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Tnmuk.

Deutschland.

Berlin, 9. Jan. DieNvrdd. Mg. Ztg." schreibt: Von den Verhandlungen im Reichstage in diesem Frühjahr wird es abhängen, ob das volle Fabrikations- Monopol, oder nur das Monopol für rohen Tabak eingesührt wird. Wenn keine von beiden Mvnopolsormcn Annahme fin­det, dann beabsichtigt die Regierung eine Erhöhung der jetzigen Gewichtstcuer zu beantragen. Aus dieser und aus der beabsichtigten Besteuerung der Getränke hofft die Regierung die Mittel zur Aus­hebung der Klassensteucr und zur Ueber- weisung der Grundsteuer au die Kommu­nalverbände zu beschaffen.

Karlsruhe. 9. Jan. Wir erfahren aus Baden, das; die ursprünglich auf heute festgesetzte Abreise Sr. K. Hoh. des Groß­herzogs nach Cannes wegen einer vom Samstag auf Sonntag unerwartet ausge­tretenen akuten Entzündung der Rcgcn- bogen-Haut des rechten Auges für einige Zeit verschoben werden mußte.

Der badischen zweiten Kammer ging am 7. d. die Vorlage zur Erbauung einer Höllenthal-Bahn auf Staatskosten zu. Die Bahn soll von Freiburg nach Neustadt als cingeleisige Normalspur mit Sekundär­betrieb gebaut werden. Als Bedingung wird gestellt: unentgeltliche Abtretung des Terrains von Seiten der Gemeinden, wie eine halbe Million Mark Zuschuß von diesen zu den Baukosten. Damit wäre einem langgehegten dringenden Wunsche des badischen Schwarzwalds entgegcnge- kommen.

Karlsruhe, 9. Jan.' Die Stadt Karlsruhe ist mit einem Steucrkapital von rund 158Mill. zur Krcisumlagc bei- gczogen, der Amtsbezirk mit 127 Milt.

In Karlsruhe wurde der Stadt­bann durch die Aufnahme der Beicrtheimer Vorstadt in die Stadtgcmarknng ansehnlich erweitert. Die Residenz zahlt dafür nach Beiertheim 90,000lL Die Bauthätigkcit wird nunmehr wohl noch energischer als bisher auf dem neuen städtischen Terrain sich entfalten, und die bereits daselbst Wohnenden fühlen sich erst jetzt als rechte Karlsruher.

Konstanz, 9. Jan. Ein cigcnthüm- licher, düsterer Vorgang macht hier von sich reden. Ein württembergischer Militär­sträfling, welcher in Ulm entsprungen und in Lörrach wieder verhaftet worden war, sollte über hier und Friedrichshofen nach Ulm zurückbcfördert werden. Sergeant Nuckmich und ein Gefreiter vom hiesigen Regiment nahmen ihn Samstag Nach­mittag am hiesigen Bahnhof in Empfang und führten ihn zur Kaserne. Wie cs scheint, war Riet als fluchtverdächtig be­zeichnet worden, denn man legte ihm auf dem Perron Handfesseln an und lud vor seinen Augen die Gewehre. Der Unglück­liche machte gleichwohl vor dem Thor der Kaserne einen Fluchtversuch; Sergeant Nuckmich rief dreimal rasch nacheinander Halt," und da Niel nicht stand, drückte er sein Gewehr los und traf den Flücht­ling durch den Kopf, so daß dieser sofort niederstürzte und nach wenigen Augen­blicken den letzten Athcmzug that. Die rasche That wird begreiflicherweise hier

viel bcsprvchen. Nach der Konst. Ztg.: hieß der Sträfling Rieg. Nach ders. soll der Arrestant vor der Kaserne die Kette zerrissen haben, mit der er gefesselt war.

(Schw. M.)

Pforzheim. Der Vetcranen-Vcrein begeht Samstag den 13. Januar Abends 8 Uhr im Schwarzen Adler die Feier von Belfvrt.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger berichtet über eine Rettung aus Scegefahr von 14 Personen wie folgt nach Meldung des Vormann Wandahl: Wir fuhren mit dem Rettungsboot und 2 Spann Pferden nebst 5 Mann nach Tvftnm, während 3 Mann bereits vor- aufgegangcn waren. Um 1 Uhr wurde Toftum erreicht, doch waren die Pferde durch den höchst beschwerlichen Weg so sehr abgemattet, daß nur mit einem frischen Gespann die noch etwa 1 Meile entfernte Strandungsstellc erreicht werden konnte. Der Strandvogt Bundesen erklärte jedoch, daß es unmöglich sei, den noch viel schlechteren Weg zur Strandungsstelle, über Hügel und durch tiefe Wasserpfützen, in stockfinsterer Nacht mit dem Rettungs­boot zurückzulegcn, welches auch wir schon befürchtet hatten. Erst mit Anbruch des Tages zwischen 5 und 6 Uhr setzten wir unseren Weg fort und gelangten nach vielen Mühenm 8 Uhr in die Nähe der Strandungsstelle. Das Schiff saß ca. '/« Meile vom Lande entfernt in ge­fährlicher Lage; zwischen Schiff und Land stand eine hohe Brandung bei heftigem W.-S.-W. Winde. Das Rettungsboot wurde sofort zu Wasser gelassen: cs nahm seinen Kurs gerade westwärts, bis es das gestrandete Schiff im Norden hatte. Die Brandung wurde glücklich überwunden, obgleich das Rettungsboot viel Wasser übernahm; wir ließen uns aber nicht ab- schrecken, hielten jetzt gerade aus das Schiff und kamen nach vielen Anstrengungen bis auf 20 Faden nahe heran, woselbst wir Anker fallen ließen. Die Annäherung an das Schiff war sehr gefährlich; wir fierten so nahe wie möglich an dasselbe heran und erhielten 2 Leinen zugcworfcn. Ich rief den Schiffbrüchigen zu. daß jeder ein Tau um den Leib binden solle, und dann geschah' die Uebernahme. Zuerst ein kleiner Knabe, dann zwei Frauen, darauf drei Passagiere und ein erkrankter Matrose, alle kamen glücklich in's Boot, aber^ mehr konnte dasselbe nicht fassen; wir steuerten zurück zum Lande, erreichten cs auch glücklich, obgleich das Boot fast ganz voll Wasser schlug. Die Schiff­brüchigen wurden auf 2 Wagen sofort nach Toftum gefahren und in Pflege ge­nommen. Wir gingen sofort wieder ab zur Rettung der klebrigen. Die See hatte sich etwas beruhigt, sonst wären wir auch wahrscheinlich ermattet. Die Uebernahme der Schiffsmannschaft erfolgte ebenfalls glücklich und um 2 Uhr Nach­mittaas waren die sämmtlichen Schiff­brüchigen in Sicherheit. Das Rettungs­boot wurde aus den Wagen geladen und um 3'/, Uhr kamen wir in Tvftnm an, vollständig durchnäßt und ermattet, nach l7stündigcr Anstrengung. Nachdem wir uns erholt hatten, brachten wir das Ret­tungsboot in den Schuppen zurück und gingen dann zu Hause.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Jan. Am 21. Dezbr. v. I. ist unter dem Vorsitze Seiner Exz. des Herrn Staatsminister der auswärtigen Angelegenheiten Dr. v. Mittnacht der Bei­rath der Vcrkehrsanstalten zum zwcitcn- male seit seiner durch die K. Verordnung vom 20. März erfolgten Neubildung zu- sammengetrcten, um über die in der Ta­gesordnung bezeichnetcn Gegenstände dem Ministerium der Vcrkehrsanstalten gut- ächtliche Aeußerungen abzugeben.

Dabei kam unter Punkt VII. ein Pro­jekt sür die Strecken

WildbadPforzheim, Pforzheim

Horb und StuttgartCalw zur Sprache, welches davon ausgeht, daß die Verbindungen zwischen Stuttgart und Wildbad über Calw verbessert und außer­dem bessere Anschlüsse von Wildbad in der Richtung nach Durlach und umgekehrt her­gestellt werden, sowie daß zwischen Stutt­gart und Wildbad bei einzelnen Zügen Wagenwechscl vermieden wird.

Als eine der wesentlichsten dieser Ver­besserungen in dem Projekt ist die Ermög­lichung längeren Aufenthalts in Stuttgart, indem z. B. bei einer Abfahrt in Wild­bad 4.20 oder 8 mit Ankunft Stutt­gart 9.26 oder 1.25 der letzte Zug ab Stuttgart 7 Uhr mit Rückkunft 10. 55 in Wildbad «ohne Wagenwechsel) stattfinden kann, eine wohlthätige Erleichterung, wo­für das Enzthal gewiß dankbar ist.

Es ist dann wohl auch die erfreulicheAus- sicht, daß mit dem nächsten Svmmcrfahrplan zweckmäßigere Anschlüsse der Züge der Enzthal- und der Nagoldbahn und umge­kehrt cintrcten werden, welche eine Be­nützung beider Bahnen ermöglichen, ohne zuvor auf den Umstcigstationen einige Stunden zu langweilen, wenn man nicht Vorzug, zur Abkürzung größere Strecken zu Fuß auf eine dieser Stationen zu machen.

Am 22. Dez. v. I. fand nach dem Gcw.-Bl. unter dem Vorsitz des Staatsmin. des Innern v. Höldcr eine Sitzung des Gcsammtkollegiums der Zentralstelle für Gewerbe und Handel statt. Zur Bera- thung gelangten Maßregeln zur Hebung der Fabrikation leinener Taschentücher. Zur Erreichung dieser Zwecke soll u. a. in der Weise vorgcgangen werden, daß in den We^kMttcn der renommirtcn Firma: Württcmb. Leinewcberei l Hvfinann u.Cie.) in Laichingcn" eine genügende Anzahl von Webern in der Taschentücherweberei nach irischem System durch einen aus Irland hiefür beizuziehendcn tüchtigen Taschcntüchcrwcber praktisch herangcbildet werden. Ferner kam zur Verhandlung die Hebung der Württemberg. Korbflecht­industrie. Das Kollegium entschied sich für die Ansicht, daß für viele Gegenden unseres Landes die Korbflechterei als eine lohnende und leicht zu erlernende Haus­industrie höchst erwünscht wäre, und daß daher in Ausführung der zu diesem Zweck bereits getroffenen Vorbereitung eine in Metzingen, D.-A. Urach, bestehende be­deutendere Korbflechterei (Fr. Kuhn u. Söhne) mittelst Staatssubvention in den Stand gesetzt werden solle, ihre Werkstätte zu einer mit den erforderlichen Lehrkräften und Einrichtungen ausgerüsteten größeren j Lehrwerkstätten zu erweitern.