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jugend bildete Spaliere. Mit einer großen Anzahl von Extrazügen waren im Laufe des Vormittags noch sehr viele Fremde nach Freudenstadt gekommen, auch von Baden und aus dem Elsaß. Der Stuttgarter Frühzug war in einer geradezu lebensgefährlichen Weise überfüllt. Und da- Wetter? Es hatte kein Einsehen und blieb abscheulich. Morgens herrschte ein wütender Sturm, und gegen Mittag, gerade als der Festzug sich in Bewegung setzen sollte, setzte auch der Regen wieder ein und blieb dabei. ES war trostlos. Man mußte nur die weiblichen Mitwirkenden beim Zuge bedauern, die, zum Teil in duftigen Ge­wändern, geradezu durchnäßt wurden. UebrigenS ist man hier nicht zimperlich:DeS send Schwarzwälde» renne, dui könnet scho ebbeS vertraga!" hieß eS. Als der Landesherr beim Fürstenzelt vorgefahren war, das man reich und mit Geschmack auf dem Marktplatz aufgerichtet hatte, bog die Spitze des Zuges aus der Stuttgarterstraßr schon in den Marktplatz ein, wo auch noch weiters Trübinen aufgestellt waren. Der Zug, von Prof. Albert Baud er-Stuttgart ent­worfen, darf als sehr gelungen bezeichnet werden. Die teilweise reichen Kostüme hatte man sich aus München verschafft und die Militärverwaltung hatte mehrere Musikkapellen namentlich von der Artillerie und Kavallerie und eine ganz« Menge Pferde zur Verfügung gestellt. Gleich in der ersten Gruppe wurde der FestwagenFreudenstadtia" lebhaft begrüßt. Verschwenderisch reich ausgestattet war der Jagdzug von Herzog Christoph, der auch ein Modell des Jagd, schlößchenS zu Christophsthal mit sich führte. AIS Herzog Friedrich mit den Salzburger Protestanten erschien, ertönte lauter Beifall. Ein hübsches Bild boten die KriegSscenen aus dem 17. und 18. Jahr­hundert dar. In buntem Durcheinander sah man Württemberg», Oesterreicher, Schweden und Franzosen vorüberziehen, die ein trauriges Zeugnis ablegten von der Zerfahrenheit der damaligen Zustände. Reizend arrangiert war die Schwarzwälder Bauernhochzeit und die Heuernte; auch dos Brautfuder mit Bett, Schrank und Spinnrocken fehlte nicht. Von Poesie überhaucht war die Gruppe, in welcher Mädchen und Knaben den Wald darstcllten, mit allem was da kreucht und fleucht. Ebenso gelungen war die Gruppe Gewerbe und Handel, in welcher sich die Mädchen mit den Heidelbeeren gar hübsch auSnahmen. Die Schloß­gruppe bildeten dieLuftschnapper*, die Kurgäste mit dem Waldcafe und auch die Radfahrer durften nicht fehlen, die auf den kotbedcckten Straßen Not hatten, die Balance zu halten. S. M. der König sprach den Komitenmitgliedern wiederholt seine Be­friedigung über das Gesehene aus und trug ihnen auf, allen Mitwirkenden seinen Dank zu sagen. Trotz des Regenwetters fuhr der König im Laufe deS Nach­mittags im offenen Wagen durch die Straßen, um SehenSwürdigeS und Interessantes, was Frcudenstadt bietet, in Augenschein zu nehmen. Wo das in den Straßen sich drängende Publikum deS Landesherr» ansichtig wurde, schollen ihm laute Hochrufe entgegen. Um 3 Uhr war das Festesten in der Post. Die

Rückfahrt deS König- nach Bebenhausen erfolgte gegen 6 Uhr. Morgen ist der letzt« Festtag.

Freudsnstadt, 37. Sept. Die Haupt, feste find vorüber; die Gestalten der verflossenen 3 Jahrhunderte, die der nach dem vortrefflichen Ar­rangement von Prof. Bauder-Stuttgart ausgeführte historische Festzug vorführte, sind verschwunden, der König ist in die Residenz zurückgekehrt und auch viel« Festgäste haben unsere Stadt wieder verlosten. Am heutigen 3. Festtag, an welchem der Himmel er­freulicherweise ein h-it-reS Gesicht zeigte, trat die Jubiläumsfeier in engere Rahmen und bildete mehr eine Feier für die hiesige Einwohnerschaft. Während dieselbe Vormittags 11 Uhr auf dem sonnenbeglänz- ten Marktplatz den Vorträgen der städt. Musik zu­hörte, rüstete sich dis Schuljugend schon zu dem auf den Nachmittag anberaumte» Kinderfeste. Nachm. 3 Uhr zog die Jugend mit einer Erinnerungsme­daille geschmückt, die auf einer Seite das Doppelbild von König Wilhelm II. und Herzog Friedrich I., auf der andern das Bild der Stadt zeigt, unter den Klängen der städt. Musik, mit Trommelschlag und Jubelrufen durch di« Stadt auf den geräumigen Turnplatz, wo die Lehrer die von der Stadtgemeinde verwilligten Spenden verteilten. Hierauf entwickelt« sich auf drm Festplatz rin wahres VolkSfestleben, da die Jubiläumsfeier eine Menge Karustels, Photo­graphieateliers, Schau- und Schießbuden angelockt hatte. Um '/>6 zog die Kinderschar zurück auf den Marktplatz, wo Ortsschulinspektor Stadtpfarrer Pfahler eine packende Ansprache hielt, worin er einen Rück­blick warf auf die stattgefundenen Festlichkeiten, den bürgerl. Kollegien für die Verwilligung der Mittel zur Abhalturg des Kinderfestes dankte und die Be­deutung der Jubelfeier für dar jetzige Geschlecht her­vorhob. Sie sei eine Ermahnung zur Treue im Kleinen, Arbeitsamkeit und Regsamkeit, sowie zu demütigem Glauben und mutigem Christenbekenntnis und laste sich in dar Dichterwort zufammenfaffen: Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um eS zu besitzen*. Der gemeinschaftliche Gesang deS Chorals:Nun danket alle Gott", schloß diese Feier ab. Ein abends in der Turnhalle veranstalteter Festball bildete den Abschluß der Jubiläumsfeier­lichkeiten.

Urach, 33. Sept. Die von Stadtschultheiß a. D. Seubert gegründete und jetzt unter dem Kommando des Oberamtsbaumeisters Graser stehende freiwillige Feuerwehr beging heute ihr 40jShrige« Stiftungsfest. Nach einem Festzug durch die Straßen der Stadt sammelte sich das Corps mit Musik auf dem Marktplatz, um am Rathaus eine Hauptprobe abzuhalten. Abends fand imWilden Mann" eine Festversammlung statt, wobei di« Stadtkapelle kon­zertierte und der Feuerwehrsekretär Oberlehrer Arm- bruster die Festrede hielt. Für 30- und 40jährige Dienstzeit wurden Ehrendiplvme verteilt. Der 40 Jahre der Feuerwehr zugehörige Maurermeister Chri­stian Schnitzler ist vor kurzem mit der silbernen Ver­dienstmedaille ausgezeichnet worden.

Gewicht. Zentnerschwer sind Kürbisse aufgestellt; sie werden in Norddeutschland stark angebaut und mit Reis, wohl auch mit Milch zu einer schmackhaften Suppe gekocht. Als Zimmerzierde lassen sich di« bunten Kürbisse verwenden, Türkenbund groß und klein. Steinpilz ist stark vertreten und gern gekauft. An Champignons werden zwei Sorten, Wiesen- und Garten-Ch., angeboten. Rettiche und Gurken zu sehr mäßigen Preisen; erster« herab bis zu 3 -H. Daß auf dem Blumenmarkt Veilchen und dergl. schon an das Ende deS bevorstehenden Winters erinnern, ist früher angedeutet worden; jetzt erscheinen als Früh­lingsboten Viola tric. Schellfische wieder reichlich, Aale, Blaufelchen, etwas Barben u. s. w. Auf dem Tiermarkt Hühner, Tauben, Lapins.

Stuttgart, 37. Sept. (Zur Beach­tung für Rekruten.) Die demnächst zur Ab­leistung ihrer Militärpflicht einrückenden Rekruten werden gut thun, ihre Quittungskarten über gezahlte Beiträge zur Alters- und JnvaliditätSoersicherung, bei den Krankenkassen und OrtSbehörden abzuholen und sorgfältig aufzubewahren, da dieselben nach der Entlassung bei Wiedereintritt in versicherungspflichtige Beschäftigung abzugeben sind. Die Militärdienstzrit wird den Versicherten so angrrechnet, als hätten sie während dieser Zeit ihre Beiträge gezahlt.

Eßlingen, 28. Sept. Der Obst Handel auf dem Güterbahnhof gestaltet sich lebhafter bei ziemlich starker Zufuhr; heute stehen 33 Wagen auS allen Gegenden zum Verkauf; der Preis geht ein wenig zurück und der Ztr. wird mit 5 ^ 50 bis 5 80 H bezahlt.

Freudenstadt, 36. Sept. Heute hat Frru- denstadt seinen Ehrentag gehabt. Unter den Glück­wünschenden befand sich auch S. M. der König, welcher, wie gestern schon berichtet, gegen 10 Uhr mittels SonderzugS hier anlangte und auf den Bahn­hof von Stadtschultheiß Hartranft und den Be­zirksbeamten u. s. w. begrüßt wurde. Der König, welcher Generalsuniform trug, überreichte dem Vor­stand der jubilierenden Stadt das Ritterkreuz des KronordenS und unterhielt sich auf das leutseligste mit der Mehrzahl der zu seinem Empfang erschienenen Herren. Von zwei kleinen Schwarzwälderinnen ge­ruhte der Monarch ein Bouquet und ein Album mit Ansichten von Freudenstadt anzunehmen. Vom Bahn­hof führten die Freudenstadtrr Herren Seine Majestät nach dem Schwarzwaldhotel, wo ein Imbiß einge­nommen wurde. Im Gefolge des König« befanden sich Obrrjägermeister Frhr. v. Plato, Generaladjutant v. Bilfinger, LegationSrat v. Gemmingen, drei Flügel- odjutanten; ferner waren erschienen dis Minister v. Pischek, v. Breitling und v. Zryer und die beiden Vize­präsidenten der Kammern: Graf Rechberg-Rothen­löwen und Dr. Kiene. Nach dem Dejeuner im Schwarz­waldhotel wurde dem Kurhaus Palmenwald ein Be­such abgestattet. Auf dem ganzen Wege dahin für den König und sein Gefolge waren Wagen aus dem K. Marstall gekommen wurde der Monarch von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt. Die Schul-

Man führte den Angeklagten in daS Verhörzimmer. Dies war ein ein- fenstriges, gewölbtes Gemach, dessen räucherige Wände auf drei Seiten von mächtigen Akten-Repofitorien verdeckt wurde. Auf der vierten Seite befand sich eine Thüre die in rin Nebenzimmer führte.

Daneben sah man ein hohes, aber schmales vergittertes Fenster, durch welches gerade nur so viel Licht hereinfiel, um den mächtigen mit Aktenstößen, Papieren und Tintenklecksen aller Art bedeckten Tisch vollständig zu beleuchten. Rund um den Tisch in einem Halbkreise zog sich eine Barriöre hin, welche den Richter von den zum Verhör herbeigerufenen Angeklagten oder Zeugen schied.

Der Referendar Waldow saß vor dem großen Tische, mit dem Gesicht der Bank zugekehrt, auf welcher die zu vernehmenden Personen Platz zu nehmen pflegten. Er hatte ein neues, noch ziemlich dünnes Aktenstück vor sich liegen, in welchem er blätterte, und woraus er von Zeit zu Zeit Notizen auf einen weißen Bogen Papier machte, der vor ihm lag. Man rühmte den Referendar als einen tüchtigen jungen Mann, welchem die Haupteigenschaft eines tüchtigen Juristen, Schärfe und Logik, vor Allem aber Kenntnisse der Gesetze in hohem Maß« innewohnen sollten. Er sah auch ganz darnach auS. Die Falte zwischen den zusammengezogenen Augenbrauen verlieh seinem Gesichte einen unerschütter­lichen Ernst, und die durchdringenden Blicke, welche er durch seine Brillengläser auf die vorgeführten Personen heftete, schienen jedem Einzelnen zu sagen:ES nützt Dir nichts, wenn Du mir irgend etwas verschweigst. Ich weiß bereits Alles."

Rose saß bereits eine halbe Stunde auf der Zeugenbank. In seinem Antlitz gab sich eine peinliche Ungeduld zu erkennen. Er konnte sich unmöglich mit Ruh« auf die Fragen vorbereiten, die er mutmaßlich zu beantworten haben würde. Er fühlte sich so gedrückt, so entsetzlich unheimlich in diesem stillen, halb düsteren Gemach, wie er es kaum in seinem Arrestlokale empfunden zu haben

vermeinte. Und wie ernst und schweigend saß der Beamte da, ohne sich nur mit einem Blick um ihn, den Angeklagten, zu kümmern, und das unheimliche Kritzeln mit der Feder, es war das einzige Geräusch, welches die herrschende Todesstill« unterbrach.

Wieder war «ine halbe Stunde vergangen, und die peinliche Spannung deS Jünglings war auf daS Höchste gestiegen, als der junge Beamte plötzlich die Feder weglegte und mit einem durch dringlichen Blick« auf Rose'S GesichtSzüge diesem die Frage oorlegte:

Sind Sie Fritz Rose, der Sohn des fürstlich KarlSbergischen Förster« Rose?"

Ja, mein Herr!"

Sie sind als Zeuge vorgeladen," fuhr Waldow fort, wobei sein durch­dringender Blick das Antlitz des Jünglings nicht einen Augenblick verließ,.ich ermahne Sie deshalb, alle Ihre Aussagen streng wahrheitsgetreu einzurichten. Sie haben daS, was Sie aussagen, durch einen Eid zu bekräftigen und könnte» leicht eines Meineids überführt werden, da wir bereits Alles wissen."

Rose fühlte sich eigentümlich durch die Worte des Beamten ergriffen. Woher wußte denn dieser Alles? Hatte man vielleicht neuerdings Zorndorf er­tappt und ihn der Wilddieberei überführt? Es war fast, als blitzte ein Hoff­nungsstrahl bei diesem Gedanken in der Seele des jungen Mannes auf.

Ich soll als Zeuge vernommen werden?' fragte er mit bebender Stimme, stehe also nicht als Angeklagter vor diesen Schranken?"

Den Angeklagten haben wir bereits," erwiderte der Beamte, es kommt nur noch darauf an, ihn zu überführen. D«yu bedürfen wir Ihrer Angaben."

Wie aber nun, wenn mich ein früherer Eid bände? wenn ich geschworen hätte, nichts zu verraten von dem was ich weiß."