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ches im Alter von zehn Jahren eine voll­endete Dame war und mit dem elften Jahre zu Balle ging, um alle Welt zu entzücken."

Kein Märchen, mein liebes Kind," antwortete der Graf mit ernster Miene, was ich hier sage, ist Wahrheit, denn ich habe es mit eigenen Augen gesehen und vom Munde meines Freundes, dem Mar­quis de Durandot, bekräftigen hören."

Nun, was ist denn aus diesem Wun­derkinds geworden?" fragte jetzt Anna neugierig.

Das arme Ditig dürfte kein besonders glänzendes Lebensloos haben, wie ich nach meinen letzten Erkundigungen, als ich voriges Jahr in Paris war, folgern kann. Ich ließ es mir nicht nehmen, dem Marquis de Durandot eine kurze Visite abzustatten und da fand ich die Verhältnisse recht ver­ändert. Der Marquis empfing mich schon mit einem Gesichte, welches nicht viel Gutes ahnen ließ. Mit wenigen Worten erfuhr ich Alles. Auf das Drängen seiner Ver­wandten hatte der Marquis sich entschlossen, noch einmal zu heirathen und zwar eine Cousine. Diese Heirath hatte die ganzen bisherigen Verhältnisse im Hause des Marquis de Durandot über den Haufen geworfen, denn die junge Frau wurde eifer­süchtig, wenn auch ohne jeden vernünftigen Grund, auf ihre Adoptivtochter, welche nicht nur die ganze Liebe des Marquis besaß, sondern auch im Salon die Marquise in Schatten stellte. Deßhalb wurde von der Marquise das arme Mädchen, welches damals wohl siebzehn oder achtzehn Jahre alt sein mochte, so lange gepeinigt, bis er einwilligte, daß seine Adoptivtochter das Haus verlassen und unter dem Vorwände einer sorgfältigen häuslichen Erziehung zu einer Tante auf's Land geschickt wurde."

Das arme Kind", seufzte Anna theil- nahmsvoll.

Ja, wenn nun die Adoptivtochter des Marquis de Durandot noch dort bei der Tante wäre, dann, ja dann möchte ich den Marquis bitten, uns seine Adoptiv­tochter zu senden, damit sie hier in unserer Familie ein, auch zwei Jahre lebt und unserem einsamen Töchterchen die Zeit ver­treiben hilft."

Dies ist ein allerliebster Gedanke, Papa" rief Anna freudig aus.Das Wunderkind, welches jedenfalls nunmehr eine Wunderdame geworden ist, soll zu uns kommen und meine Freundin werden."

Ich will den Versuch machen, Dir diesen Wunsch zu erfüllen," fuhr der Graf fort,aber nicht ohne Einwilligung der Mutter."

(Fortsetzung folgt.)

Das Mutgericht in Thorn.

Aus einem Beitrag zur Geschichte der Jesuiten.

Von Franz Hirsch.

(Fortsetzung.)

In dieses allbewährte Deutschthum der reichen Weichselstadt hatte sich seit der polnischen Oberschutzherrschaft (1466) der Pole einzunisten gesucht, wenn auch ver­geblich. Die städtischen Ehrenstellen blieben für ihn unerreichbar und wenn ein rache­schnaubender oder beutelarmer Buschklepper von Edelmann die Städter im Weichbilde

der Stadt überfiel, so ahndete die starke Hand des thorner Raths solchen Frevel mit peinlichem Recht. Der Haß des Polcn- thums gegen die reiche unabhängige deutsche Stadt nahm natürlich nicht ab und das Blutdrama von 1724 ist nur der endlich vollzogene Racheakt für jahrhundertlangc slavenfeindliche Gesinnung der Deutschen in Thorn, der ältesten Stadt, die der deutsche Orden in Preußen gegründet und mit westfälischen, rheinischen und nieder­sächsischen Ansiedlern bevölkert hatte.

Die Religionsfreiheit, die in Thorn herrschte,'sollte dem spanischen Pfeffer, der auf der polnischen Brühe schwamm, den in Polen dominirenden Jesuiten Ge­legenheit geben, Polen und den Katholicis- mus an der ihrer Majorität nach prote­stantischen Stadt, in welcher fast nur die polnische Dienstbotenbevölkerung katholisch war, zu rächen. Die Religionsverhält- nisse in Thorn lagen derart, daß nach Einführung der Reformation daselbst die Protestanten durch ein Dekret des Königs Sigismund August von 1557 im Besitz der vier Kirchen blieben. Jedoch wurde den Katholiken die Conccssion gemacht, die Johanniskirche zur Simultankirche zu erheben, in der abwechselnd protestantischer und katholischer Gottesdienst gehalten wurde. Durch die Jntriguen des Bischofs von Culm kam es jedoch schon 1593 dahin, daß die Johanniskirche den Lutheranern durch ein königliches Dekret abgesprochen und den Katholiken ganz allein zuerkannt wurde. Der Rath fügte sich widerstrebend, behielt sich aber ausdrücklich vor, daß in die zur Johanniskirche gehörende lateinische Schule keine Jefsiten als Lehrer gesetzt werden sollten. Auch dieses Verbot wurde durch einen späteren culmer Bischof null und nichtig gemacht. Die Jesuiten hatten in Thorn Wurzel gefaßt und es gab nun­mehr neben dem protestantischen Gym­nasium zu St. Marien eine Jcsuitenschulc zu St. Johann, die eifrig von den Söhnen des kleinen polnischen Adels besucht wurde.

Auch die katholische Propaganda in der Stadt regte sich, seit die Jesuiten, diese Ingenieure des Papstthums, dort lehren und predigen durften. Bis dahin waren Processionen an hohen Festtagen nur innerhalb des umfriedeten Johanniskirch­hofs gestattet gewesen, jetzt aber wußten es die Jesuiten bald (1643) durchzusetzen, daß die Processionen sich auch über die beiden Märkte und die Straßen erstrecken durften. Der Reibereien zwischen den protestantischen und jesuitischen Studenten gab es natürlich von nun an vollauf. Die Jesuiten aber ihrerseits ruhten nicht, als bis sie auch die zweite Kirche für ihren Glauben erobert hatten. Die St. Jakobs­kirche in der Neustadt wurde durch Aus­weisung falscher Schenkungsurkunden und geschickt angefertigter Pergamente den Pro­testanten durch das allzeit zu Gunsten der Jesuiten bereite königliche Dekret abge­nommen und den Benediktinernonnen, ein­geräumt. Die Protestanten waren jetzt also nur im Besitz zweier Kirchen, während die Katholiken durch den Eifer der Jesuiten die zwei größten und schönsten Kirchen der Stadt innehatten.

(Fortsetzung folgt.)

AmerikanischeBaumeister." Ein amerikanisches Fachblatt theilt mit, daß auf den nordamerikanischen Eisen­bahnen im vergangenen Jahre 38 Brücken unter Eisenbahnzügen eingestürzt sind, daß die Zahl der 1881 durch Einsturz von Brücken verunglückten Züge 44 und in den Jahren 1876 bis 1880 nicht weniger als 95 betragen. Angesichts dieser schrecken­erregenden Zahlen dürfen wir gewiß unserer Befriedigung über den Zustand der von unsern deutschen Baubeamten errichteten Brücken und die dadurch bewirkte große Sicherheit unseres Eisenbahnverkehrs Aus­druck geben.

Eine afrikanische Eisenbahn. Die ersten zwei Meilen jener Eisenbahn, welche den oberen Senegal mit dem Niger verbinden soll, wurde nach dem Berichte eines englischen Blattes am 19. Dezember vorigen Jahren unter großem Jubel der Neger eröffnet, welche schreiend hinter dem Zuge herliefen, bis Athcmmangel sie zwang, still zu stehen. Dieses sonderbare Schau­spiel eines von einer schreienden und gesti- culircnden Menge gefolgten Eisenbahn­zuges dauerte zum Ergötzen der euro­päischen Insassen des Zuges die ganze Strecke hindurch, denn die Athemlofeu wurden sofort durch neue Zuzügler von allen Seiten ersetzt.

Aufrichtig. Herr:Ist die Frau Baronin zu Hause?" Zofe:Jawohl, gehen Sie nur hinein!" Herr:Wollen Sie mich denn nicht erst anmelden?" Zofe:O nein, wenn ich Sie erst an­melde, dann ist sie am End' nicht zu Hause." (Fl. Bl.)

D a s A rm uth sz eu g niß. Aktuar: Um eine Unterstützung zu einer Badekur' erlangen zu können, müssen Sie ein Zeug- niß über ihre Bedürftigkeit beibringen. Frau: Ja! Das kann ich wohl gleich hier schreiben.

Als ausgezeichnetes Mittel gegen den Schnupfen wird em­pfohlen, einige Trofen Carbolsäure auf reines weißes Fließpapier zu träufeln, das­selbe in einiger Entfernung über eine Flamme zu halten und die dadurch sich entwickelnden Dämpfe in die Nase zu ziehen.

Neues Mittel gegen Brandwun­den. Bon vr. Schrady in New-Aork. Die Karbolpasta des Verfassers besteht nach der Pharm. Centralhalle aus Gummi Arabicum 90 Thcile,

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Auflösung des Räthsels in Nr. 47.

Kunde.

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können täglich bei allen Postämtern ge­macht werden.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.