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als seit Jahresfrist auch königlich württem- bergische Offiziere ctatsmäßigc Stellen in der preußischen Armee bekleiden. So war unter Anderem das Commando des 7. Fuß-Artillerieregiments einem württem- bergische» Offizier übertragen, während als Generalstabschef des III. (branden- burgischen) Armeekorps derwürttembergischc Oberstlientenant v. Falkenstein fungirt. Kürzlich hat diese Praxis nunmehr eine Erweiterung erfahren, als der seitherige Commandant des 8. württcmbergischcn In­fanterieregiments Nr. 126, Oberst v. Hal- denwang, unter Beförderung zum General­major zum Commandeur der preußischen 24. Jnfanteriebrigade ernannt worden ist. Es kann dies als neuer Beweis dafür gelten, wie die preußische Heeresleitung bestrebt ist, auch äußerlich innerhalb der ihr vertragsmäßig Anstehenden Grenzen, die Beziehungen mit den übrigen Con- tiugentcn, im Interesse einer gleichmäßigen Ausbildung der höheren Befehlshaber, nach Möglichkeit zu fördern. (F. I.)

Die Wolkenbrüche, die am Dienstag und Mittwoch an den Ostabhängen des Riesen gebirges niedergingen, ha­ben außerordentliche Berheerungen ange­richtet, von denen immer neue Unglücks­posten melden. Das Uebcrschwemmungs- gebiet reicht, so weit Berichte bis jetzt vorliegen, von der Gegend von Hirschberg bis nach der Grafschaft Glatz und Franken­stein.

Breslau, 21. Juni. Das Ueber- jchwemmungs-Gebiet erstreckt sich auf die Stromgebiete der Glatzer Neisse, des Bober und der Lausitzer Neisse.

Sprottau, 21. Juni. Der Bober ist seit heute Mittag rapid gewachsen, er steht hier 12 Fuß und steigt noch. Das Bobcrthal gleicht einem wogenden See. Feuerwehr und Militär sind mit der Hilfe­leistung beschäftigt. (F. I.)

Aus dem Rheingau schreibt man dem Wiesb. Tagbl. unterm !8. Juni: Unser gesammter Gau ist gegenwärtig in einen Garten umgewandelt, welcher von Wohlgerüchen, süßer denn Rosen und aro­matischen Kräutern, duftet. Es ist die dem Gerüche der Resedablume am meisten ähnliche Weinblüthe. Besonders macht sich das Annehmliche des Duftes Morgens früh und Abends bemerklich. Die Reb­stöcke aller Art erfreuen sich ungewöhnlich vieler großen und gesunden Gescheine. Gebe der Himmel, daß nach gut verlaufener Blüthe, welche bis zum Johannistag (24. d. M.) vorüber sein wird, kein böses Wetter, andauernder Regen oder Hagel­schlag eintreten möge. Alle freien Hände sind gegenwärtig in den Weinbergen rege, um die Rebstöcke zu heften: Kein Natur­freund, am allerwenigsten aber ein Ver­ehrer des Weines, versäume jetzt einen Gang durch das Weinbcrgsfeld."

Württemberg.

Ulm, 20. Juni. Bon dem hiesigen Schwurgericht wurden die Eheleute Bertsch von Holzmaden, wegen Mords resp. An­stiftung hiezu zum Tode verurthcilt. Der Angeklagte Bertsch hatte in der Nacht vom 4. auf 5. Dezember vr. Js. seine Stiefmutter auf Anstiften seiner Ehefrau erwürgt.

Die frühere gefeierte Panistin Anna Mehlig, Frau Falk, weilt z. Z. mit ihrer Familie zur Kur in Herren alb.

O e st e r r e i ch.

In Wien wurde am 19. d. wieder ein entsetzlicher Mord an einer Frau Böheim verübt, der noch unaufgeklärt ist. Die Frau wurde im Keller todt auf dem Boden liegend in einem schrecklichen Zu­stande ausgefunden. Ein verzweifelter Kampf scheint zwischen der Ermordeten und dem Mörder stattgefunden zu haben. Die Obduktion ergab, daß der Tod nicht durch Würgeu mit deu Händen, sondern iu Folge Zertrümmerung des Kehlkopfs durch Fußtritte erfolgt ist, auch die Ver­letzungen am Kopfe scheinen von heftigen Fußtritten herzurühren.

Auch aus Ocsterrei ch kommen Ueber- schwemmungsberichte. Aus Wien vom 20. meldet man: Wien ist von einer Uebcr- schwemmung bedroht. Von allen Neben­flüssen der Donau werden iu Folge des anhaltenden Regens Hochwasser gemeldet und hier ist der Strom bereits auf das Juundationsgebiet ausgetreten. Die Be­richte von der ungarischen Ernte lauten schlimm, hier ist Wein, Obst und Weizen schon gänzlich verdorben.

Trauten au, 10. Juni. Das böh­mische Riesengebirge wurde von gestern auf heute abermals von einem großen Unglück heimgesucht, wie im Vorjahre. In Folge anhaltender Regengüsse traten die Elbe und Aupa aus ihren Betten.

Schweiz.

Am 19. Juni schneite es am Vier­waldstätter See; die Frohnalp war bis weit hinunter mit Schnee bedeckt.

MisMen.

Gebrochene Kerzen.

Novelle auS dem Kriege von 187a.

Von Alfred Steffens.

(Fortsetzung).

Der Geistliche betrachtete sie einen Augenblick, crwicderte ihren Gruß und sprach dann salbungsvoll:Hüte Dich, daß Du in keine Sünde willigst und thuest wider Gottes Gebot!"

Clara erröthete ein wenig, faßte sich aber sogleich und rief lächelnd:Ehrwür­diger Vater, sollen Ihre Worte mir als Warnung dienen?"

Sie sollen der ganzen Menschheit ein Mahnruf sein, denn die Welt liegt im Argen und der Teufel gehet eiuher wie eiu brüllender Löwe und suchet, welche» er verschlinge. Auch um dieses HauS schleicht er in dunkler Stunde. ahmt den Rufen des Käuzchens nach, bis er Einlaß erlangt", sprach der Geistliche, während er seine kleinen Augen durchbohrend auf die Comtesse gerichtet hielt.

Clara erbleichte, alles Blut war zum Herzen gestiegen, ein Zittern ergriff ihren Körper, sie fürchtete in der nächsten Se­kunde umzusinken. Ach der heimtückische Pater wußte um ihr Glück, und es war nur zu gewiß, das; er dasselbe mit rauher Haud veruichten werde, war er doch der vertraute Rathgebcr ihres Vaters.Vor­bei!" dachte sic bei sich uud in diesem

einen Worte lag die unsägliche Qual für sie, die sie nicht ertragen zu können ver­meinte. Von Neuem wollte sie sich an den Pater wenden und versuchen, ob sie ihn nicht bestimmen könne, ihr mitzutheilen, was er über die Besuche Amslers wisse, gegen jeden andern Menschen aber davon zu schweigen. Doch Pater Lucius war verschwunden, er hatte sich bereits in das Haus ihrer Eltern begeben.

Die junge Dame sah ein, daß sie wenig thun könne, um ihre Liebe zu schützen; sie floh auf ihr Zimmer und berieth hier mit ihrer treuen Dienerin, um sich vor den heftigen ZorneSausbruch ihres Vaters zu wahren.

Matuschka brach in Thränen aus, als sie erfuhr, was der Pater der Comtesse angedeutct hatte.O, ich viu an Allem schuld!" rief sie einmal über das andere verzweiflungsvoll;hätte ich mich von ihm nicht einschüchtcrn lassen und ihm ge­standen, daß der Herr Lieutenant Sie zu­weilen besuche, so wäre das schreckliche nicht über uns gekommen."

Sprich, Unglückliche, was hast Du ihm gestanden?" rief Clara mit der Leiden­schaftlichkeit einer Polin.

Ach, gnädigste Gräfin, er wußte leider ohne mich nur zu viel und sagte mir geradezu, daß er mich bei dem Herrn Grafen verklagen wolle, wenn ich ihm nicht Alles offenbarte; jedenfalls hat er den Herrn Lieutenant belauert."

Und Du gabst zu, daß Amsler hier gewesen ist?"

O, er wußte es schon und er hat mir versprochen, wenn ich wahrheitsgetreu beichtete, wolle er schweigen."

O, ich bin von Bcrrüthern umgeben, schon iu diesem Augenblicke wird mein Vater Alles wissen."

Ich konnte nicht schweigen, der Herr Pater stellte mir alle Höllenqualen vor, die ich erleiden müßte, wenn ich die Wahr­heit verhehlte, er drohte mir, daß mir nie Absolution ertheilt werden solle; da mußte ich wohl bekennen. Aber ich will gerne Alles unternehmen, gnädige Comtesse, um Ihre Nachsicht zu verdienen."

Meine Nachsicht? Geh mir aus den Augen und wenn Du noch etwas vergessen hast, so erzähle auch dies Deinem würdigen Beichtvater, er wird Dich gewiß dafür be­lohnen."

Das Mädchen ging schluchzend von dannen und überließ sich ihrem dumpfen Schmerz.

Inzwischen hatte sich Pater Lucius bei dem Grafen melden lassen und ward augenblicklich angenommen.Die Männer verhandelten viel im Geheimen mit einander und namentlich über politische Verhältnisse, so daß es leicht den Anschein gewinnen konnte, als sei der Geistliche ein Abge­sandter der in Frankreich vorhandenen politischen Partei, die unter den Mächtigsten der Polen der Provinz Posen Anhänger suchte. Pater Lucius hatte auch vor mehreren Monaten dem Grafen den Vor­schlag gemacht, den vielversprechenden Lieutenant und Adjutanten Amsler, der schon damals bei jeder Gelegenheit seiner Tochter ehrerbietige Huldigungen dar- brachtc, durch diese auzulocken und an sich zu fesseln. Doch wenn auch Amsler die Liebe Claras als sein höchstes Gut schätzte,