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Tour, Vionville und Gravelotte erstreckt. Kaum hatten wir, so wird der „Köln. Zlg." geschrieben, die Schlucht überstiegen, als sich uns rin ergreifender Anblick darbot: so weil das Auge reichte, einfache Kreuze, die Massengräber der gefallenen Soldaten bezeichnend, und aus dem Rücken des Berges eine Anzahl größerer Monumenle, den gefallenen Kameraden von der Pietät der überlebenden gewidmet. Hier verließ auch heule der Kaiser den Wagen, um einen Ilederblick über die blutgetränkten Felder zu werfen. Sichtbar ergriffen las er die Namen der Gefallenen und bestieg dann den Hügel, auf welchem das eigentliche Sieindenkmal steht. Es ist ein trauriger Anblick, denn wohin man sieht, da ragen weiße Kreuze, und dazwischen heben sich die großen Sleindenkmäler ab, welche die Regimenter und Divisionen später dem Andenken der Kameraden gesetzt haben.
Umgeben von seiner zahlreichen Suite stand der Kaiser wohl Stunden an diesem Denkmal, während Major Zingler vom Generalstabe einen den Vorgang der Schlacht erläuternden Vortrag hielt.
Hierauf wurde die Fahrt gegen Vion- Me fortgesetzl, das hart erstrittene, blutig errungene; es ist ein schmutziges Nest. Heute Halle es sich nach Kräften heraus geputzt. Dicht daneben verläuft die französische Grenze. Der Kaiser und der Krön- priuz unterhielten sich in leutseligster Weise mit den versammelten Landleuten, und es gewährte eine» seltsamen Anblick, wie ein Blouscnmann zwischen dem Kaiser und dem Prinzen Karl stand und sich mit beiden in gemüthlichster Weise unterhielt. — Aus der Fahrt von Vionville nach Nezonville traf der Kaiser an der Chaussee auf zahlreiche Denkmäler.
Vor Nezonville verließ der Kaiser den Wagen und begab sich zu Fuß in das Dorf, in welchem er die Nacht vom 18. zum 19. August 1870 zugebracht halte. Es war das dritte oder vierte Haus vom westlichen Eingang aus. Die Besitzerin deS Hauses empfing den Kaiser und führte ihn in seine damalige Wohnung, Eine steile Treppe ging es hinan, vorbei an einem Kornboden, in dem Getreidevorräthe Lusgespeichert waren, und dann in die zwei Kaiserlichen Stuben. Beide waren sehr niedrig nnd durch eine noch niedrigere Thür verbunden. In dem einen Zimmer stand ein großes, massives Himmelbett, in welchem damals der Kaiser geschlafen, und das nach Aussage der Hauseinwohner damals an derselben Stelle gestanden hat wie heute. Alle Möbel waren von größter Einfachheit, und selten oder nie mag ein siegreicher Imperator gezwungen gewesen slin, sich am Abend des Sieges einer solch «»fachen Wohnung zu bedienen. Der Kaiser, der Kronprinz, der Großherzog von Mecklenburg besuchten alle die bescheidenen Stuben, unter deren Fenster jetzt der Krieger- verein von Metz eine Marmortafel befestigt hat mit folgender Inschrift: „In diesem Hause wohnte vom 18. zum 19. August 1870 Se. Majestät der König Wilhelm I. von Preußen. Gewidmet vom Kriegerverein Metz 1879." Auch Marschall Moltke machte 5ch auf die Suche, um sein ehmaliges Ouartier, das demjenigen des Kaisers schräg gegenüber lag, zu entdecken. In
Nezonville war die ganze Gemeinde aufgestellt, ebenso mehrere Kriegervereine und eine Deputation des Kriegervereins von Metz. Mit allen Bürgermeistern, mit den Abgeordneten der Kriegervereine und mit vielen gewöhnlichen Landleuten unterhielten sich der Kaiser, der Kronprinz und der Großherzog von Mecklenburg - Schwerin. Diese Unterhaltungen in dem rein trau zwischen Dorfe wurde in französischer Sprache geführt, und als der Kaiser das Dorf verließ, begleitete ihn denn auch von allen Seiten ein donnerndes „Vivo I'tzmperkur!" ein Ruf. der seit der Vertreibung Rapoleon's III. in dieser Gegend nicht mehr gehört wurde.
Auch in Gravclotte war Gemeinde- Empfang. Von dort begab sich der Kaiser über St. Hubert und Longeville nach Metz zurück.
Auf der weiten Fahrt waren viele Verzögerungen eingetrelen; der Kaiser hatte die alten Bilder mit großem Interesse an sich vorüberziehen lassen, und als Hofmarschall Graf Perponcher ihn darauf aufmerksam machte, daß zur Jnnehaltung des Reiseprogramms der Aufenthalt an den einzelnen Denkmälern abgekürzt werden müsse, erwiderte er ruhig: „Ja. dann werden wir lieber erst morgen früh fahren," und darnach mußten die Dispositionen dann auch geändert werden. Acht Stunden war der Kaiser heute von, Metz abwesend gewesen, und während der ganzen Zeit hatte ihn seine ganze Kraft und Frische niemals verlassen, obgleich die Giäbermenge mit ihren düsteren Erinnerungen ihn offenbar aus's Tiefste erregten. Um 4 Uhr Abends traf der Kaiser wieder in Metz ein, verbat sich jedoch für den Abend jedes Ceremoniel.
Tags darauf erfolgte die Abreise nach Baden.
Der 1. Oktober ist ein Tag von hoher Bedeutung für das deutsche Volk. Die neue Ordnung des Rechtswesens tritt mit diesem Tage für das ganze deutsche Reich in Krakt. Die deutsche Reichsjustizeinheit ist damit vollzogen. Die große nationale Ausgabe, für das ganze Reich ein einheitliches Recht zu schaffen, ist übrigens noch nicht ganz gelöst, denn die neuen Gesetze beziehen sich nur auf das Verfahren vor Gericht und die Verfassung der Gerichte. Es bleibt nunmehr noch die weitere Auf- gäbe zu erfüllen, auch das materielle Recht nach einem Gusse umzugestalten. Lange wird indessen auch die Lösung dieser Aufgabe nicht auf sich warten lassen.
Berlin, 27. Sept. Feldmarschall v. Manteuffel ist heute Vormittag nach Straßburg abgereist.
Fr a n kfurt, 29. Sept. Aus hiesiger Gegend gehen eben massenhaft Kartoffeln nach Belgien und Holland, das Malter zu 4 »fL bis 4 »fL 50
Lenzkirch, 26. Sept. Heute früh hat es bei uns einen anständigen Schnee geworfen. Die Höhen waren am Mittag noch alle weiß.
Bischoffingen (am Kaiserstuhl), 26. Sept. Heute hat Weinhändler I. Helle von Riegel bei Rathsschreiber Rinker hier 306 Liter 1879er Wein geladen. Derselbe wurde am 24. d. M. geherbstet, am
25. verkauft und heute geladen. Der Most wog 62 Grad.
Württemberg.
S t u t t g a r t, 28. Sept. Ihre Majestäten der König und die Königin haben diesen Vormittag die Residenzstadt wieder verlassen und sind mit hohem Gefolge nach Friedrichshafen zurückgekehrt.
Das Regierungsblatt Nr. 34 vom 27. Sept. enthält eine Verfügung des Justitz- ministeriums, betr. die Vollziehung des Forststrafgeietzes, vom 22. Sept. 1879.
Bei der Telegrapbeusiation Tein ach Bad wird vom I. Okt. d. I. an bis auf Weiteres die Dienstzeit wieder beschränkt und zwar sür die Wochentage und die auf solche fallenden Festtage auf die Stunden von 9 bis 10 Uhr Vorm, und von 3 bis 4 Uhr Nachm.
Aus dem Cannstatter Wasen haben die Taschendiebe ganz besonders ihr Wesen getrieben. Ein Stuttgarter fand bei seiner Nachhausekunft zwei leere, ihm nicht zugehörige Portemonnais in seinen Taschen, die ihm von Taschendieben zuge- steckt worden waren, ohne daß er etwas davon bemerkte.
Stuttgart, 30. Sept. (Kartoffel, Kraut und Obstmorkt). Kartoffeln: Zufuhr 200 Säck, Preis per Zlr. 3 bis 3^6. 30 und Aufschlag, Alles verkauft. Kraul, starke Zufuhr per 100 S«ück 7—9 ^ Wilhelmsplatz. Mostobst 300 Säck, Preis per Zlr 4 ^ 60 bis 4 -M, Verkauf lebhaft.
Kirchheimu. T. Obstpreis 29. Sept. Obst pr. Sack ^ 10 bis vfL II, 5. 50 pr. Ztr. — Kartoffeln zu vfL 6—7 pr. Sack, ^ I bis »fL I. 20 pr. Sri.
Freuden st adt den 28. Sept. Se. Maj. der König hat bei seinem Besuche der Gcwerbehalle die schon früher ermähnte Ebenholzschatulle von Schreiner C. Bothmer um den Preis von 800 «-L angekauft. Messerschmied Heinzelmann, W. F. jun., überreichte Sr. Majestät bei der Durchsicht seiner Fabrikate ein elegantes Taschenmesser, auf dessen Heft die Photographie von Ihrer Majestät der Königin angebracht ist, und das huldvollst von Sr. Majestät entgegengenommen wurde. Der König ließ Heinzelmann die Summe von 30 ^6. zustellen. Die Zeit unserer Gewerbeausstellung wird bis 8. Okt. d. I. dauern (also verlängert), an welchem Tage zum Schluß derselben die Verloosung der Lotterie stattfindet. (S. M.)
Ehingen den 25, Sept. Gestern Abend gegen 9 Uhr verließ der ledige Knecht des Wiesmüllers dahier die Bahnhofrestauration in Dettingen in angetrunkenem Zustande. Wie es scheint, verfehlte derselbe den Weg und gieng auf dem Eisenbahndamm heimwärts zu. Der kurz darauf daherbrausende Zug erfaßte ihn und schnitt den Kopf des Unglücklichen mitten durch.
Zuffenhausen, 28. Sept. Gestern Vormittag 10 Uhr wurde der hiesige Briefträger Weckerle in der Wirthschaft zur Krone durch einen Schrotschuß schwer verwundet. Ein Mann aus Mühlhausen a. N., welcher an den Kronenwirth Hopfen verkaufte, brachte gleichzeitig eine Stock- flinte mit und ließ dieselbe als Stock ab- geschraubt so lange in der Wirthschaft liegen, bis sein Hopfen abgewogen wurde. Ein