Hofes bei Altshausen, ein in jeder Hinsicht tüchtiger Inspektor befindet sich daselbst und sorgt für die Herstellung des Gutes zu dem gedachten Zweck, so daß im Laufe dieses Winters mit der Aufnahme von Kolonisten begonnen werden kann. Das ganz freiwillige Unternehmen, welches eine freundliche Förderung von Seiten des Staates und der Gemeinden erhoffen darf, verdient alle nnd jede Unterstützung.
Gräfenhausen, 18. Nov. Unsere ein so grausiges und bedenkliches Bild zeigende Brandstätte ist noch immer das Ziel von Wallfahrten aus der Umgegend, insbesondere von Pforzheim, welches sich auch in wohlthätigem Sinne frcundnach- barlich mitbetheiligt hat. Die Abgebrannten sind hier und in Obernhausen vorerst nntergebracht. Obwohl in Bezug hierauf wie auf die Alimentation thunlichst Borkehr getroffen ist, sieht man doch nicht ganz ohne Besorgnis) dem nahenden Winter entgegen. Wie wir Horen, läßt man zu- ständigerseits mit den Vorbereitungen des Wiederaufbaues es sich sehr angelegen sein. Die hieraus sich ergebende baldige Gelegenheit zu Arbeitsverdienst wird über manches Ungemach hinüberhelfen. — Es scheint die Absicht vorhanden, in baulicher Beziehung die lachkundig bessernde Hand anzulegen, um einem ähnlichen Unglück nach menschlichem Ermessen eher begegnen zu können.
Neuenbürg, 18. Nov. Ueber das Treiben und Blühen der Pflanzen, in einigen Gegenden „der Johannistrieb" genannt, werden bei der milden Temperatur dieses Spätherbstes aller Orten Beobachtungen gemacht. Die Rosen hielten etwas länger als gewöhnlich aus; grüne Blätter und Knospen sind zu treffen, Ziersträucher, Gräser u. dergl. erinnern an den Vorfrühling und manch freundlicher Leser hat uns in letzter Zeit mit solch seltenen Zeichen erfreut, wofür wir besten Dank wissen. — Gleichlaufend mit diesem treten ähnliche Erscheinungen in der Jnsektcuwelt zu Tage, so schwirrten heute wieder u. A. neugierige Maikäfer umher, von denen etwelche eingefangen wurden.
Ausland.
Paris, 17. Nov. Im Unterrichtsministerium wurde heute ein junger Mann (angeblich Anarchist) verhaftet, der mit einem Revolver bewaffnet, eindrang. Derselbe gab an, er habe beabsichtigt, Ferry zu tödten und sei von einem Konnte in Lille dazu abgeschickt.
Aus New-Jork wird dem Standard gemeldet, daß 15 berittene Räuber einen vorher zum Entgleisen gebrachten Eisen- bahnzng auf der amerikanischen Nationalbahn in der Nähe von Lajarito angegriffen und Gold- und Silberbarren im Werthe von 8000 Doll, mitgenommen haben; der Heizer wurde getödtet und der Lokomotivführer verwundet.
MiMllkn.
Aas Hegenüöer.
(Fortsetzung.)
„Aufgebracht, wie ich noch von dem Gespräch mit den Damen war, schrieb ich an meinen Bruder und machte ihm die bittersten Vorwürfe über sein Betragen,
das so wenig edel, nach meiner Ansicht gewissenslos wäre. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Er habe gegen Marie kein Hehl gehabt, daß ihn vor Jahren, während seiner Studienzeit in Königsberg unsere Cousine Adelheid flüchtig gefesselt; dorthin zurückgekehrt, sei er lebensgefährlich erkrankt; kaum habe dies Adelheid erfahren, als sie ihre Mutter bestürmt, ihn in ihr Haus auszunehmen, und ihn mit hingebendcr Liebe gepflegt; er könne Adelheid, gerade weil sie mit einer an Leidenschaft grenzenden Glut an ihm hänge, nicht lieben, aber die Pflicht der Dankbarkeit fesselte ihn an sie und stürze ihn in die bittersten Seelenkämpfe; er fühle sich um so unglücklicher, da er Mariens Liebe verloren zu haben glaube; keiner seiner Briefe, die er nach seiner Genesung geschrieben, sei beantwortet worden, er habe daher keine Vorwürfe verdient und müsse glauben, daß ihn Marie vergessen und aufgegeben habe.
„Ich ging mit dieser Auskunft, die den Stachel des Schmerzes lindern mußte, zu meiner schönen Nachbarin; hatte ich doch in letzter Zeit ruhig Hinüberblicken können und oft von meiner Angreiferin einen freundlichen Gruß empfangen. Zwar bebten die Lippen Mariens ein wenig, als sic mir ihren Gruß bot, dann aber mochten ihr kleine Verschiedenheiten zwischen mir und meinem Bruder aufstoßcn, die ihre früheren Illusionen vollends zerstörten.
„Es war zierlich nnd anmnthig in dem kleinen Zimmer, und man sah es, wie die Mädchen sich ihr Stillleben auszuschmücken verstanden, obwohl sie allem Anschein nach in den bescheidensten Verhältnissen lebten. Blumen schmückten das Fenster, und au jeder Seite derselben stand ein prächtiger, großer Myrthenstock, der die arbeitenden Mädchen fast ganz beschattete. Besonders erschien Marie diese zarte liebliche Gestalt, unter dem feinen Blättcrgrün um so lieblich poetischer. Ich theilte nach kurzer, einleitender Unterhaltung die Antwort meines Bruders mit; es bebte wunderbar in den schönen Zügen des jungen Mädchens. Wie mußte sie ihn geliebt haben! Als ich berichtete, daß mein Bruder von ihr keinen Brief erhalten, entgegnete sie lebhaft:
„Das ist nicht möglich, ich habe sogleich geantwortet."
„Und ich habe noch einmal geschrieben," fügte Louise hinzu, als sie die Unruhe der Schwester sah, „aber keine Zeile kam zurück."
„Dann müssen die Briefe unterschlagen worden sein," bemerkte ich, nnd die Mädchen sahen mich fast erschrocken an. Sie hatten dies für unmöglich gehalten aber jetzt nahmen ihre Gedanken eine andere Richtung; trug doch dann der Geliebte nicht die einzige Schuld, war es dann doch das Zusammentreffen unglücklicher Verhältnisse, das sie getrennt. Aber die lebhafte Schwester blieb bei ihrer Anklage und hob als einen andern schwer wiegenden Punkt hervor, der die Sache noch räthscl- hafter machte, daß mein Bruder Mariens Briefe ohne eine aufklärende Zeile zurück- geschickt habe. Ich konnte an eine solche Rücksichtslosigkeit meines Bruders nicht
glauben; cs mußte hier irgend ein Jn- trignenspiel zu Grunde liegen. Vielleicht war unsere Cousine dabei bctheiligt; und ich fragte, ob nicht das Couvert des letzten Briefes vorhanden sei, um zu sehen, ob es wirklich die Hand meines Bruders, die diese Adresse geschrieben habe. Man hatte in der Aufregung nicht darauf geachtet, und das Couvert war leider nicht zu finden. Marie tbat es wohl, das Bild des einst so heiß Geliebten wieder in einem freundlicheren Lichte zu sehen. Wir besprachen die Vergangenheit, träumten sie zurück, und die durch solche Erinnerungen meinem Bruder zugewandte Theilnahme übertrugen die jungen Mädchen, kaum selbst ahnend, auf mich. Als wir nach einer harmloses verplauderten Stunde schieden, war es nicht, als ob ich zum ersten Male gekommen, sondern als sei ich in diesem trauten Stübchen schon immer aus- und eingegangen und nnr zurückgekehrt nach langer Irrfahrt, um alle Mißverständnisse, alle Dissonanzen aufzuklären und anszugleichen.
„Ihr glaubt wohl, daß ich jetzt oft in meinen Feierstunden am Fenster saß und in das reine liebe Antlitz Mariens blickte, das nicht wie beim ersten Mal ängstlich verschwand, sondern mir freundlich zunickte, als tauchten wieder alte, liebe Erinnerungen in ihrer Seele auf, und daß ich oft und öfter hinüberwanderte. War auch zuweilen Marie schwermüthig bei meinem Kommen, zuckte sie auch zuweilen zusammen, wenn sie zu mir aufblickte, als könne sie die Vergangenheit noch nicht überwinden, so fühlte ich doch, daß ich willkommen war, daß sie mich gern sah, nnd daß der erste schmerzliche Eindruck den ich auf sie gemacht hatte, verschwunden sei. Je öfter ich kam, je mehr fühlte ich mich zu dem theuren Wesen hingezogen: diese sanfte Wehmuth, die wie ein zarter Schleier über ihrem ganzen Wesen ruhte, übte auf mich ihren Zauber, nnd mir war's, als habe ich schon früher dieses Mädchen gekannt, als sei ich selbst der Brnder, ich selbst der Treulose, der ihr das Herz gebrochen, und jetzt verpflichtet, mit aller Herzenswärme die Wunde zu heilen, die ich geschlagen. Auch sie schien es zu fühlen, daß ich das Vergangene wegwünschcn wolle, daß mein Herz an ihrem Auge hing.
„So wurde unser Umgang immer vertrauter und ich der tägliche Gast, der besonders an ihren Thee-Abenden nicht fehlen durfte. Wie behaglich saßen wir da am Tische, auf dem eine Lampe ihre milden L-trahlcn ausschickte, oft im harmlosten Geplauder, oft im Berühren der ernsthaftesten Dinge."
„Die Mutter war eine stille, aber seelcngebildete Frau; sie sah es gern, daß ich in Mariens Herzen wieder die geknickten Blütheu aufrichten wollte, und ich war stets ein willkommener Gast; ja sie gestand mir offen, daß sie mit mir vertraulicher verkehren könne als mit meinem Bruder."
„Ei, wie eitel, wie selbstgefällig!" unterbrach den Erzähler seine junge Frau, „Du eitirst nur ein Wort der Mutter, damit sich Deine Frau bewußt werden soll, wie gut sie gewählt hat."
„Wenn man mich so arg verdächtigt,