. h. er lud sich bei Deinem Manne für die Jagd ein. Nun denn, weißt Du, was mir Graf Seeberg auf dem Heimwege erzählte? Der Moldauer ist sterblich ver­liebt in Dich. Er sagte dem Seeberg, er müsse närrisch werden, wenn er nicht wenigstens eine kleine Amourette anspinnen könne mit Dir. Und er wolle versuchen, durch irgend ein Mittel als Gast auf dem Schlosse zu bleiben. Und richtig gelang

es ihm. Seeberg erzählte mir dies lachend, daher halte ich es für Freundschastspflicht, Dich davon zu benachrichtigen, damit Du weißt, wie Du Dich zu verhalten hast gegen den schrecklich schönen Menschen. Du kannst jetzt ganz gut Deinen Spaß haben mit ihm, oder wenn er Dir zu gefährlich dünkt für Deine Ruhe, ihn fort­bringen. Ich habe das Meinige gethan, indem ich Dir sage: II rakkollo cko toi. Ich beneide Dich um Deine interessante Situation. In aller Eile, denn ich habe schon die Lockenwickel aufgedreht und bin schläfrig wie ein Murmeltier aus Savoyen, lonte ö. toi, ellorio

Helene Helorsen."

Gräfin Nesti las diesen Brief an der Toilette, während die Kammerjungfer ihr das Haar ordnete. Die schöne, zarte Gräfin sah mädchenhafter und durchsichtiger aus als je in ihrem weißen, wolkigen Battist-Deshabille. Sie las den Brief mit der ihr eigenen lächelnden Ruhe. Sie warf beim Lesen dann und wann einen Blick in den Spiegel, um ihre Coiffüre zu überwachen und zugleich zu scheu, ob die Jungfer sich nicht vielleicht erkühne, sie beim Lesen zu beobachten, oder auf den Brief zu schielen. Nachdem sie die Lektüre vollendet hatte, faltete sie das Billet zusammen, hielt es eine Sekunde hindurch an ihr Näschen und zerriß dann das feine Papier mit ihren weißen Fingern in viele, viele Fetzchen, gleichsam um zu spielen. Ehe die Toilette der Gräfin ge­endet war, kam auch die Gouvernante und meldete, Comtesse Mirza habe sich gestern den Schnupfen geholt, einen zwar heftigen, aber gefahrlosen Schnupfen. Die Mama ordnete von ihrem Toilettentisch aus an: im Bett bleiben, Thee trinken und keine Stunde halten. Und Fräulein Sekonda sollte mit ihr speisen. Dabei vollendete sie ihre tägliche Toilette mit Hülse ihrer Jungfer, kleidete sich aber nicht an zum Diner, weil die Herren ausbleiben sollten. Sie nahm auch ihr Mittagsmahl auf ihrem Zimmer ein. Und erst um die Gouterzeit, da man die Herren zurücker- wartete, hüllte sie sich in hellgrüne Cache- mirstoffe und ließ die Gouvernante bitten, mit ihr die Chokoladc in ihrem Zimmer einznnehmen.

Die Gouvernante erschien pünktlich aus dem Krankenzimmer oben und meldete der Mama, der Schnupfen sei von der leichtesten Art und Comtesse Mirza brauche nur einige Tage hindurch das Bett zu hüten, wo sie sich mit ihren Puppen und Bilder­büchern köstlich unterhalte.

Gräfin Nesti sagte ihrGott sei Dank!" und klingelte dann mit ihrem Löchelchen an ihrer Tasse herum und plauderte mit Fräulein Sekonda von dem gestrigen Tage und über das große Veilchenbouquct, wel­ches die Gästezusammengesucht" hatten und welches in der Mitte des Tisches stand, und dabei schaute sie manchmal in das Nachmittagslicht hinaus, um zu sehen, ob die Jäger noch nicht heimkehrtcn.Sie wollten doch zur Gouterzcit wieder zurück sein!" sagte sie schmollend und hielt das Lorgnon vor die Augen. Dann setzte sie in ihrer kindischen Weise hinzu:Wozu hätte ich den» Toilette gemacht?" Die Chokolade wurde kalt in den Tassen über dem Gespräch und die Sonne versteckte

sich hinter einer mürrischen Wolke, als der Kammerdiener Tack rasch eintrat. Er schien ängstlich.Gräfliche Gnaden ver­zeihen . . .", sagte er,aber . . ."

Nun, was giebts?" fragte die Gräfin, durch ihr Lorgnon hindurch noch immer auf die Allee hinausblickend.

Es . . . der Jäger Lipp ist zurück­gekommen und hat gesagt, einem der Herren wäre ein Malheur passirt . . .!"

Gräfin Nesti ließ das Lorgnon sinken und schaute mit wirren, großen Augen auf den Diener und rief schrill:Was sagen Sie?"

Die Gouvernante war vom Tisch auf­getaumelt; sie sagte kein Wort, aber sie hielt sich an ihrem Stuhle fest, wie um nicht zu sinken und sie zitterte am ganzen Leibe.

Der Lipp hat so gesagt!" meldete Tack ganz erregt.

Gräfin Nesti ließ ihren Shawl von den Schultern sinken und ihre Stimme bebte vor Ueberraschung, wie sie fragte: Ein Malheur! Wem? Doch nicht dem Fürsten Muresti?"

Doch nicht dem Grafen?" rief die Gouvernante aus, unwillkürlich, außer sich. Die Gräfin schaute sie scharf, zornig an. Lassen Sie doch Tack sprechen!" sagte sie hart.Nun?"

Ich weiß nicht wem. Der Lipp war ganz verwirrt, er kam nur in die Küche gelaufen und packte zwei, drei Servietten, die er in Wasser tauchte uud sagte atem­los:Es ist ihm ein Malheur passirt", und lief wieder dem Walde zu und rief, zwei Bediente sollten ihm nachlausen. Weiter weiß ich nichts."

Es ist gut," sagte die Gräfin und erhob sich nervös.Ich gehe ans mein Zimmer. Schicken Sie sogleich alle Hülfe, die nötig ist, und vor Allem einen Men­schen, der mir rasch Nachricht bringt . . . Aber so gehen Sie doch!"

Tack entfernte sich und die Gräfin trank ein Glas Wasser auf einen Zug leer. Dann schritt sie hinter dem Tisch hervor.Geben Sie mir den Arm, Fräu­lein", sagte sie kurz atmend.Mir ist so schwach vor Schrecken. Mein Gott...!"

Die Gouvernante eilte wankend und totenbleich an ihre Seite. Die beiden Frauen standen einen Augenblick neben einander geschmiegt, die zwei Freundinnen. Der Herr Graf wird vielleicht gefallen sein. Man gleitet so leicht aus in diesem Wetter!" rief die Gouvernante mit zitternder Stimme, wie um sich selber zu beruhigen.Es ist ja nicht möglich, daß so rasch ein Unglück eintritt! Was soll man denn thun? O Gott, o Gott!" Und da sie es nicht mehr vermochte, ihre Angst zu bewältigen, ließ sie den Arni der Gräfin wieder los und faltetejsdie Hände und eilte ans Fenster, und Alles um sich herum vergessend, brach sie in Thränen aus und schluchzte in höchstem Entsetzen:Heilige Mutter Gottes, mach, daß ihm nichts geschehen ist!"

Und sie wandte sich wieder zur Gräfin, noch immer im Vergessen aller äußeren Verhältnisse, als ob sie bei einer Schwester Hülfe suchte für ihre eigene innerste Angst. Aber wie ihr verzagender Blick auf Gräfin Nesti traf, da wich sie vor dieser Hülfe zurück. Die Gräfin bot nichts weniger