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Baihingen a. E., 9. Jan. Gestern! wählte der hiesige Kriegervercin Präzeptor Zimmer einstimmig Zum Vorstände.

Stuttgart, 8. Jan. Wie schon be­richtet, soll für unsere Exportindustric ein Musterlager in den hiezu so passenden Räumen der Gewerbehalle errichtet werden. Die durch die Landcsgewcrbcausstellung eingeleitetcn Geschäftsverbindungen sollen gepflegt und weiter entwickelt werden. Das Zusammenfassen der gesummten Landes- Industrie in der Hauptstadt Württembergs bewirkte den großen Zusammenfluß ge­schäftlicher Elemente und Faktoren des Auslandes. In gleichem Maße dürfte eine permanente Ausstellung unserer Er­zeugnisse einen vcrhältnißmäßig fortwäh­renden Zufluß fremder Einkäufer herbei­führen. iS- M.)

Bietigheim, 8. Jan. Ein Beispiel seltener Dienstbotentrcue, das zugleich der Herrschaft zur Ehre gereicht, ist von hier zur Nachahmung zu berichten. In den letzten Tagen starb, von ihrer Dienstfrau mit aufopfernder Liebe verpflegt, Marie Gunzcnhauser aus Söhnstctten gebürtig, 86 Jahre alt, nachdem sic 58 Jahre lang im Hause des im September v. I. ver­storbenen Pfarrers äl. Keller treu gedient und sich in dieser Zeit 6000 erspart hatte. Hievon hat sic noch bei Lebzeiten ihre Verwandten reichlich bedacht und zu­gleich der Basler Missionsanstalt und der vaterländischen Bibelanstalt Beitrüge zu- kommcn lassen. iS. MI

Ulm. 5. Jan. Vom hiesigen Schöf­fengerichte wurde lautU. S." ein Hausirer, Karl Wollncr aus Gaisburg, welcher ganz ordinäre Seife für Fleckcnseife verkaufte und sich für ein Stückchen, das etwa 3 4 ^ werth war, 25 ^ und 20 bezah­len ließ, wegen Betrugs zu 3 Wochen Gefängniß verurtheilt.

Calw, 6. Jan. Gestern Abend war im Muscumslokale eine zahlreiche Gesell­schaft versammelt, um mit dem von hier abgehendcn Postmeister Lieb noch einige heitere Stunden zuzubringcn. Derselbe geht als Betricbsinspcktor wieder nach Eßlingen, an seine Stelle hier tritt Hr. Huzcnlaub, bisher in Mühlacker.

* In Calmbach verunglückte der dortige, auch im Bezirk bekannte Thicracht Hr. D. auf eine höchst bedauerliche Weise. In der Nacht vom Montag auf Dienstag brach ein werthvollcs Pferd auf der nach Calw führenden Straße ohne Zweifel in Folge Fahrlässigkeit des Knechts den Fuß; hiezu wurde der Genannte gerufen; bei der Untersuchung drehte sich nun das auf der Seite liegende Pferd plötzlich nach der andern Seite, wodurch dem schon bejahrten und in Ausübung seines Berufes pflicht- getreuen Manne ein Bein abgedrückt wurde. Der Fall erregt allgemeine Theiluahme.

A u s l a n d.

In Frankreich sicht es unter dem neuen Ministerium auch nicht rosiger aus und Gambetta, der sich so lauge vorsichtig hinter den Coulisscn gehalten hat, macht täglich die Erfahrung, daß cs etwas ganz anderes ist auf offener Scene vor einem sehr verschiedenartigen Publikum, die Ver­antwortung zu tragen.

In Akra, Westküste Afrikas sind, wie schon kurz erwähnt, Nachrichten einge­gangen, welche die frühere Meldung, daß

der König von Aschanti 200 junge Mäd­chen ermorden ließ, um mit ihrem Blute den zur Erbauung eines neuen Palastes erforderlichen Kalk anzuseuchten, bestätigen. Die unglücklichen Mädchen gehörten einigen benachbarten Stämmen an. deren Städte die Soldaten des Königs von Aschanti cinsielcn, um die erforderliche Anzahl von Opfern aufzubringen.

Miszkllen.

Kern und Schale.

Novcllete von Karl Müller, ircorlsetzung.)

Dürft' ich Sic noch um eine Gefällig­keit bitten, verehrter Freund?" fragte Frau Sternberg, als die Quittung aus­gestellt war, was natürlich nach Frauen­art nicht ohne mancherlei Umstände ge­schehen konnte.Sie gehen auf dem Heimwege gewiß an irgend einer Brief­lade vorüber, nicht wahr? Fanny hat, wie ich sehe, einen Brief geschrieben, den sic abschicken möchte und ich habe das Mädchen in die Stadt geschickt. Und weil wir denn in unserer Vorstadt so weit von einer Briefladc entfernt sind, so erkennen wir es immer mit großem Danke an, wenn ein Freund zuweilen die Gefälligkeit hat, uns einen Brief mitzuuchmcn!"

Geben Sie her, meine Liebe! diese Kleinigkeit Hütte nicht der langen Vorrede bedurft," sagte Herr Reichardt freundlich.

Sic sind allzu gütig," entgegnete Fanny etwas verwirrt;aber ich möchte Sie nicht länger aufhalten, da ich dem Briefe noch einige Zeilen anzufügen habe!"

Jenun, wenn die Nachschrift, die ja jeder Fraucnbricf haben muß, nicht über eine Seite einnimmt, so kann ich schon warten," gab der launige Anwalt zur Antwort, den die Neugier zu plagen schien, an wen wohl Fanny zu schreiben habe. Ich will mich gerne noch ein Viertel- stündchcn gedulden, wenn ich Ihnen dienen kann!"

Er ließ sich hierauf in ein Gespräch über gleichgiltige Gegenstände mit Frau Stcrnberg ein, während Fanny ihrem Brief noch eine weitere Nachschrift beifügte. Sie hätte eigentlich gewünscht, daß weder ihre Mutter noch Herr Reichardt die Adresse dieses Briefes erfahre, allein durch die dringende Dienstfertigkeit des Anwaltes war ein ferneres Verhehlen unmöglich, wenigstens vor ihm. Alles, was ihr da­her zu thun übrig blieb, war sich in das unvermeidliche zu ergeben, sich in ihrer schriftlichen Mittheilung möglichst gedrängt und kurz zu fassen und sich ganz unbe­fangen und geschäftsmäßig zu stellen, während sic, unter den scharf beobachten­den Blicken des Herrn Reichardt, folgende Nachschrift hinzufügte:

Seit ich vorstehende Zeilen nicder- schricb, ist etwas vorgcsallcn, was meine Ansichten und Entschlüsse über Ihren Antrag einigermaßen verändert. Ein Freund ein herzensguter Mann, der nur in diesem Augenblicke ohne cs zu wissen mir durch seine Nähe lästig wird wartet auf diesen Brief, um ihn mitzunehmen und in eine Briefladc zu werfen; ich habe daher keine Zeit, um j mich auf die beste und passendste Aus-. drucksweise zu besinnen. Ich bin zu! einem ruhigen Nachdenken unfähig, denn I

ich fühle, daß er mich mit lauernder Ungeduld beobachtet, und dieß macht mich nervös und zerstreut. Wie soll ich die schlichte Wahrheit in wenigen Worten aussprechen und sic doch mit der nöthigen Rücksicht und Delicatesse einkleiden? Mein lieber, theurcr Freund, lassen Sie mich ein Citat aus Shake­speare borgen:"

Hiemit hatte sie das Ende einer Seite erreicht und mußte das Blatt umwenden; das angeführte Citat war aus demSturm" und stund als einzige Zeile auf der letzten Seite mit den Worten:

Ich bin Eu'r Weib, wenn Ihr mich haben wollt*)!"

Als sie dieß schrieb, vergaß sie den Advokaten und dachte einzig nur an das Glück, welches sie vermöge ihrer plötzlich so sehr verbesserten Vermögens-Verhält­nisse nun einem Manne bereiten konnte, den sie so hoch achtete und innig verehrte. Vielleicht lieh eine Regung von bewußter Selbstaufopferung, welche sie damit beging, daß sie ihr eigenes Ich und ihr gegen­wärtiges und künftiges Vermögen einem Manne schenkte, gegen welchen die Natur so grausam und stiefmütterlich gewesen war, ihren Gefühlen noch ein besonderes Ausglühen von Enthusiasmus. Sicherlich vergaß sie eine Weile den Advokaten und seine scharfen, lauernden Blicke, denn sie schlug die feuchten Augen voll Rührung zum Himmel auf, und ein Ausdruck engel­süßer Herzensgüte strahlte in Wirklichkeit auf einen Moment von ihrem lieblichen Gesicht und verklärte dasselbe, so lange er dauerte, mit einer wunderbaren, er­greifenden Schönheit. Herr Reichardt war ganz betreten und es blieben ihm beinahe mitten in der Rede die Worte aus. Fanny aber sammelte sich plötzlich wieder, ver­siegelte abermals ihren Brief und gab ihn mit einer Miene voll Selbstbeherrschung und mit ihren gewöhnlichen Tone freund­licher Bitte Herrn Reichardt, der sich nun empfahl. (Foryetzung folgt.)

*) Der Sturm, III. Akt, erste Scene.

Iie drei Wünsche.

Ein Tendenzmärchen von N. Fischer.

(Fortsetzung.)

HauS sprach:O, ich habe nur einen Wunsch und der ist: Die Verbesserung der Arbeiterverhültnisse, die Lösung der socialen Frage."

Die Fee entgegnete:Dieser Wunsch ist zu allgemein ausgedrückt. Nenne Be­stimmtes, wie und wodurch die Arbeiter- Verhältnisse verbessert, die soziale Frage gelöst werden solle!"

Hans antwortete:Erstens, daß das Großkapital, welches uns Arbeiter drückt, verschwinde. Es solle keine Reichen mehr geben, die uns aussaugen und von unserm Schweiße prassen, die in Ucberfluß schwel­gen und spazieren fahren, während wir arbeiten und darben. Ist kein Kapitalist mehr da, so gibts auch kein Kleidermagazin mehr, neben welchem ein ehrlicher Schneider nicht bestehen kann. Zweitens wünsche ich. daß keine Nähmaschine, überhaupt ! keine Maschine mehr existire. Denn die Maschinen nehmen uns die Arbeit weg Find drücken die Arbeitslöhne herunter. >Mit der Maschine kann der Handarbeiter