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das Reinigungsabwasser der Gasfabrik werde die Fische getödtet haben.

Neuenbürg, 23. Mai. Gestern Nacht war der letzte Zug der Enzbahn ab Wildbad, als er schon die Station Brötzingen 8,54 Pforzheim zu passirt hatte, in der Nähe des Württ. Gütcrbahnhofs gefährdet. Während der Calwer Zug zur Abfahrt ab Pforzheim 9.40 rangirt wurde, fuhr ein Wagen einem auf dem Nebengeleise abgestellten Güterwagen in die Flanke, wodurch dieser zu Fall und auf das Geleise der Enzbahn zu liegen kam, letzteres also für den Zug versperrte. Glücklicherweise konnte der Wildbader Zug im letzten Moment noch gestellt und vor einem sonst unvermeidlichen Zusammen­stoß bewahrt werden. Nach langer müh­samer Arbeit und mit Hilfe einer Loko­motive war das ungeschlachte Hinderniß endlich wieder aus die Beine gebracht und konnte der Wildbader Zug seinen Einzug in Pforzheim, bald darauf seine Rückfahrt bewerkstelligen. Etwas später hatte sich der Calwer Zug wieder von seinem Schrecken erholt und zur Heimfahrt ge­rüstet. Beide erlitten Verspätungen von l'/r und 2 Stunden. Personen sind nicht verletzt und außer dem beschädigten Fahr- matcrial wird die Reparatur der Geleise wohl nicht von größerer Bedeutung sein. Ob fahrläßigcs Rangiren, unrichtige Weichenstellung ans den an der Stätte sich mehrfach kreuzenden Geleisen, oder Ueberschreitung der Manövergrenze die Ursache ist, wird erst zu ermitteln sein. Jedenfalls zeigt dieser abermalige Unfall aufs Neue, daß man den Eisenbahndienst nicht sorgfältig und strenge genug hand­haben kann.

Neuenbürg, 23. Mai. Im Garten des Herrn Bahnhosverwaltcr Claus; sind reife Erdbeeren.

/XEngelsbrand, 23. Mai. Heute Mittag U, 12 Uhr wurden wir von einem schweren Gewitter überrascht, das Hagel­körner in der Größe von Taubeneicrn fallen ließ, die unsere saftig grünen Fluren 1 2 Zoll hoch bedeckten. Kaum hatten wir uns von diesem Schrecken erholt, als schon wieder gegen 2 Uhr das dumpfe Grollen des Donners uns auf ein zweites Gewitter aufmerksam machte, das ebenfalls mit Hagel verbunden, unserer Markung ein ganz winterliches Aussehen gab. Die Hagelkörner fielen in solcher Menge, daß sie Fensterscheiben und sogar Ziegel zer­trümmerten. Garten- und Feldgewüchse sind stark beschädigt und die Obstbäume haben furchtbar nothgelitten. Unser sonst so friedlicher Engclsbach wurde plötzlich zum reißenden Gebirgsstrom, trat über­feine Ufer und wälzte durch sein felsiges Beet die wild tobenden Fluten thalabwärts.

Bon diesem Gewitter wurden nach weiteren Nachrichten auch Grunbach und Kapfenhardt noch thcilweise be­rührt ; ebenso soll es in Büche n brvnn, Dill- Weißenstein und Brötzingen, wo junges Geflügel erschlagen wurde, erheblichen Schaden veranlaßt haben.

lieber die Pfingstf eiertage wer­den auf einigen Strecken der württ. Staats­bahnen wieder außervrdentlichePer- sonenzüge ausgcführt: zwischen Stutt­gart Bietigheim, Ulm Stuttgart, Stuttgart Göppingen, Stuttgart

Reutlingen Tübingen. Der Personen­zug 167 von Calw laust ohne Wagcn- wcchsel bis Stuttgart durch Zuffenhausen ab 9. 1 Vorm. Äuk. Stuttgart 9. 14.

Die Zeitungen bringen fortwährend Mittheilungen über die starke Auswan­derung, namentlich nach den vereinigten Staaten von Nordamerika, aus Süddeutsch­land wie RheinlandWestfalen, die be­sonders durch die günstigen überseeischen Nachrichten gefördert wird. Weniger liest man von zurückgekehrten Auswan­derern, und doch ist deren Zahl in unsercr Gegcnd und Westfalen nicht gering: und fragt man nach der Ursache ihrer Heim­kehr, so ist es zunächst die Unsicherheit zusagender Beschäftigung, sodann die über­große Anforderung an die Arbeitskraft des Menschen und die rücksichtslose strenge Behandlung, welche den Arbeitern in amerikanischen Fabriken zu Thcil wird; beim geringsten Vergehen gegen die Fabrikordnung erfolgt sofortige Entlassung, während in Deutschland in solchen Fällen eine Warnung oder höchstens eine gering­fügige Geldstrafe stattsindet. (St.-Ä.)

Schweiz.

Ein Fest des Friedens und der Arbeit zweier Völker hat am Sonntag begonnen: Die feierliche Eröffnung der Gotthar d- bahn, unter Betheiligung der Abgeord­neten und Eingeladenei: Deutschlands, Italiens und der Schweiz, deren es etwa 800 sind. Ein höchst bedeutungsvoller Moment für unser gegenseitiges Verkehrs­wesen. DeS gigantischen Werkes dürfen die betheiligten Staaten mit hoher Be­friedigung und berechtigten Erwartungen gedenken.

Von der Gotthards-Subventionssnmme ä konds perdu von 113 Mill. Fr. zahl­ten Italien 55 Mill., Deutschland 30 Mill., die Schweiz 28 Mill.

O e st e r r e i ch.

Wien, 19. Mai. Die neuesten Nach­richten aus Galizien erzählen von schreck­lichem Elend, das dort unter den jüdischen Flüchtlingen herrscht, die sich täglich nach Oesterreich retten.

Ausland.

Chicago, 27. April. In Cincinnati tagt gegenwärtig eine von Fachmännern und Staatendelegaten besuchte Versammlung, deren Zweck es ist, einen Verein zu grün­den zum Schutze der Forsten und zur An­pflanzung von Bäumen. Die Gründung eines solchen Vereins thut sehr noth, da die wahnsinnige Abholzung im letzten Jahr­zehnte ganz außerordentliche klimatische Veränderungen veranlaßt hat und zudem droht der Bezug von Nutzholz auf ein Minimum in nicht zu ferner Zeit herab­zusinken.

MisMen.

Lin Hlückskind.

(Fortsetzung.)

Ein paar Tage vergingen, während mir das Herz brannte, ohne daß ich Gertrud näher kam. Da bot sich eine treffliche Gelegenheit. Schon im letzten Jahre und auch vor unserer Fußwande­rung hatte sich die ganze Nachbarschaft zu größeren Partien auf schöne Wald­plätze vereinigt. Jeder Herr und jede

Dame lieferte dazu einen Antheil an Wein und Lebensmitteln; in Chaisen fuh­ren die Einen, namentlich die Aelteren und die weiter vom Sammelplatz Ent­fernten, auf Leiterwagen die Anderen, namentlich das junge Volk. Die Gesell­schaft bestand aus den Familien adeliger und bürgerlicher Gutsbesitzer, eines Arztes, zweier Pfarrer und einigen Einzelnen, unter diesen meine Wenigkeit. Schon das enge Zusammensitzen im Wagen führte zu Scherz und Vertraulichkeit, Spazier­gänge im Walde brachten einander näher und begünstigten eine poetische Stimmung, hierauf wurde ein einfaches ländliches Mahl wie in Voß' Luise hergestcllt, bei dem die Damen als Köchinnen und Tafel­deckerinnen von den scheinbar hülfrcichcn Herren so viel als möglich gestört wur­den, dann große Tafel im Freien auf Rasen und Bänken, wobei sich der glück lieh pries, der seine Kartoffeln von einem zinnernen Teller verspeisen und seinen Wein aus einem Glase trinken konnte, und wobei in Vers und Prosa lustig ge­toastet wurde; hierauf gesellige Spiele, oft ein kleiner Tanz im Freien oder in einer Dorfschenke, endlich Rückkehr nach Hause in sehr gesteigerter Stimmung, unter dem Klange aller möglichen Lieder, meist recht sentimentaler. Es waren harmlose, vom Hauche der Poesie ge­tragene und belebte Feste. Ich aber muß trotz meiner Bescheidenheit mich rüh­men, daß ich bei diesen Festen eine wich­tige Rolle spielte; denn ich habe Euch schon gesagt, daß ich anfing, verliebt zu werden; Poesie und erste Liebe sind nahe Verwandte, begeisterte Stimmung rief in mir eine Menge bald humoristischer, bald empfindsamer Einfälle hervor; ich wollte gefallen und mich auszeichncn, wer das aber will, hat eine Kraft mehr in sich. Da ich nun meine wahre Neigung nicht vcrrathcn durfte, so hielt sich wohl manche Schöne für die Ursache meiner Erregtheit, und wurde doch durch die Kühle, die ich dann wieder bewies, iin Zweifel darüber erhalten. Das gab dann eine Spannung, die wieder den allgemeinen Eifer förderte.

Nun kam kurze Zeit nach unserer Rückkunst ein Bote aus der Nachbarschaft, der zu einem solchen Picknick im Walde cinlud: Schloß Lindenbcrg sollte der Sam­melplatz sein. Am frühen Morgen lang­ten Fußgänger und Wagen an. Zwei Leiterwagen waren fast besetzt, Gertrud und ich mußten noch aufsteigen, die bei­den Knaben sollten mit dem Vater fahren. Von beiden Wagen rief es:Doctor, hier­her, zu uns!"Kommen Sic zu uns, Gertrud!" Es verstand sich von selbst, daß ich Fräulein Gertrud hinauf helfen mußte, und es fügte sich sehr natürlich, daß ich auf denselben Wagen nachfolgtc und neben ihr Platz nahm, denn es hätte ja sonderbar ausgesehen, wenn ich den andern Wagen bestieg. Fort ging's, in den Wald hinein! Ein verstecktes Pürsch- haus in der Nähe schöner Aussichten war das Ziel der Fahrt, vorläufig aber war ich das Ziel mancher Bemerkung. Alan fand mich, wohl nur auS Scherz, weil ich nicht gleich der Laune den Zügel schießen ließ, einsilbig und übelgelaunt und zog mich damit ans, indem man aller­hand Vermuthilngen aufstellte, ich