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in den nächsten Tagen von hier fort bringen zn Verwandten, wo sie den windigen Barschen vergessen muß."
„Leider ist das nicht so leicht ausge- snhrt: Der Offizier wird sich nicht ohne Weiteres bestrafen lassen; und ob die Comtesse in eine Reise willigt, ist ebenfalls fraglich."
„Ha, ich kann auch schrecklich sein!" rief der Graf und der Pater las in seinen Gesichtszügen, daß er Recht habe. Ruhig fuhr der Erstere fort: „Der Lieutenant wird hoffentlich heute Abend wiederkommen, er soll ungewarnt bleiben, dafür lassen Sie mich nur sorgen. Haben Sie beobachtet, wie er sonst eingedrnngen ist?"
„Matuschka hat ihm die Pforte geöffnet."
„Gut, so öffnen Sie heute Abend und sobald er cingeschlossen ist, soll meine Dienerschaft den Rücken des Herrn Lieutenants so lange mit Stöcken bearbeiten, bis er verspricht, künftig des Abends zu Hause zu bleiben."
„Ich öffnen? Er könnte mich erkennen."
„Es wird am Abend stockdunkel und er ist sicher; dann aber können Sie ja auch eine Verkleidung wählen. Nur allein Sie werden iw Stande sein, ihn zu täuschen."
„Und die Diener — werden sie für alle Fälle bereit sein?"
„Fürchten Sie nichts!"
So trennten sich die beiden Männer.
III.
Nachdenklich schritt der Premierlieute- nant Amsler in seiner Wohnung auf und nieder; er hatte die Arme auseinander gekreuzt, sein Kopf, der sonst immer so hoch aufgerichtet war, sank tief auf die Brust hernieder, offenbar beschäftigten ernste, ja wohl gar unangenehme Betrachtungen den jungen Mann. — Er dachte an den Abend, der ihn wieder in die Arme seiner über Alles geliebten Clara führen sollte; aber eine mahnende Stimme rief ihm heute unaufhörlich zu, daß dies nächtliche Einschleichen in das Haus seines Todfeindes ihm große Unannehmlichkeiten, wenn nicht gar die ärgsten Gefahren bereiten könne. Er kannte die Polen als rachsüchtig und höchst leidenschaftlich, sobald ihr Zorn erregt worden; — was hatte er darnach von dem Vater der Geliebten zu erwarten, wenn seine Besuche bei der Tochter entdeckt wurden? Es konnte einen Kampf auf Tod und Leben geben, der, gleichviel, ob er als Sieger oder Besiegter daraus hervorging, für ihn die schlimmsten Folgen haben mußte. Seine Zuversicht, daß sein Eindringen verborgen bleiben könne, war seit dem letzten Abend geschwunden; — er hatte leise und vorsichtige Schritte in seiner Nähe vernommen, als er aus der Pforte getreten war. Alles rings umher war aber ruhig geworden, sowie er still stand, um zu lauschen; und als er schnell seinen Weg fortgesetzt, plötzlich aber einen Versteck gesucht und gelauert hatte, war einige Zeit darauf eine Gestalt dicht an ihm vorübergegangen, deren Umrisse er bei der Dunkelheit nicht genau erkannt, und die er dennoch mit ziemlicher Bestimmtheit für die des Pater Lucius hielt. Er war darauf dem Letzteren gefolgt, dieser, in der Meinung, er sei weit voraus, war
ahnungslos in seine Wohnung gegangen und hatte damit den Offizier zu der lleber- zeugung gebracht, daß er genau bewacht werde.
Amsler war längst gegen den Pater eingenommen, jetzt wünschte er nichts sehnlicher, als ihn derb züchtigen zu können, denn daß dieser schlaue Priester sein erbittertster Gegner war und ihn auch aus dem Herzen der Comtesse zu verdrängen suchte, wußte er nur zu genau: und verdiente er nicht eine harte Strafe, daß er es wagte, seine Wege auszukundschafteu?
— Aber er mußte auch daran denken, die Geliebte vor jeder Unbill zu bewahren;
— durfte er am Abend vor ihrem Hause erscheinen? Das war die Frage, die ihn so angelegentlich beschäftigte und da er in Betreff Claras in großen Sorgen schwebte und unter allen Umständen darüber Aufklärung haben wollte, ob der Pater wirklich schon eine Jntrigne gegen sie angezettelt habe, so nahm er sich vor, am Abend wie gewöhnlich den Posten vor dem Hause des Grafen einzunehmen und zn beobachten, welches Zeichen ihm die Comtesse geben werde. Natürlich wollte er diesmal nicht ganz unbewaffnet in der Nähe seiner Feinde erscheinen.
Bedeutend früher als sonst begab er sich auf den Weg nach der Vorstadt; doch war es dunkel genug, um ihn in seinem Civilanzng vor Jedermann unkenntlich zu machen.
Das Hans des Grafen war gerade so wie sonst erleuchtet, völlige Stille lag rings um dasselbe gebreitet, nichts deutete an, daß der Friede der Bewohner im geringsten gestört sei.
Amsler wurde zweifelhaft. Konnte es nicht leerer Zufall gewesen sein, daß der Pater am vergangenen Abend denselben Weg gekommen war, oder hatte er sich vielleicht nicht gar geirrt? Es war sehr dunkel gewesen, sein Mißtrauen hatte ihm am Ende einen Streich gespielt und ihn den Pater in einer ganz fremden Person erblicken lassen.
Es geht dem Menschen sehr leicht so, daß er in stillen Stunden, nach langen Betrachtungen, seine eigenen früheren Wahrnehmungen zu bezweifeln anfängt, wenn diese nur sehr oberflächlicher Natur waren und nichts für die Richtigkeit derselben spricht; namentlich geschieht dies aber oft, sobald man selber lebhaft wünscht, sich getäuscht zu haben.
Bis gegen zehn Uhr stand der Offizier regungslos unter einem umfangreichen Baume an der Straße, dicht an den Stamm gelehnt, so daß kein Mensch ihn entdecken konnte, während er das Roslawskischc Haus und die nächste Umgebung genau im Auge behielt. Das letztere gewöhnte sich bald so an die Dunkelheit, daß er ziemlich deutlich die Gegenstände in der Nähe erkennen konnte.
Es schlug vom Thurme zehn Uhr.
Um diese Zeit hatte der Lieutenant gewönlich seinen Ruf ertönen lassen, heute blieb er noch still und beobachtete.
Dies war eine List, die ihm sehr viel nützte, denn als er etwa eine Viertelstunde ruhig geblieben war, gewahrte er an einem der oberen Fenster eine Person, die hinaus auf die Straße guckte; es war jedoch, wie
er ganz deutlich sah, keine Dame, und er schloß richtig, daß cs der Graf sein müsse. Das erschien ihm verdächtig. Wenige Minuten später hörte er ein Geräusch an der Pforte; es waren Schritte, die behutsam gehalten wurden, aber Amsler doch überzeugten, daß sie von einem Manne herrührten. Er spähte noch aufmerksamer und entdeckte einen dunklen Körper am Gitter, der ebenfalls zu spähen schien.
(Fortsetzung folgt.)
DicMormonen zu r N achah m ung empfohlen. Aus der Salt Lake City wird der Times geschrieben: „In Ihrem Artikel über die Katastrophe in Sunderland sagen Sie mit Recht; „Unsere Theater, unsere Kirchen, sowie alle öffenlichen Ge'- bäude sind in ganz unverantwortlicher, aller bequemen Ausgangsgelegenheiten, sowie jedweder Mittel zur Paralysirung der Gefahr baar, die einer drängenden, panikerfüllten Menschenmenge droht." — Die Schmach, welche Denjenigen anhaftet, die für diese Zustände bei in den letzten zwanzig Jahren erbauten Gebäuden verantwortlich sind, wird noch durch die tiestraurigcn Mementos erhöht, an denen es die Zeit nicht fehlen läßt. Wir erinnern nur an die gräßliche Katastrophe in der Kathedrale zu Santiago, wo 2000 Menschen um's Leben kamen. Lange Zeit vor diesem Unglücksfall hatte sich eine Schaar der Anhänger von Joe Smith in der Salzseestadt angesiedelt und daselbst wahrscheinlich ohne Beihilfe eines europäischen Architekten von Profession ein Tabernakel errichtet, das 12,000 Personen zu fassen im Stande ist, von welchen ungefähr 7000 im Schiffe und 5000 auf der Galerie Platz haben. Trotz ihrer sonstigen Unwissenheit war es doch den Leuten gelungen, ein Gebäude aufzuführen, das die seltene Eigenschaft besaß, dem Zwecke, für den es bestimmt war, zn entsprechen. Ganz vorzüglich ist unter Anderem für Ausgänge gesorgt. Die ganze Congregation von 12,000 Personen soll zu ihrem Austritte aus dem Tabernakel nicht länger als W/? Minuten gebrauchen. Es sind nämlich in der Halle 20 Doppelthüren von je 9 Fuß Breite angebracht, die sich sümmt- lich nach außen öffnen; durch jede solche Thüre können 6 Personen bequem gleichzeitig nebeneinander hinausgehcn, was bei 20 Thürcn 120 Personen den gleichzeitigen Ausgang gestattet. 58 solcher Reihen, die 6960 Personen fassen, würden der Länge nach einen Raum von 30 ?)ard cinnchmen; wenn diese nun mit der Geschwindigkeit einer Meile per Stunde marschiren würden, so brauchten sie gerade eine Minute, um durch die Thüre zu gelangen. Der Thürraum von 180 Fuß für 7000 Personen gibt 1 Fuß für je 39 Personen; in vielen der öffentlichen Gebäude kommt jedoch in der Regel 1 Fuß Raum auf je 200 bis 300 Personen. In solange daher eine compctente Behörde die Construktcurc der öffentlichen Gebäude nicht dazu verhalten wird, je 1 Fuß Thürraum mindestens für je 50 Personen zu schaffen, werden Katastrophen wie die des Ringtheaters in Wien, der Kathedrale von Santiago, oder des kürzlich erfolgten Unglücks in Sunderland unvermeidlich sein.