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Haar; im Sturmschritt eilte er auf den unartigen Burschen zu, um ihn für seine Unart auf das Nachdrücklichste zu züchtigen. Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewiger Bund zu flechten!" mochte Schiller denken. Der arme Bursche war vor dem Hauptmann in die Knie gesunken; aus nicht eben sanfte Weise wollte er ihn emporreißcu, da mußte er zu seinem Schrecken hören und fühlen, wie der spröde Stoff nachgab und eine nicht unbedeutende Bresche bildete. Ein brausendes Gelächter erscholl; der Regisseur zankte und wetterte, der Vorhang fiel. Der arme Hosrath mußte sich platt auf den Boden legen, wo ihm der Garderobeschneider den Riß zunähte. Das Spiel nahm seinen Fort­gang , der Zigeuner bekam die vorge- ichricbcncn Schlüge; ein weiterer Unfall war nicht zu verzeichnen.

(Schluß folgt.)

Der Schah des Geizigen.

Gleich allen anderen Straßen von Versailles findet mau auch die Rue des Uäsorvoirs schon zu einer frühen Stunde des Abends still und verlassen. Sobald die Schatten sich zu vertiefen anfangen, werden alle Hautzthüren und Fenster ge­schlossen, die Vorhänge vorgezogeu, und man sieht in der breiten Straße statt der prächtigen Jagdzüge, welche sic in den Togen des pruukliebenden Ludwig XIV. zu beleben pflegten, nur noch da und dort einen Spätling, der eiligen Schrittes seiner Heimath zustrebt.

Ein solcher hat eben eine kleine ein­stöckige Wohnung am äußersten Ende einer Straße erreicht. Er schließt die Hausthür selbst auf, und bald nachher sieht man durch die Fenster ein Licht blinken, das sich im Innern hin .und her bewegt, als nehme der Bewohner vor Schlafengehen nrch eine Hausvisitation vor.

Wir folgen im Geist dem Lichte und finden ein Besuchzimmer, dessen mehr auf den Schein berechnete Möblirung uns ahnen läßt, welche Opfer gebracht worden find, um anständig auszuschen; in dem Studirftübchen nebenan steht ein Schreib­tisch, mit glanznencm Leder überzogen, und eine niedere Treppe führt zu dem etwas erhöhten Schlasgemach. In dem letzteren hat jeder Versuch, Eleganz zu zeigen, aufgehört und den unverkennbaren Merkmalen des Mangels Platz gemacht. Das niedere Bett ohne Vorhänge ist blos mit einem fadenscheinigen baumwollenen Couvert bedeckt und liefert nebst dem übrigen Möbclwerk, das aus ein paar Strohstühlen, einem wackeligen Tisch und einem altmodischen, baufälligen Sekretär besteht, den Beweis, wie sehr der Inhaber dieser Herberge am Nvthdürftigstcn Ab­bruch gethan hat, um das, was dem Auge des Publikums blvßgestellt war, mit der Maske des Ueberflusfes zu überkleiden.

Der kurze Ucberblick genügt, um uns über die nicht bencideuswcrthe Lage des Bewohners zu unterrichten. August Four- nier hatte das kleine Erbe, das ihm sein Vater hinterlasfen, nahezu auf seine medi­zinische Ausbildung verwendet und sah, als er eine Praxis zu gewinnen suchte, fick' genöthigt, auch den Rest vollends da ^n zu rücken, damit nicht das dürftige A chen seiner Umgebung vornweg diel

Kunden von ihm abschreckc. Und so harrte er denn unter dem Scheine des Wohl­stands, den er durch die schwersten Ent­behrungen erkaufen mußte, daß sein Ge­schäft allmälig in Aufnahme kommen möchte.

Er hatte ungefähr ein Jahr in Ver­sailles gewohnt, ohne in etwas Anderem, als in den goldenen Hoffnungen der Zu­kunft einen Trost zu finden. Seine Hilfs­quellen waren nahezu erschöpft, und noch immer wollten die Patienten, diese ewigen Spukgcstalten seiner wachen Träume, nicht kommen. In seiner Roth bewarb sich der junge Doktor um den Beistand einfluß­reicher persönlicher Frcnudc. Diese lobten zwar seine Talente, seinen Eifer, seine Gewissenhaftigkeit, aber dabei blieb's; sic glaubten mit der Gerechtigkeit, die sie ihm widerfahren ließen, das Ihrige gethan zu haben und der selbstthätigen Protektion siclp cntschlagcn zu dürfen. Als letzte Hilfsquelle meldete er sich unter Nieder- kämpfuug aller Schüchternheitsgcfühlc mit großer Beharrlichkeit um die Ärztstclle an einem Hospital, das aus der für diesen Zweck bestimmten Hinterlassenschaft eines Philantropcn neu errichtet worden war; aber unglücklicherweise schienen diejenigen, welche in dieser Angelegenheit seine Sache fördern konnten, nicht mehr Einfluß zu besitzen, als für ihr eigenes Interesse nöthig war. Man gab ihm Zusagen, machte ihm Hoffnung, und endlich hörte der junge Doktor, daß ein Anderer den Posten erhalten habe.

Diese Kunde verdoppelte die Schwer- muth, die in letzter Zeit auf ihm gelastet. Nachdem er einen trostlosen Blick auf sein Schlafzimmer geworfen und die häuslichen Verrichtungen, die sonst dem Bedienten zufallen, selbst besorgt hatte, setzte er sich an's Fenster, drückte seine Stirn an die feuchten Glasscheiben und versank in dü­stere Gedanken.

Vor den Fenstern lief ein gemeinschaft­licher Hof hin, welcher das Hans des Doktors von einem andern, das von einem alten Auktionator Namens Duret bewohnt wurde, trennte. Dein Letzteren, einem in in der ganzen Nachbarschaft wegen seines Geizes verrufenen Menschen, gehörten beide Häuser sammt einem sehr vernach­lässigten und verwilderten Garten, der gegen den Hof nur durch einen wurm­stichigen Zaun abgegrenzt wurde. Ein junges Mädchen, sein Pathchen, das er als Kind zu sich genommen, besorgte seine Haushaltung. Er hatte auf diese Weise unter dem Schein der Wohlthütigkeit sich eine Dienerin gesichert, die von ihm keinen Lohn erhielt und freiwillig seine angeb­liche Armuth theilte.

(Fortsetzung folgt.)

AeiMche in der guten alten Zeit.

Mit einemG'segnctc Mahlzeit" er­greift der Kaufmann, der Bureaubeamte zur Mittagszeit Hut und Stock, um hinauf zur Familie zu eilen oder hinüber in's Hotel zur Tadle d'hvte zu schlendern. Die Mittagszeit bildet nicht nur für die ge­nannten, sondern noch für viele Andere im Verlaufe des der Arbeit gewidmeten Tages sowohl die nöthige Ruhepause, als auch die willkommene Gelegenheit, die

s kleinen persönlichen Erlebnisse des Tages in gemüthlichem Geplauder inmitten des Familienkreises oder einer stabilen Tisch­genossenschaft anszutauschen. Daß diefe Tischgespräche immer interessant sind oder auch sein müssen, möchte wohl Niemand behaupten; denn während sich der Mensch mit Wohlbehagen einer der materiellsten Beschäftigungen, dem Essen, hingiebt, kann er nicht wohl auch der mitcsseuden Mensch­heit duftende Blüthen des Geistes reichen und während seine Zähne sich in das saftige Beefsteak vertiefen, kann er eigent­lich nicht auch das neueste Lustspiel zer­legen oder über die Grundgesetze der Schönheitslehre einen Vortrag halten wollen. Wohl aber ist nichts angenehmer, als nach geschehener Sättigung des Leibes den blauen Ringen der brennenden Cigarre nachzusehcn und sich durch ein leidenschafts­loses Gespräch in angenehmer Weise an- rcgen zu lassen. Aber woher immer den Stoff dazu nehmen, ohne ihn an den Haaren herbeizuziehcn? Die Tischgeräthe, welche eben abgetragen werden, können uns für heute guten Stoff liefern, wenn wir uns von ihnen ein Stückchen Kultur­geschichte, die sich innerhalb der vier Pfähle abgespielt hat, erzählen lassen.

Vergönnen wir zuerst der Gabel das Wort, so wird sich diese als die jüngste unter den Werkzeugen des Tisches, durch welche der Mensch den sreien Gebrauch der Finger zum Essen beschränkt, legitimiren; denn während der Gebrauch des Messers ein uralter ist und auch der Löffel schon seit langer Zeit zur Suppen-, Brei- und Gcmüseschüssel geführt worden ist, kommen die Gabeln erst zu Ende des 16. Jahr­hunderts vor. Zwar ist die Gabel viel­fach die natürliche Gehilfin des Messers, indem sie festhält, was jenes zerschneidet, so ist sie doch dem Löffel näher verwandt, als dem Messer; denn sie hat vielfach die Funktionen des Löffels übernommen und überläßt diesem eigentlich nur die Beförderung der am wenigsten konsistenten, der flüssigen Speisen. Sie ist also nur ein gespaltener Löffel. Auf diese ihre ur­sprüngliche Bestimmung weist auch die Löffelbicgung hin, die man neuerdings namentlich an den neusilbernen Gabeln der Hotels beobachten kann. Der Mangel an Gabeln uöthigte in alter Zeit zum Gebrauch derfüufziukigen," der fünf Finger. Dieser Gebrauch erheischte es aber auch, daß man sich nicht allein vor Tische sorgsam die Hände wusch, sondern daß auch nach den Fleischspeisen mehrmals Handwasser herumgereicht wurde.

Ter Löffel, jüngeren Ursprungs als das Messer, war aus Holz oder Horn ge­schnitzt. Nur bei reichen Leuten, Edellcuten und Fürsten waren dieselben nicht nur aus Wachhvlder- oder Maserholz geschnitzt, sondern sie hatten auch einen massiv sil­bernen oder wenigstens mit Silber aus- geleglen Stiel. Ein Inventarverzeichnis; der schweizer Stadt Winterthur aus dem Jahre 1469 führt Löffel auf, welche aus - Buchsbaum geschnitzt waren.

(Fortsetzung folgt.)

sEin Opfer seiner Pflichttreuc.s Der Wiener Presse" nnrd folgende Geschichte erzählt: Am Freitag kam ein Bote von der Forvvics'schen Puszta, nächst Klein-