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sie haben sich verschworen, alle Barbaren, alsv auch die Römer umzubringen." Cato war übrigens sein eigener Arzt. Gerade weil die Zaubermittel eine grosse Rolle spielten, hatte der Arzt keinen leichten Stand.

Auch in der damaligen Zeit finden wir einen häufigen Wechsel in den Behand­lungsmethoden, bald wurde mit warmen Bädern knrirt, bald mußten Kaltwasscr- kuren Helsen. Nach und nach nahm auch die Masse der Specialürzte zu: wir finden Augenärzte, Ohrenärzte, Zahnärzte, ja auch Aerzte für Frauenkrankheiten. Tn läßt es sich wohl leicht denken, daß eine Masse von Schwindlern darunter war, welche die medicinische Kunst in Mißkredit brachten. Cicero drückt sich noch ziemlich gelind ans im Verhältnis; zu seinen Zeit­genossen wenn er sagt: der Berns des Arztes schickt sich nur für Freigelassene, Fremde oder Sklaven. Der schon erwähnte Martial sagt von einem Arzt, er sei gut weggekommen damit, daß er schnell am Fieber gestorben und nicht einem seiner Cvllegcn in die Hände gefallen sei. Der Dichter Jnvenal stellt die Aerzte in eine Reihe mit den Seiltänzern und Zauberern. Cs darf uns dies keineswegs wundern, wenn wir bei Galenns, dem berühmten Arzte finden: die meisten nreiner Collegen können nicht einmal lesen. Mit der Zeit jedoch besserte sich die Stellung der Aerzte: Cäsar verlieh ihnen das Bürger­recht. Tiberins erklärt zwar noch jeden für einen Narren, der nach seinem dreißig­sten LebensjShr einen Arzt brauchte; doch wurden gerade in der Kaiserzeit verschie­dene Aerzte mit festem Gehalt angestcllt, namentlich beim Militär. Hier möge noch daran erinnert sein, daß es zn jener Zeit Apotheken nicht gab; Horaz spricht zwar über Arzneiverkaufsstcllen, aber diese Ouack- salberbnden hatten mit unfern Apotheken nichts gemein. Dies waren Marktschreier, die außer einigen Heilmitteln für ganz gewöhnliche Krankheiten auch allerlei an­dere Gegenstände verkauften. Die Arze- ncien wurden größtenthcils von den Aerzten selbst zubercitct.

Wir kommen nun zum Handel, zum Geldgeschäft, zum Capitalnmtrieb und der Fabrikation im Großen. Dabei müssen wir auseinanderhalten, den Großbetrieb und den Detailverkauf. Was den letzteren anbelangt, so standen Kauflente, welche selbst Hand anlegten und ihre Waare an- pricscn in gar keiner Achtung. Wer da­gegen die Hände anderer .gebrauchte, um sein Geld ans dem Wege des Handels, der Spekulation, der Fabrikation zu ver­dienen, galt für anständig. Cicero drückt sich hierüber aus: Der Handel ist gemein, wenn er im Kleinen, dagegen chrenwerth, wenn er im Großen betrieben wird. Ein ähnlicher Unterschied freilich kein so großer wird auch in England gemacht zwischen Großhändlern und Dctailver- käufcrn. Auch in den deutschen Reichs­städten des Mittelalters finden wir ähnliche Anschauungen. Der Kleinhandel galt auch da für unanständig. Eine Biberacher Zunftordnung vom Jahre 1485 erlaubte den Patriciern nur den Großhandel ; in Augsburg wurden nur solche in daS Pa- triciat ausgenommen, welche von ihren

Handel und Gewerkschaft llbthnn, die Nut dem kleinen Gewicht, Elle, Maas; re. be­trieben werden.

Das Kapital wurde sclbvcrständlich in Rom gerade so gut auf Gewinn umgctrie- ben, als anderswo. Der alte Cato meinte es sei nicht ehrenhaft, Geld ans Zinsen zu leihen, doch konnte nicht verhindert werden, daß die Sucht Geld zn machen, wenn man nur nicht zur Handarbeit ge- nöthigt war, immer größere Dimensionen annahm. Im Zwölftafelgesetz der Römer war die Bestimmung, daß der Zinsfuß nicht über Ois des Kapitals, alsv 80^ "/» betrage. Dieser Prozentsatz wurde 347 v. Ehr. Geburt heruntergesetzt und im Jahre 343 soll sogar das Zinsnehmcn ganz ver­boten worden sein.

In der katholischen Kirche ist bis auf den heutigen Tag die Frage noch nicht endgiltig entschieden, ob der Darlehens- Zins als Wucher anznsehen sei oder nicht. Die Praxis freilich hat sich um solche rhevretischc Streitigkeiten nie gekümmert. Wo eben das Bedürfnis; des Entlchnens vorhanden ist, ist die nothwendige Folge, daß ans dem Leihen ein Geschäft gemacht wird.

Das clandischc Gesetz vom Jahre 218 verbot den Senatoren und ihren Söhnen, Seeschiffe außer zum Transport des Er­trags der Landgüter zn benutzen. Dies weist darauf hin, daß für den Stand der Senatoren die Spekulation sich nicht schicke. Die Patricier fanden jedoch einen leichten Ausweg, sic schlossen sich insgeheim an solche an, die Geldgeschäfte machen durften, man wurde ein stiller Assoeic. Namentlich in den eroberten Provinzen hatten die reichen Römer Gelegenheit ihr Geld nmzutrciben. Es war gar nichts ungewöhnliches, daß man in den Provinzen die Capitalicn zu 20 Prozent anlegte. Brutus, der Tngendhcld, der Mörder Cäsars, brachte auf der Insel Cypern sein Geld sogar zu 48 Prozent unter. Das unreelle Verfahren, wornach man die Gcldbedürftigen nöthigt, Verschrei­bungen für größere Summen, als man wirklich erhebt, ansznstellen, fehlte auch in Nom nicht. Dieser Umstand hatte natürlich zur Folge, daß gegen einen solchen Geschäftsbetrieb stets ein gewisses Vvrnrtheil bestand. Cicero behauptete: verwerflich sind auch diejenigen Erwerbs- artcn, welche dem Haß deS Publikums ausgesetzt sind wie zum Beispiel das Ge­schäft eines Bankiers.

Neben den verschiedenen Zweigen des Handels, welcher im Großen betrieben wurde, ist besonders auch der Kornhandel zu nennen. In Rom selbst fiel der Han­del wegen der Mißachtung des Kleinge­werbes den Fremden und Freigelassenen zu; diese standen schon deßwegen in keiner besonderen Achtung, weil sic meistens neben ihrem Kleinhandel eine Schank- wirthschast betrieben. Die Ritter waren wohl Capitalisten, Spekulanten, Actiouio- nürc, aber keine Kauflente, die sich mit Detailhandel abgaben.

Wollten wir nun ans dem Gesagten einen Schluß ziehen ans die Industrie u. Gewerbebetrieb von ganz Italien, so kä­men wir zn einen! entschieden falschen Resultat. Daß Nom selbst wegen der

jährlichen Renten und Gilten leben, auch I Geringschätzung deS Gewerbes kein Haupt

^ platz der Produktion war, unterliegt kei­nem Zweifel. Die Industrie Italiens aber ist keineswegs zu unterschätzen, wenn es auch genöthigt war, gar Vieles vom Ausland zn beziehen. Eine mit lauter italischen Erzeugnissen beschickte Ausstel­lung hätte sich wohl sehen lassen dürfen. Oberitalicn wurde reprüscntirt durch die Produkte der Schafzucht. Tischdecken, Ser­vietten, Bettzeug n. dgl. wurde an vielen Orten fabricirt. Etrurien war von alten Zeiten her ausgezeichnet durch seine Ar­beiten in Thon und Metall. Alle mög­lichen Hansgeräthe: Lampen, Spiegel, Schmuckgegenstünde, Kandelaber n. dergl. wurden in Gold, Silber, Bronze und El­fenbein fabricirt. Auch die Weberei war in Etrurien zu Hause; ebenda wurde auch der Fischfang gewerbsmäßig betrieben. Campanicn zeichnete sich aus durch seine Töpferwaarcn; auch die Pflüge Campa- niens wurden empfohlen. Die alte griech. Cvlonie Cumä war ein Mittelpunkt der Industrie. Dort wurde die Weberei eifrig betrieben, Fischnetze wurden in Menge gemacht, da namentlich auch die Purpur- fischcrei sehr ergiebig ward. In Rom selbst allerdings fehlte der Stand der freien Arbeiter. In den Augen der Rö­mer war nur der Ackerbau eine deS freien Mannes würdige Beschäftigung. Ans die ländliche Beschäftigung weisen die Namen vieler angesehener Geschlechter hin. Cicero sagt über den Ackerbau: Von allen ErwerbSzweigen ist keiner edler und angenehmer als der Ackerbau, keiner eines freien Mannes würdiger. Gerade diese Bevorzugung des Ackerbaues, und besonders die geschlossene Hauswirthschaft, wornach womöglich alles, waS man brauchte, auf dem Gute selbst producirt wurde, be­einträchtigte das Handwerk bedeutend.

Wenn nun also unter dem lähmenden Druck des Vorurtheils gegen die Hand­arbeit ein geachteter Gcwcrbcstand in Rom nicht aufkommcn konnte, so hatte dies nothwcndig zur Folge, daß in Rom ein müßiggehendeS Proletariat sich bildete. Es war auch kein Wunder, wenn niemand Lust hatte, auf eine nach unfern Begriffen sehr ehrliche Art sein Brot zu verdienen. Die Folgen blieben für Rom nicht aus. Die arbeitslos sich herumtrcibendc Masse bildete für Leute wie Catilina pin will­kommenes Material. Da gewähren denn doch unsere gewerblichen und industriellen Verhältnisse ein viel freundlicheres Bild. Die sociale Stellung der Gewerbetreiben­den ist im Laufe der Jahrundertc eine ganz andere geworden. Man suchte bei uns auch die untersten Klassen des Voltes durch Gründung von Vereinen zu gegen­seitiger Unterstützung und ähnlichen Ein­richtungen sittlich und gesellschaftlich zu heben. Wenn auch noch nicht Alle mit der jetzigen Lage der Tinge zufrieden sind, so dürfen wir doch getrosten Blickes in die Zukunft schauen. Ich schließe mit dem Wunsche, daß unser Gewerbe und unsere Industrie dieser wichtige Faktor in jedem Staatsleben, sich immer mehr heben und entwickeln möge zum Segen unseres deut- > scheu Vaterlandes.

^ Die zahlreiche Hörerschaft war für ^ diesen mit Humor gewürzten Vortrag , dankbar und sichtlich befriedigt. Möge ;cr bald Nachfolger sindeii.