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werde ich nicht weiter erzählen," entgegnete scherzend ihr Mann. ^
„Wir sprechen Sie von aller Selbstbespiegelung frei," riefen die Damen, die um jeden Preis den Schluß der Geschichte haben wollten.
„Obwohl diese Freisprechung vielleicht aus der nicht ganz lautern Quelle — der Neugierde, kommt, will ich dennoch fortfahren," lachte mein Freund und begann wieder.
„Zuweilen las ich Etwas vor, meist aus Goethe, und fühlte mich stets in eine Welt der Poesie und des Klanges getragen, wenn ich dann die Angen Mariens auf mich gerichtet und die Theilnahme sah, mit der sie den Worten des Dichters lauschte. Auch hier verrieth sich wieder der große Contrast zwischen den beiden Mädchen.
(Fortsetzung folgt.)
Der verhängnißvosse Tornister.
Eine lustige Sedan-Geschichte von L. Wrietzner.
Nachdruck verboten.
Das war nämlich am 1. September 1870, also am Vorabend jenes Tages, da die Arnnäe dlation durch jenen ewig denkwürdigen Sieg bei Sedan belehrt wurde, daß eine andere große Nation mit ihr fertig zu werden im Stande sei. Die große, gewaltige Hecresmacht der deutschen Truppen war bereits unweit von Sedan zusammen gezogen, ein Jeder merkte, daß etwas „in der Luft liege", und daß man mit ziemlicher Gewißheit einer neuen Schlacht entgegen sehe. Auch in Carignan, einem mehrere Stunden von Sedan entfernten Orte, war der Befehl ausgegeben worden, sich in jeder Minute bereit zu halten, und die Wenigsten hatten, voll froher Erwartung der kommenden Dinge, sich zur Ruhe niedergelegt.
An der Hinterfront eines Hauses, im schützenden Dunkel der Nacht, standen zwei Gestalten, die sich fest umschlungen hielten. Es war wirklich kein Wunder, daß der hübsche Gefreite, Heinrich Wirsing aus Berlin, das Herz der schönen Französin Mamsell Louison im Sturm erobert hatte; denn so tapfer und unerschrocken auch die deutschen Soldaten gegen die Franzosen vorgingen, so leicht wurden sie, die tapferen Sieger, wieder von den Französinnen besiegt, zumal, wenn dieselben jung und hübsch waren.
„Oll won ellor Henri"!
„Oll, ms, cllöre llouison"!
In diesem gefühlvollen Tempo mit den nöthigen Variationen bewegte sich das Gespräch, durchsetzt von den obligaten Schwüren der Liebe und Treue, die in buntem Gemisch eines entsetzlichen Französisch und eines noch entsetzlichere» Deutsch den Lippen der Beiden entströmten. Die schöne Französin radebrechte die deutsche Sprache mit mehr gutem Willen als Erfolg, und der Gefreite Heinrich Wirsing konnte nun einmal nicht das „verdammte Rackerfranzösisch" erlernen, obschon er sonst, wie alle Berliner, gehörig „Helle" war. Schließlich kam es ja auch nicht so sehr auf die Sprache an, wenn sich nur die Herzen genügend verstanden. Und daß dies der Fall war, konnte Jeder erkennen,
der in derlei Dingen ein wenig Bescheid weiß. „(Zuanck In paix — mariagö", das hatten die beiden Liebenden bereits längst mit einander verabredet, und es handelte sich, um diesen Wunsch zu erfüllen, nur noch darum, daß der hoffnungsvolle Krieger nicht todtgeschlagen würde und daß nach dem Frieden alle weitere Formalitäten in gehöriger Ordnung vor sich gingen.
Ein Tornister ist, zumal er im Felde meistens ziemlich vollgepackt, bei Liebes- studien eine unangenehme Last; der Gefreite Wirsing hatte sich deßhalb alsbald dieser Unbequemlichkeit entledigt und den Tornister fein säuberlich auf eine Tonne gelegt, die ehemals einen köstlichen Wein beherbergt hatte und nun vor dem Hause lag. Die Liebenden waren eben im Begriff, sich zum 101. Male ihre grenzenlose Liebe zu betheuern, als plötzlich ein schmetterndes Trompetensignal erscholl, in das sich dröhnende Trommelwirbel mischten: AUarm.
Noch rasch einen herzhaften Kuß, ein „a rovoir Üenri", „auf Wiedersehen, Louison", und schon war die schlanke Gestalt in der Dunkelheit verschwunden und der stramme Soldat wurde an seine Pflicht erinnert. Schnell ruckte er seine Uniform zurecht, setzte den Helm grade und griff nach seinem Tornister. Seine Hand tastete in's Leere — der Tornister war verschwunden. Hastig durchstöberte er das Terrain, in fliegender Eile suchte er jedes Plätzchen in der Nähe ab, um den Vermißten zu finden, vergebens; er war und blieb verschwunden. Er wußte doch ganz genau, daß er ihn auf die Weintonne gelegt, es war Niemand in seine Nähe gekommen, die Geliebte konnte doch unmöglich den königlich preußischen Tornister mitgenommen haben — und doch, er war spurlos verschwunden. Schon aber war es höchste Zeit nach dem Sammelplatz zu eilen; denn dort mußte er erscheinen, ob mit oder ohne Tornister. Im Laufschritt stürzte er davon. „Hoffentlich geht es nicht gleich vorwärts und ich finde ihn morgen wieder, wenn es Tag geworden" dachte der unglückliche Gefreite. Auf dem Sammelplätze war bereits Alles in vollster Thätigkeit, die „Hurrah's" der Mannschaften, die Geschäftigkeit Aller belehrte rasch genug den Ankommenden, daß etwas Besonderes los sein müsse.
(Fortsetzung folgt.)
Zget, Htter und Matter.
„Ich setzte", schreibt man dem Hannov. Kurier, „vor einigen Tagen eine Kreuzotter und zwei Schlingnattern zu einem Igel in einen Kasten. Der Igel schritt sofort zum Angriff. Er packte zunächst eine Schlingnatter am Schwänze, dieselbe biß, nach ihrer Gewohnheit, wüthend auf den stachelgepanzerten Gegner los, selbstverständlich zu ihrem Schaden, wie ihr blutiges Maul bezeugte; indeß gelang es ihr, sich loszumachen und vorläufig zu entkommen. Der Igel schob sich gemächlich zur Kreuzotter hin. Diese war schon aufmerksam und setzte sich in Angriffsstellung. Ihren Biß parirte der Igel dadurch, daß er sich über sie schob, bevor sie denselben vollführte, er rannte sie so
zusagen über den Haufen, wobei der Kopf der Otter unter ihn gerieth. Alsbald hörte man das Knirschen der Zähne des Igels im Fleische der Otter; es schien für ih„ eine köstliche Mahlzeit zu sein. Er hörte nicht auf, bis das vordere Dritttheil der Schlange verzehrt war. Das Uebrige nahm ich ihm, um es auf Eier oder Junge zu untersuchen und ich fand fünf junge Ottern in dem Thiere. Der Appetit des Igels mußte aber ein gewaltiger sein, denn im Laufe des Tages begrub er auch noch die beiden Schlingnatter» in seinem Magen. So weit verlief alles, wie man es erwarten durfte, und wie die Forscher es ähnlich schon oft erlebt haben. Indeß nun pas- sirte etwas ungewöhnliches: der linke Bor- derschenkel des siegreichen Igels schwoll mächtig an und am nächsten Morgen wnr er eine Leiche. Die Geschwulst begann schon, während er noch an der Otter schmauste, er ist offenbar von dem Repetil gebissen worden, während der Kopf desselben unter ihm lag, deswegen interessant, weil Lenz und andere Forscher auf Grund ihrer Erfahrungen glaubten, behaupten zu dürfen, der Igel sei giftfrei in jeder Hinsicht. Sie hatten öfter gesehen, daß der Igel von der Otter in die Schnauze, ja in die Zunge gebissen war, und er hatte keinen Schaden davon gehabt. Vorstehendes Erlebniß beweist aber, daß das Schlangengift das Blut des Igels ebensowohl vergiftet, wie das der übrigen Warmblüter, wie es ja eigentlich auch ganz natürlich der Fall sein muß. Interessant ist es mir auch gewesen, völlig ausgebildete, 6 Zoll lange Junge in der Otter zu finden. Die nächste Verwandte unserer Otter, die Viper in Südeuropa, ist als lebendig gebärend bekannt und führt davon ihren Namen (Vivipara), aber unsere Kreuzotter gilt allgemein als eierlegend.
Der artige Brief. Ein Landwirth richtet an einen andern, der als Schweinszüchter bekannt ist, folgenden Schreibebrief: Lieber Freund! Gestern war ich auf dem landwirthschaftlichen Feste in Dingshofen. Es wird Sie interesfiren, zu hören, daß viele Schweine da waren, darunter auch von ihrer Rasse. Deshalb wunderte ich mich auch sehr,,Sie dort nicht zu sehen. Ihr u. s. w.
Praktischer Anschauungsunterricht. Ein Gastwirth geht mit seinem Söhnchen über Land, und plötzlich huscht dicht vor den beiden etwas Braunes über den Feldweg. „Papa" fragt wißbegierig der Junge, „war das Thier da ein Hase oder 'ne Katze?" Und der geschäftskundige Vater antwortet ohne Besinnen: „Das kommt ganz auf die Zubereitung an, mein Sohn!"
W ä L h f e L.
Laß nur das Mittelzeichen Der ersten Silben weichen,
Wie liebst du mich, wenn draußen Des Winters Stürme Hausen. Mein Drittes rreibet schnelle Durch's Thal hin seine Welle. Das Ganze such' am Strande Des Mains im Hessenlande.
Reduktion, DruN und Verlag von Jal. Meeh in Neuenbürg.