Gnädiger Herr, Sie sind krank. Da besucht doch eine Schwester den Bruder."

Um mich sterben zu sehen? Sie soll mir nicht vor die Augen kommen. Sie will Geld von mir. Nichts soll sie haben."

Auf einmal besann er sich."

Ah, ah, sagte er, sterben soll sie mich nicht sehen. Aber etwas anderes soll sie sehen; und auch der dumme, freche Bursch soll es sehen, der sie hergehvlt hat. Rufe sie herein, rufe sie herein."

Er sah so schrecklich boshaft aus."

Ich wollte nachsinnen, was er Vor­haben könne."

Die Thür wurde aufgemacht."

Der Herr Paul trat herein."

Er war allein."

Ah, ah, mein lieber Paul, rief ihm der Kranke entgegen, du hattest deinem Onkel eine Ueberraschung zugedacht; ich will dafür dich überraschen. Eine Liebe ist die andere Werth."

Er sah noch boshafter aus."

Der Herr Paul wollte ihm aber ant­worten."

Er ließ ihn nicht zu Worte kommen."

Schweig! Aber, Daniel, komm du einmal her.

Ich trat an seinen Lehnstuhl."

Was befehlen Euer Gnaden?"

Hole den Pastor aus dem Dorfe."

Mir fuhr der Schreck durch alle Glieder. Wir hatten die halbe Stunde vorher von dem Pfarrer, von dem Adolph, von der Trauung gesprochen."

Den Pastor? fragte ich."

Sprach ich nicht deutlich? fragte er. Ich will dir auch sagen, was er soll. Auch dir, mein Herr Neffe. Er soll mich trauen. Ihr meint ja, daß es mit mir an's Sterben gehe, und wenn cs mit dem Menschen an's Sterben geht, dann muß er sich noch zu guter Letzt kehren und gut machen, was er in der Welt Böses gethan hat. Ich habe da einen Sohn; ich habe ihn nicht gehalten wie meinen Sohn, ob­schon er doch nun einmal mein Fleisch und Blut war. Ich muß das wieder gut machen. Er soll mein Erbe, er soll hier Herr werden. Dazu muß der Psaff mich mit seiner Mutter trauen. Sie sind hier. Die Zeugen der Trauung sollt ihr sein. Der Pastor fehlt nur noch. Rufe ihn, Daniel! Ha, sterbe ich dir jetzt zu früh, Paul, mein Neffe?"

Der junge Herr war doch blaß ge­worden.

(Fortsetzung folgt.)

Aus dem deutschen H'ostleöen.

Erinnerungen eines Postbeamten.

Mitgelheilt von Emil Inn gl, ans.

1. Die Dienst-Instruktion als Nemesis.

An der Spitze des preußischen Post­wesens stand der Minister August van der Heydt, und der Generalpost-Direktor Schnüickert war sein Prophet. So con- servativ die beiden Herren und ihre Zeit auch waren, bedeuteten sie doch für ihr Ressort den Umsturz alles Bestehenden. Auf den sich immer weiter reckenden Schiencnsträngcn der Eisenbahn rollte in rasender Eile eine neue Zeit heran auch für den Postbetrieb. Vor dem keuchen­den Odem des Dampfrosses zerann der eigentliche Nimbus, der den Postbeamten bis­

her das Privilegium der Grobheit gesichert, der alte Schlendrian brach zusammen, und bald war der Wahrspruch:Das Publikum ist nicht der Post, sondern die Post des Publikums wegen da!" der Anfang der Weisheit jedes Ladenjünglings.

Es kam eine harte Zeit für Phlegma und liebe Gewohnheit. Wie die Gemüth- lichkeit der langen Pfeife und des nächt­lich bequemen Schlafrocks vor der neuen Dienstinstruktion eilig ans den Bureaus verschwand, so räumte vor dem neuen Expeditionsmodus und den unerbittlichen Revisionsprotokollen der immer wieder­kehrenden Postinspektoren auch mancher der alten Herren das lange behauptete Feld. Man ward gegen das Publikum zuvorkommend und höflich, so höflich, daß der Chef eines rheinischen Postamts die oft zu spät aufgelieferte Correspvndenz eines mit hohen Persönlichkeiten verwandten Bankhauses eigenhändig dem bereits ab­gelassenen Fonrgon bis zum Bahnhof nachtrug dafür war die rauhe Seite nun desto häufiger gegen Collegen und Untergebene gekehrt. Das eingeführte System der gegenseitigen Contrvle und Ueberwachung machte collegialische Freund­schaft und Rücksichtnahme im Kettensätze der Beamtenzahl zur unbekannten und vergeblich gesuchten Größe; man war nach außen hin vorschriftsmäßig freundlich und knöpfte sich nach innen desto fester zu.

Damals war in einem Gebirgsstädtchen der Provinz Sachsen ein früherer Ritt­meister, dessen straffer Haltung man trotz grauen Kopfes und Bart den angehenden Sechziger kaum ansah, Vorsteher des dasigen Postamts. Ohne Vermögen, ledig­lich auf den eben auch nicht übermäßigen Gehalt seiner postmeisterlichen Stellung angewiesen, hatte er sich wohl oder übel in die Reformen der neuen Zeit gefügt. Man sagte ihm nach, daß er in gesell­schaftlichem Umgänge recht jovial und liebenswürdig sein könne; innerhalb der Sphäre seiner dienstlichen Machtvoll­kommenheit verlautete indessen von diesen löblichen Eigenschaften nichts. Er konnte im Gegentheil hier sehr häufig und heftig lospoltern; der tvdte Buchstabe der Dienst­instruktion galt ihm Alles, und wie er in diesem Sinne mit kaltem Anstande dem Publikum begegnete, so verfuhr er rück­sichtslos strenge gegen die Beamten, strenger gegen die Untcrbeamten, am strengsten gegen die Postillone.

(Fortsetzung folgt.)

Die Verdaulichkeit unserer Nahrungsmittel und Speisen.

(Schluß.)

Daß die ans einmal eingeführten Men­gen der Nahrungsmittel und Speisen eben­falls die Verdaulichkeit beeinflussen, ist selbstverständlich. Blühungsbeschwerden, ein sicheres Zeichen der längeren Anwesen­heit unverdauter Substanzen im Magen und Darm, bei Leuten, die nur die verdaulich­sten Substanzen genießen, werden oft schnell gehoben, wenn man die von dieser Vorschrift meist wenig erbauten Patienten auf halbe Kost setzt.

Eine Hebung der Verdaulichkeit unserer Speisen üben manche Zusätze aus, und zwar dadurch, daß sie wie Pfeffer, Salz, Ingwer, Senf, Meerrettig rc., eine ver-

I mehrte Absonderung der Verdauungssäfte I bedingen, oder, wie Salz, Essig rc., die Auflösung der Eiweißkörper erleichtern. Wie diese Gewürze wirkt auch der Alkohol in müßiger Menge anregend auf die Aus­scheidung der Verdanungssäste. Daher die sehr richtige Methode, auf schwer verdau­liche Speisen einen Schluck Branntwein zu trinken, oder ein reichliches, lang aus­gedehntes Mittagessen mit einem Gläschen scharfen Liqueur zu beschließen. Einen ferneren Einfluß auf Verdaulichleit übt auch alles das aus, was den Nahrungs- bedars des Körpers steigert, oder mit anderen Worten, alles, was die Aufnahme des gebildeten Speisedreies befördert. Ein ruhender Mensch hat weniger Nahrungs- bedars: der in seinem Darm hergestellte Speisedrei wird weniger schnell verbraucht, als dies bei arbeitenden Menschen der Fall ist; daher sind für letztere Speisen ver­daulich, die es für jenen nicht sind, daher können in der Kälte und im Freien Ar­beitende Speisen und Portionen bewältigen, die Stubenarbeitern geradezu schädlich sein würden. Endlich hat auch die Gewöhnung und die Individualität, die eigenartige Körperanlage eines Menschen einen unver­kennbaren Einfluß aus die Verdaulichkeit der Speisen und Nahrungsmittel.Was dem einen Nahrung ist, ist dem anderen Gift", sagt sehr richtig das Sprichwort, und dieser Ausspruch hat eine größere Tragweite, als man auf den ersten Blick vermuthen sollte.

Der reiche Schlemmer, der ohne jede Beschwerde fünfzig bis hundert Austern zum Abendessen verspeist, bekommt sicher arge Verdauungsstörungen, wenn er etwa auf einer Reise in einer Dorfschenke an Speck mit Klößen sich sättigen muß; andererseits kann sich ein nur an harte Kost Gewöhnter nicht leichter den Magen verderben, als wenn er Austern ist. Dies ist eine Folge der Gewöhnung. Ein Magen, der an Austern gewöhnt ist, vermag die plötzlich eingeführte Masse leicht verdau­licher Substanz theils schnell in für den Körper aufnehmbare Stoffe zu verwandeln, theils dem Darm zur Ausscheidung zuzu­führen; ein anderer Magen dagegen, dem in der Regel nur grobe Substanzen ge­boten werden, die einen gewissen Reiz auf die absondernden Drüsen der Magen­schleimhaut ausüben, weiß mit der zwar leicht löslichen, aber reizlosen Substanz nichts anzufangen, sie ist für ihn zu milde, bedingt nicht die entsprechende Absonderung der Berdaungssüftc, ist daher für ihn un­verdaulich und erregt Beschwerden.

Auf der Individualität der eigenartigen Körperanlage beruht es, wenn einzelne Menschen gewisse Speisen durchaus nicht verdauen können und deßhalb eine Ge­wöhnung an diese niemals stattfindet. So giebt cs Menschen, die nach dem regel­mäßigen Genuß von roher oder gekochter Milch, von Krebsen. Hummern, von Wild- pret, von altem Käse, von rohen Erd­beeren, von Trüffeln, Morcheln oder Schwämmern und Pilzen überhaupt, regel­mäßig von argen Verdauungsbeschwerden befallen werden, die sogar in Begleitung von allgemeinen Erscheinungen, wie Fieber und ausgebreiteten Hautausschlägen auf- trcten können, so daß die Befallenen schließlich zur Einsicht kommen, daß der-