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Fakultät der Universität Tübingen von nun an der Name:slaatswissen- schaftliche Fakultät" vcigelegt werde.

Stuttgart, 1. Februar. Die würt- tembergische Notenbank hat den Diskont» für Platzwechsel auf 6"/», den Darleheus- zinsfuß auf 7 "/» erhöht.

Eßlingen, 3. Febr. Heute Nacht 3 Uhr traf den Sonderzug der Kaiserin von Oesterreich auf Ihrer Reise zur Jagd nach England ein unwillkommener Aufenthalt auf hiesiger Station, die Achse des Wagens war in Brand gerathen und bis ein anderer Wagen von Cannstatt herbeigeholt war, wurde es 8 Uhr vorbei.

Die Polizei zu Ulm hat gegenwärtig wieder vollauf zu thun. um die zahlreichen Landstreicher und Vagabunden im Zaume zu halten. So hielt sie vorgestern ,cine umfangreiche Razzia ab, deren Erfolg die Verhaftung von 28 Landstreichern und Bettlern war.

Mergentheim, 2. Febr. In dem 2 Stunden von hier entfernten Stuppacher Staatswald, Revier Dörzbach, wurde gestern die weitbekannte große Eiche gefällt, welche einen untern Durchmesser von 2 Nieter, einen Umfang von 0 Nieter und eine Länge von ca. 35 Meter hatte. Nach den gezählten Jahresringen ist sic ca. 400 Jahre alt. Ein so seltenes Ereiguiß hatte eine große Menge Zuschauer aus der Umgegend angezvgen und so bot der Wald trotz der ungewohnten Zeit ein bunt be­wegtes Bild.

Aalen, 2. Febr. In einer Sägmühle dahier kam heute beim Durchschneiden des oberen Blocks einer großen Tanne das Sägeblatt auf einen harten Körper. Beim Nachsehen ergab sich, daß inmitten des Blocks, in das Herz der Tanne, ein Bom­bensplitter im Gewicht von circa 2 3 Pfunden eingewachsen war und der Zahl der Jahresringe entsprechend mindestens 80 Jahre cingesargt gewesen sein muß. Bon Außen war nicht das Mindeste an dem Block wahrzunehmen, was auf eine Verletzung hätte schließen lassen. Die Tanne wurde in einem etwa 10 Minuten von Ellenberg, O.A. Ellwangen entfernten Berge gefällt. Es wird dies jedenfalls in die Zeit der Franzosenkriege, wenn nicht weiter zurückzudatiren fein. Es fand sich in einer Höhe von etwa 15 Meter vor. (S. M.)

Besigheim, 2. Febr. Am letzten Montag wurde in Kirchhcim in der Nähe des Tunnels von den dortigen Fischern ein 30' langer und 14/s' im Durchmesser haltender Eichstamm aus dem Neckar ge­zogen, der wohl schon über hundert Jahre dort gelegen sein mag. Das Holz hat ein ganz dunkles Aussehen, ist aber noch gesund. Eine tiefe Schichte von Schlamm muß ihn bedeckt haben, die aber nach und nach wcggespült wurde, bis der Stamm blotzgclegt war.

Neuenbürg, 3. Febr. Das Winter- Vergnügen des Schlittschuhlaufens, das sich hier in den letzten Jahren mehr und mehr Eingang verschafft hat, wird seit einigen Wochen von Jung und Alt mit kurzen Unterbrechungen fröhlich profitirt, wohl auch deßhalb mehr, weil der Jugend die längst vermißte Schneebahn fehlt. Besonders ist es aber Heuer wieder die schützbare Damenwelt, die der angenehmen

Lcibesübung vergnüglich huldigt; auch sie scheut den Marsch zu den auf den Thal­wiesen oberhalb des Eiscnfurt-Werkcs von einigen Brauherrn angelegtenEissccn" nicht; gilt cs doch hier auch nebenbei der Sache die gesellschaftliche Seite abzuge- winncn. Gewährt schon dem Zuschauer das bunte Treiben der gewandten Schnell­läufer, das eben auch wieder durch die man­nigfaltigemoderne" Kleidsamkeit unserer Damen wesentlich erhöht wird, Amüsement, um so mehr diesen selbst. Das Entgegen­kommen der HH. Besitzer der Eissccn, sowohl der erstgenannten als auch des der Reutwiesc au der Bahuhofstraße, die in ihrer Eisgewinnung, wohl in der Hoff­nung, daß die auch sonst für die Bereitung ihres Gerstensaftes dienliche Temperatur noch länger andauern werde, nobel und rücksichtsvoll für den Schlittschuhsport sind, wird allseitig dankbar anerkannt.

MisMen.

Jürii Aismarck.

Ein Lckcnslülll non Alenenisz licm Jüngeren.

(Fortsetzung.)

Alle Ehren, die Sonveraine überhaupt vergeben können, hat man von allen Seiten auf ihn gehäuft seit jenem Tage, da der erste deutsche Kaiser dein Wiederhcrsteller deü deutschen Reiches den Fürstenhut ver­lieh. Es gicbt wohl keinen Souvcrain in der Welt, der nicht schon einmal darüber nachgcdacht hätte, wie trefflich er die In­teressen seiner Dynastie fördern könnte, wenn Bismarck sein Minister wäre. Und entschlösse sich der Kanzler, nach Amerika auszuwandern, wer weiß, ob ihn nicht das amerikanische Volk, die einschränkenden Vorschriften seiner Verfassung mißachtend, zum Präsidenten wählen möchte.

Wie verhält sich aber zu alledem das deutsche Volk? Dem neugierigen Frage­steller, welcher vielleicht ein deutscher Aus­wanderer nach Canada oder den Südsec- inscln ist, der sich seit Jahrzehnten nur aus den Zeitungen über deutsche Verhält­nisse informirt hat, kann nicht leicht und nicht ohne Erröthcn geantwortet werden.

Das deutsche Volk scheidet sich, von einer kleinen Minorität abgesehen, in solche, die den Kanzler unthätig bewun­dern und in solche, die ihm unthätig grollen. Die Bewunderer sind nicht wenige. Zu ihnen gehört namentlich der deutsche Bauer, in dessen Stube das Conterfei des Kanzlers hängt und der vonseinem" BiSmarck Schutz und Hilfe gegen jedwedes Aergcrniß erwartet, sei dieses der National­feind, oder der Sozialdemokrat, seien es die hohen Steuern, die niedrigen Korn­preise oder selbst der Mißwachs.

Dem Bauern vergönnt die öffentliche Meinung in Deutschland die Bewunderung des großen Mannes. Desto mehr verargt sic dieselbe dem Stadtbewohner. Die be­geisterten Bewunderer Bismarcks in den Städten gerathen »allesammt in den Ge­ruch des Streberthums; denn Bewunderung, für wen sic immer besteht, ist der deutschen Skepsis ein Gift.

In leicht verdientem Ansehen steht da­her die große Zahl der unthätigen Groller. Die Ursachen des Grolls sind tausend­fältig. Man wirft dem Kanzler vor, daß

seine Führung der Geschäfte auf dieBureau- kratle zersetzend wirke. Das ist zweifellos richtig. Aber man darf sich wohl darüber trösten; die Schäden der Bureaukratie werden sich heilen lassen; die Bureau­kratie hat stets unter der Genialität am schwersten gelitten und das Leiden ist immer rasch geschwunden, wenn nur erst die Genialität geschwunden war.

Man beschuldigt ihn ferner, daß er sich durchaus mit dem Parlamentarismus nicht verstehen wolle; gerade, was dem Parlamentarier am heiligsten sei, die Partei, die Fraktion, das Programm und um das Beste zuletztzu nennen, die Partei- Autorität, behandle der Kanzler mit kränkender Nonchalance. Auch das ist wahr und dieses Zugeständnis; soll nicht durch irgend eine spöttische Bemerkung verbittert werden. Aber trägt daran der Kanzler allein die Schuld, könnte der neugierige Canadier fragen, dabei viel­leicht des römischen ^ckilümle S8t, satirum non scribere" gedenkend, Wie groß ist wohl die Zahl der echten Politiker im deutschen Parlamente, verglichen mit der Zahl der echten Dilettanten? (Einem Canadier müßte man solche Fragen schon zu Gute halten, da er wahrscheinlich Eurv- pens übertünchte re. rc. nicht mehr kennt.) Und hat dieser selbe Kanzler nicht bei aller angeblichen Geringschätzung des Parlamentarismus das Verdienst, im deutschen Reiche den einzigen europäischen Staat geschaffen zu haben, der schon vom Tage seiner Geburt an constitutionell war? Hat er nicht in Preußen vom Parlamente Indemnität erbeten zu einer Zeit, als er ihrer zur Herstellung des Friedens viel­leicht nicht mehr bedurft hätte? Erhandelt auch gar nicht gegen den Willen der Majorität; er sucht nur die Majorität für sich zu gewinnen. Thut er damit etwas Anderes, als was jeder parla­mentarische Führer anstrebt? Entschließt Euch, ohne ihn fertig zu werden, dann könnt Ihr ihm getrost Nein sagen; be­dürft Ihr seiner, so beugt Euch seinem Willen! Welche Bedingungen würde nach dieser Richtung wohl ein Führer des Centrums stellen, wenn er gewiß wäre, daß man ihn nicht entbehren könne oder wolle?

(Schluß folgt.)

Der Schah des Geizigen.

(Fortsetzung.)

Die Mauer war zusammcngebröckelt und zeigte da und dort mit Mörteltrüm­mern ausgefüllte weite Spalten, die Fvur- nier auf's Sorgfältigste untersuchte, ohne daß er etwas entdecken konnte. Nur an der Hinterseite des Brunnens, hinter dem schadhaften Pfeiler, der früher einen Fries getragen, schien massive Wand zu sein. Nachdem der junge Mann zu wiederholten Maten den Platz in allen seinen Thcilen untersucht hatte, begann er sich seiner eige­nen Leichtgläubigkeit zu schämen. Wie mochte er auch dem romanhaften Gedanken Raum geben, ein werthvollcr Gegenstand stecke in einer alten Brunnenmauer ver­borgen, und so thöricht sein, den letzten, kaum verständlichen Worten, welche ein rhörichter alter Mann herauSstammeltc, Glauben zu schenken? Mit einem mitlci-