troffen wurde. Der Wagen hielt sofort: Seligmann, welche ihn begleitete, half ihn ans den Wagen bringen, wobei Laster in seinen Armen starb. Der Leichnam soll einbalsamirt und nach Deutschland überführt werden. (F. I.)
Miszellen.
Das Kreuz.
Krümm,üieschichte von I. D. H. Temme.
(Fortsetzung.)
„Lieber Oheim, sagte er, Sie sind Herr ihrer Handlungen, und wenn Sie durch das, wovon Sie sprachen, wirklich eine Pflicht ihres Gewissens erfüllen wollen, so ehre ich Ihren Entschluß. Ich muß dann aber auch bitten, daß sie uns, ihren anderen Verwandten, das Recht zu Thcil werden lassen, das uns zukommt, das sie uns so lange vvrenthalten haben. Meine Tante, ihre Schwester, lassen sie darben, anstatt ihr das Kapital auszuzahlen, das sie ihr nach dem väterlichen Testamente schuldig sind. Mich haben sie seit dem Tode meines armen Vaters, der früh sterben mußte, hier bei sich als einen Gefangenen, als einen Bedienten, gehalten, anstatt mir zu weiterer Ausbildung zu einer angemessenen Laufbahn die Apanage zu geben, die nur ebenfalls nach jenem Testamente znsteht. Entziehen sie uns nicht mehr unsere Rechte, dann ist ihr Wille frei.
„Der brave Herr Paul sagte das auswendig ganz ruhig, aber im Herzen mochte es ihm doch wohl kochen; seine Stimme zitterte manchmal.
„Der Kranke hatte ihm ebenso ruhig zugehört, und mit seiner kalten Bosheit erwiderte er ihm:
„Ei, du abscheulich frecher Bursch! Also auch mein Kind wollt ihr noch bestehlen, du und meine scheinheilige Schwester? Habt ihr mir nicht schon genug Geld gekostet? Schuldig soll ich euch etwas sein? Ihr habt nichts von mir zu fordern, und ihr bekommt nichts von mir. Meine Schwester, deine saubere Tante, hat mit ihrem Mann, dem Lumpen, der wegen schlechter Streiche aus der Armee gejagt wurde, nur von meiner Gnade, nur von meiner Unterstützung gelebt. Und du — was warst du denn nach dem Tode deines Vaters, der selbst ein Bettler war? Nackt und bloß und ausgehungert warst du, und so nahm ich dich bei mir auf, und ich habe dich gefüttert und erzogen und wie mein eigen Kind gehalten. Dafür bringst du mir heute den Dank, du Range? Achtzehn Jahre lang habe ich dich gefüttert und gekleidet. Ich könnte dir eine Rechnung darüber machen, wenn du Vermögen hättest, oder wenn ich dich wollte in den Schuldthurm setzen lassen. Aber mein Sohn mag es thuu, und er soll es. Geh', Daniel, hole den Pfaffen, und wenn er hier ist, dann hole oben aus der Bibliothek meinen Sohn Adolf und seine Mutter hierher. Ich habe sie kommen lassen, und einstweilen dort hinten ein- quartirt. Geh'!
„Ich mußte gehen.
„Aber vorher hatte ich noch etwas Anderes zu thuu.
„Der Herr Paul stand da kreideweiß; die Lippen hatte er zusammcngebissen; die
Brust ging ihm schwer auf und ab. Mich ergriff ein neuer Schrecken, als ich dies sah. Er ist ein braver gutmüthiger Mensch, aber er hat auch sein heißes Blut. Der alte Herr hatte ihn sein Leben laug nur gehöhnt und mißhandelt; er hatte es ertragen , wenn ihm auch das Blut oft kochte. Nun kam dieses letzte himmelschreiende Unrecht und der bittere Hohn dazu. Mußte es nicht den alten Zorn und Groll in der Brust des jungen Mannes wieder heraufrufcn?
„Ich ging zu ihm; ich führte ihn auf die Seite.
„Lieber, guter Herr Paul, fassen sie sich; machen sie kein Unglück!
„Ich nahm seine Hand; sie war glühend heiß. Er sah mich an mit Augen, die schrecklich aussahen.
„Geh', geh'! sagte er.
„Zum Teufel, geh', ries auch der Kranke.
„Ich ging mit dem schwersten Herzen.
„Ich mußte cs erst bei ihr ausschütten, Christine."
„Ja, Daniel", sagte die Magd betrübt, „ein Unglück gibt es; eS kann nicht aus- bleiben. Wenn nur der arme Herr Paul es nicht anrichtet! Er hat so viele Jahre das Alles hier ertragen mit einer himmlischen Geduld. Aber endlich reißt alle Geduld, und gerade dann, wenn es am nöthigstcn sein sollte. Möge der liebe Gott ihn bewahren."
„Möge er's", sagte der alte Diener.
Er wollte gehen.
„Es ist der schwerste Gang meines Lebens."
„Müßt ihr denn gehen, Daniel?"
„Diener haben zu gehorchen, Christine. Und ist er nicht am Ende sein Sohn?"
„Aber ein schlechter Mensch, den der §derr früher niemals anerkennen wollte, und seine Mutter war immer die verrufenste Person in der Gegend."
Der alte Mann zuckte die Achseln.
Er öffnete die Thür; er blieb mitten in der Thüre stehen.
„Was ist denn das?" rief er.
„Herr des Himmels!" rief die Magd.
Er war leichenblaß geworden.
Sie zitterte am ganzen Körper.
Sie hörten ein lautes schreiendes Reden.
Es war vorn im Schlosse, dort, wo das Krankenzimmer des Herrn lag. ES mußte aus dem Zimmer kommen.
Stimmen sprachen, riefen gegen einander, schnell, heftig, zornig, wie in einem wütheuden Streite.
Die Thür, in der die beiden alten Leute standen, war hinten in dem langen krummen Gange, an dem die Bcdieuten- stnbe lag; weit entfernt von der Treppe, die nach vorn führte. Die Töne da oben konnten daher nur unbestimmt und unverständlich dahin dringen; nicht einmal die Stimmen waren zu unterscheiden. Nur eine glaubten sie zu erkennen.
„Das ist der Herr!" sagte der alte Diener. „Gerade so heiser rief er vorhin."
„Aber mit wem streitet er, Daniel?"
„Es könnte nur der Herr Paul sein; kein Anderer war bei ihm."
„Aber ich erkenne seine Stimme nicht."
„Ich auch nicht. Sie kann es dennoch sein. Man hört hier nicht deutlich."
„Ja, ja, jetzt erkenne ich sie doch; cs ist der junge Herr."
„Dann gibt es doch ein Unglück, Christine; Gott stehe uns allen bei!"
(Fort setzung fo lgt.)
Aus dem deutschen Kostleöerr.
Erinnerungen eines Postbeamten.
Mitgerheilt von Emil Junghans.
(Fortsetzung.)
Besonders die Letzteren konnten sich rühmen, daß er ihnen überall „auf dem Dache saß" und beständig „Etwas am Zeuge zu flicken" suchte. Alle vier Wochen mindestens ein Mal mußten sie vor ihm auf dem Posthofe in Parade antreten und Uniformen, Pferde und Geschirre, vor Allem auch ihre Fertigkeit im Signal- blascn, obwohl dieselbe ihm längst als vorzüglich bekannt war, einer vollkommen militärischen Inspektion unterwerfen. Der Postmeister schien dann allemal ganz in dem ehemaligen Rittmeister aufzugehen, der mit und ohne Grund hierbei Gelegenheit nahm, den „Himmelsakermentern" manches „Schockmillionendonnerwetter" unter dem gewaltigen, mit besonderem Nachdruck gestrichenen Schnnrrbarte hervor auf die lackirten Hüte fahren zu lassen. Sein Hauptaugenmerk war übrigens darauf gerichtet, die unbefugte Mitnahme von Personen und Sachen Seitens der Postillone, welche er in stetem Verdacht hielt, in diesem Punkte nicht „sauber" zu sein, zu verhindern. Die neue Instruktion enthielt in Bezug hierauf ganz besonders strenge Vorschriften, und während er nun auf der einen Seite Alles that, die Postverwaltung von einer Uebertretung des Verbots zu sichern, ließ er auf der andern wieder nichts unversucht, eine solche an oen Tag zu bringen. Nicht nur, daß er deßhalb bei jeder „Musterung" den Postillionen durch Verlesung des betreffenden Artikels aus der Instruktion das Gedächtniß schärfte und dem Zuwiderhandelnden Frevler die sofortige Dienstentlassung auf „Ehrenwort" versprach — er pflegte auch häufig genug im Raum unter dem Bocksitz der vor- fahrcndeu Postwagen höchsteigenhändig nach dem verpönten Futtersacke zu fahnden, den die Postillone für die Rast der Pferde auf der fremden Station noch manchmal mitzuschmuggeln versuchten, und begab sich sogar nicht selten weit vor die Stadt hinaus auf die Landstraße, um sich augenscheinlich zu überzeugen, ob nicht solch ein „verfluchter Kerl" einen „blinden Passagier" unterwegs anfzunehmen gewagt habe und nun vor dem Thore unbemerkt absetzen wollte.
Die Postillone wußten indessen um diese Excursionen des Herrn Postmeisters, und da sic ohnehin ehrliche Leute waren, so fiel lange Zeit nichts vor, was den Argwohn ihres Chefs hätte bestätigen können, bis endlich doch einmal Einer von ihnen, durch seine Gutmüthigkeit verleitet, den Argusaugeu des gestrengen Herrn zum Opfer ward.
Es war dies der Postillon Wenzel, ein junger hübscher Bursch, der ob seines bescheidenen Wesens auf allen Stationen wohlgelittcn, im Besitz der silbernen Ehrentrompete war und auch sonst in pünktlicher Erfüllung seiner Dienstpflicht als Muster eines perfekten Postillons angesehen werden konnte. Seine Virtuosität im Blasen des Posthorns weckte unterwegs die