629
jubelnden Zurufen der allerseits herbeigeströmten Bevölkerung. — Den ganzen Nachmittag dauerte das festliche Treiben in Rüdcsheim fort. Alles war ein Herz und eine Seele im Gefühle patriotischer Begeisterung. Und hoch oben auf dem Niederwald erglänzte die Germania in blendend weißem Lichte bengalischer Flammen. Schneeigem Marmor gleich, vom Silberlicht übergoffen, erschien das herrliche Monument weithin sichtbar.
Der Gedanke des großen einigen deutschen Vaterlandes hat über diesem Feste gewaltet und ihm seine mächtige, welthistorische Weihe gegeben.
Es ziemt sich wohl, auch des Meisters zu gedenken, der seiner Nation ein so vollendetes Werk dargeboten hat, ist doch der Tag der Enthüllungsfeier auch ein Tag des künstlerischen Triumphes .für ihn. Johannes Schilling ist Sachse. Er war zu Mittweida als der Sohn eines Kaufmanns am 23. Juni 1828 geboren. Das Bedeutendste, was Schilling geschaffen, vereinigt sich in der nationalen Schöpfung ans dem Niederwald bei welcher der Meister Schwierigkeiten überwand, die seine künstlerische Bedeutung nur um so höher stellen. Und an seinem Ehrentage, am Tage der Enthüllung des Niederwalddenkmals, hatte Schilling die größte und edelste Genug- thuung, die dem Sterblichen werden kann, denn Kaiser, Fürsten und Volk feiern gemeinsam mit ihm das Fest der Vollendung dieses Meisterwerks.
Aas MLionak-Aenkmal auf dem Niederwald.
(Schluß.)
Das große Werk, was damals unter der Aegide des preußischen Königs begann, wurde aus allen Theilen Deutschlands so lebhaft unterstützt, daß die Vollendung des Domes in vierzig Jahren zu Stande kam, der zweite Theil des Baues, dessen erste Hälfte fast drei Jahrhunderte erfordert hatte.
Einen neuen Aufschwung der nationalen Idee brachte das Jahr 1848 und zwar entstand jetzt die erste Grundlage zur praktischen Ausführung durch die Einberufung des National-Parlaments nach der alten Reichskrönungsstadt Frankfurt am Main. Man hegte im ganzen Vaterlande die Hoffnung, daß es gelingen werde, das Einigungswerk zu Stande zu bringen, wie es die Devise in der Paulskirche ausdrückte :
Des Vaterlandes Größe, des Vaterlandes
Glück,
O schafft sie, o bringt sie dem Volke ' zurück!
aber die Wahl zum Oberhaupte wurde vom preußischen König nicht angenommen. Wir erinnern uns der freudigen Fahrt der Kaiser-Deputation von Frankfurt nach Berlin, und wie wiederum der alte Arndt mit jugendlicher Begeisterung die Hoffnung aussprach, es möge nun Kaiser und Reich neu erstehen.
Mit dem Herbste des Jahres 1858, mit der Uebernahme der Regentschaft durch den Prinzen Wilhelm von Preußen und dem Eintritt des neuen liberalen Ministeriums Hohcnzollern, gewann der nationale Gedanke wiederum neue Kraft. Um jene Zeit erschien, angeregt von abermals
in Frankreich ausgetauchten Kriegsgelüsten, die seitdem weltbekannt gewordene bild^ liche Darstellung „Germania, auf der Wacht am Rhein" nach dem Originalge- mäldc von Lorenz Clascn in Leipzig, und in den Kreisen der Männergesangvereine, zuerst im Liederkranz zu Franksurt, sang man die kurz zuvor erschienene Compo- sitivn des Crefelder Musikdirektors Karl Wilhelm von Schneckenburgers, gleichzeitig mit dem Becker'schen Liede 1840 gedichteten Hymne: „Es braust ein Ruf wie Donner-, hall" re. Seltsam genug fand dieses Lied erst sechszehn Jahre nach seiner Entstehung den Weg zur Oeffentlichkeit und zwar durch eine Composition, während das ehedem weltberühmte Becker'sche Lied, mehr als sünfhundertmal in Musik gesetzt, nun längst vergessen war. Es hat dann die Dichtung Schneckenburger's, dessen Namen aufzufinden erst nach vielen Schwierigkeiten gelang, durch des Com-! pouisten schwungvolle Melodie zum Nativ- nallied geworden, den großen Krieg von 1870 mitgekämpft, den großen Sieg erfechten helfen und mittelbar den Grundstein zum National-Denkmal gelegt, darauf des Kaisers Hand am 16. September 1877 die weihenden Hammerschläge that.
Denn die „Wacht am Rhein" ist in dem ehernen Momente verkörpert, welches, bald nach Abschluß des Frankfurter Friedens geplant, aus Beiträgen von ganz Deutschland zur Aufführung bestimmt, dem Bildhauer Johannes Schilling in Dresden übertragen, in einem Zeitraum von sieben Jahren modellirt, genossen, zusammengefügt und ciselirt, jetzt sertiggestellt dasteht auf der Höhe des Niederwaldes.
Metz, 2. Okt. Der Reichtagsabgeordnete Antoine ist gestern Abend unter der Anklage des Landesverraths verhaftet worden. (St.-Anz.)
Karlsruhe, 30. Sept. Die theatralische Feier aus Anlaß der Enthüllung des Denkmals auf dem Niederwald war eine besonders poesievolle und wohlgelungene.
Karlsruhe. Das Wintersemester der Gr. Baugewerkeschule beginnt Samstag den 3. November.
Bruchsal, 1. Oktober. Vorgestern wurde hier der erste 1883er „Portugieser" verkauft, die Ohm zu 60 ^
Grötzingen, 30. Sept. Vorgestern wurden auf hiesiger Gemarkung die Klevner geherbstet und bis Dienstag den 2. Oktober findet die allgemeine Weinlese statt.
Baden, 29, Sept. Unsere amtliche Fremdenliste bringt uns heute die Ge- sammtzahl von 43,363 Personen.
Pforzheim. Die Brodpreise der Bäckergenoffenschaft sind vom 1. Oktober ab bis auf Weiteres: Schwarzbrod 1. Qual, runde Form 54 u. 27 lange Form 56 u. 28 1 Weißbrod 18 1 Tafel -
brod 25
Pforzheim. Das neue Schuljahr der Kunstgew er beschule beginnt Montag den 15. Oktober.
Aus Baden, 29. Sept. Die soeben publizirte Verordnung des evangelischen Oberkirchenraths über die L u th e rfci er bestimmt, daß das Reformationsfcst dieses Jahr am Sonntag den 11. Nov., statt am 4. Nov., in Verbindung mit der Feier
des 400. Geburtstags Luthers zu begehen sei. Der 11. Nov. ist als kirchlicher Festtag zu begehen, derselbe wird am Sonntag vorher verkündigt, am Vorabend eingeläutet und der Hauptgottesdienst wird wie an anderen kirchlichen Festtagen eingerichtet. Am Samstag den 10. Nov. Vormittags ist in der Kirche oder einem andern paffenden Lokal mit den evangelischen Schülern und Schülerinnen der Volksschulen und der Mittelschulen eine Feier zu veranstalten, in welcher durch Borträge, Gesänge und Ansprachen die lebendige Erinnerung an Luthers Frömmigkeit und deutsche Gesinnung zum Ausdruck kommt und namentlich auch seine Kindheit, Schul- und Lehrzeit und sein Einfluß auf die religiöse und geistige Bildung der Jugend hervorgehoben werden soll. Auch seitens der Oberschulbehörde wird die Anschaffung geeigneter Festschriften behufs der Austheilung an die Schüler ans Mitteln evangelischer Schulstiftungen gestattet. Schließlich empfiehlt die Oberschulbehörde den evangelischen Lehrern, bei der vom Oberkirchenrath anzuordnenden Feier, insbesondere bei Veranstaltung und Leitung derselben nach Kräften mitzuwirken.
Aus Baden, 30. Sept. Die Wahl- Agitation wird sehr lebhaft betrieben, denn am 5. Oktober werden die Abgeordneten gewählt. Beide Parteien sagen einander so viel als möglich Schlechtes nach, nnd namentlich das katholische Hauptorgan, der „Bad. Beobachter", spielt starke Trümpfe aus.
Württemberg.
Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 1. Oktober
Den Obersthofmcister Ihrer Majestät der Königin Geheimen Rath Grafen von Taube auf sein Ansuchen wegen geschwächter Gesundheit von dieser Stelle unter Anerkennung der von ihm während einer langen Reihe von Jahren mit Treue und Auszeichnung geleisteten Dienste und mit Vorbehalt des Titels eines Obersthofmeisters der Königin, sowie unter Belastung desselben in dem Amte des Ordenskanzlers in Gnaden zu entheben,
der Bitte der Staatsdame Ihrer Majestät der Königin, Gräfin von Taube, um Enthebung von dieser Stelle unter- gnädigster Anerkennung ihrer langjährigen treuen und hingebenden Dienstleistungen und unter Belastung des Titels einer Staatsdame der Königin in Gnaden zu entsprechen und
den K. Kammerherrn Freiherr« Richard vonReischach zum Ersten Kammerherrn im Dienste der Königin mit den Funktionen eines Obersthofmeisters Ihrer Majestät gnädigst zu ernennen geruht.
Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 28. September d. I. den Bahnhofverwalter I. Klasse und Postamtsvorstand Br ekle in Plochingen zum Bahnhofverwalter I. Klasse und Postmeister in Mühlacker unter Verleihung des Titels eines Betriebsin- spcktors in Gnaden ernannt, auch demselben die Ausübung der höheren Bahnpolizei und die Betriebsleitung auf der Strecke Brettcn-Biethighcim, ausschließlich dieser beiden Bahnhöfe, gnädigstübertragen.