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Balingen, 37. Sept. Der Obstmarkt war gestern Heuer erstmals stärker befahren, die Kauf­lust jedoch nicht rege. DaS Obst ist in der Reife noch ziemlich zurück, und war das beigeführte meist Fallobst, das die Stürme zu Mitte voriger Woche abgerissen hatten. Für saure Aepfel wurden 810 ^ per Sack, für FSßleLbirnen bis zu 13 für Most­birnen bis 15 ^ verlangt und teilweise auch be­willigt. Das bessere Mostobst, insbesondere Luiken, welche Heuer bei uns besonders reichlich vorhanden sind, wird erst in ca. 14 Tagen zu Markt gebracht werden.

Kirchheim u. Teck, 37. Sept. Das persön­liche Erscheinen Seiner Majestät des Königs bei der morgen stattfindenden Einweihung der Len- ningerthalbahn ist zur Gewißheit geworden. Der ganzen Einwohnerschaft hat sich darob große Freude bemächtigt. Es ist da» erstemal, daß Seine Majestät als König unsere Stadt, welche durch vielhundert­jährige Traditionen mit dem Herrscherhaus- eng ver­bunden ist, zu besuchen Gelegenheit findet. Der König wird mit Sonderzug 10 Uhr 30 Min. hier eintreffen, nach kürzerem Aufenthalt die neuerbaute Strecke bis zur Endstation Oberlenningen befahren und nach einem dort einzunehmenden Imbiß wieder di« Rückfahrt nach Kirchheim bezw. Stuttgart antreten. Der Herr Mi­nisterpräsident und sonstige hohe Staatsbeamte werden im Gefolge des Königs sein und an dem hier mittag» 1 Uhr beginnenden Festessen teilnehmen. Der hiesige Bahnhof und dessen Umgebung ist prächtig dekoriert, namentlich bemerkenswert ist auch die Dekoration d-S Fabrik-Etablissements und der Villa von Kommerzien­rat Schüle.

Heilbronn, 37. Sept. Der Raubmörder Vogl, welcher im Sommer in der Nähe des Dorfes Großgartach eine junge Dame ermordet hat, wird am nächsten Samstag vor da» Schwurgericht kommen. ES sind drei Tage für diese Verhandlung in Aussicht genommen, die, da Vogl den Gestigge- störten zu spielen versuchte, sensationeller Momente nicht entbehren dürste.

Oehringen, 36. Sept. Einem hiesigen Bürger ist vor einiger Zeit von seinem Baumacker weg zu wiederholtenmalen ein größere» Quantum Aepfel in erheblichem Wertbetrage entwendet worden und konnte der Thäter bis jetzt nicht ermittelt werden. Nun wurde am letzten SamStag Nacht ein an der Pfedelbacher Straße stehender Apfelbaum, welcher wegen einer beschädigten Stelle am Stamm mit Lehm bestrichen und mit Leinwand verbunden war, von bös­williger unbekannter Hand angezündet, so daß der Stamm des Baume», der innen etwa? hohl war, fast vollständig verkohlte.

N Pforzheim» 39. Sept. Am morgigen SamStag wird die Strafkammer in Karlsruhe über die vorberichteten Goldabfall- und Edel- steindiebstähle und Hehle«eiaffaire zu Gericht fitzen. Auf das Resultat darf man ge­spannt sein.

Köln, 37. Sept. Gegen 3 Uhr heute mit­tag stürzte ein in der Wolssstraße gelegener vier­stöckiger Neubau -in und begrub unter sich eine große Anzahl im Bau beschäftigter Arbeiter, welche eben nach der Mittagspause die Arbeit wieder aufgenommen hatten. Bis 4'/, Uhr waren zwei schrecklich entstellte Leichen hervorgeholt worden; mindesten» 13 Personen sowie ein Kind be­finden sich noch unter den Trümmern. Die Kölner Berufsfeusrwehr bewerkstelligt die Rettungsarbeiten Eine Anzahl Aerzte und Geistliche umstehen die Un- glück-stelle, desgleichen zahlreiche Arbeiterfrauen die jammernd nach ihren Angehörigen frage».

Berlin, 35. Sept. Ueber den Spieler­prozeß gegen disHarmlosen", der am 3. Oktober beginnt, macht dasKl. Journal" folgende Mitteilungen. Vorläufig sind 7 Tage in Aussicht genommen. Bisher sind ungefähr 100 Zeugen ge­laden, aber e» ist nicht ausgeschlossen, daß der Pro­zeß eine abermalige Verschiebung erleiden wird, da mehrere Herren, welche in der Voruntersuchung die Angeklagten stark belastet haben, nicht auffindbar sind. Die hiesigen Garde-Kavallerie-Regimenter dürften durch etwa 20 Offiziere vertreten sein; ein großes Kontingent stellen auch die Dresdener und Leipziger Kavallerie-Regimenter. Auch Damen werden ihr Zeugnis in dieser Sache abzulegen haben, naturge­mäß solche, welche zu den Angeklagten in näheren Beziehungen standen. Bekanntlich richtet sich di« An­klage jetzt nur mehr noch auf gewerbsmäßiges Glücks­spiel. Der Angeklagte von Kröcher leugnet auch gar nicht, große Summen gewonnen zu haben, welche als Depot auf der Deutsche» Bank verwahrt werden. Herr von Kayser dagegen behauptet, im Laufe der drei Spieljahre 50,000 verloren zu haben. Wenn die Beweisaufnahme dies bestätigt, so würde natür- der Thatbestand des gewerbsmäßigen Glücksspiels fortfallen. Der Angeklagte v. Schachtmayer hat sich dadurch verdächtig gemacht, daß er in der ersten Zeit nur ganz geringe Einsätze riskirte und erst nach dem Auftreten des Falschspielers Wolfs mit sehr hohen Summen und fabelhaftem Glück pointierte.

Berlin, 37. Sept. Die Königin Wil­helm i n e von Holland tritt die Reise nach Potsdam, wie dem Berliner Tageblatt aus Amsterdam gemeldet wird, am 6. Oktober in Begleitung der Königin- Mutter an. Kein Minister begleitet die Königin, woraus erhellt, daß die Reise keine politische Be­deutung besitzt. Trotzdem gilt «» als gewiß, daß die Königin, welche die TranSvaalkrife sehr interessiert, die Gelegenheit benutzen wird, um einen MeinungS- AuStausch mit Kaiser Wilhelm zu pflegen.

Berlin, 37. Sept. Gestern nachmittag 3'/, Uhr salutirte die Hafen-Batterie von Neufahr- waffer die Hohenzollern. Nach einem Besuch des KreuzersKaiser" blieb der Kaiser an Bord der Hohenzollern, hörte mehrere Vorträge und erließ Ein­ladungen zu dem heutigm Diner an Offiziere des Leibhusaren-RegimentS. Heute mittag 13'/, Uhr er­folgte die Abfahrt nach Rominten.

Rominten, 38. Sept. Der Kaiser und die Kaiserin sind gestern abend 9 Uhr hier ein» getroffen. Von Trakehnen aus fuhren die Majestäten im Viererzug mit Reitern an der Spitze durch den Nominier Forst. ES waren zahlreiche Ehrenpforten errrichtet, alle Dörfer waren illuminirt und die Be­völkerung der ganzen Umgegend herbeigcströmt.

New-Iork, 37. Sept. Admiral Dewey ist unter Kanonendonner aller Schiffs- und FestungS- geschützs hier eingetroffen. Die Begeisterung der Be­völkerung ist unbeschreiblich. Eine sehr groß- An­zahl kleiner Dampfer waren dem Helden von Manila entgegen gefahren. Die Demonstrationen in der Stadt dauerten den ganzen gestrigen Tag und au» allen Teilen der Vereinigten Staaten liefen Telegramme ein, welche meldeten, daß zu Ehren Dewey's in allen großen Städten Feste arrangirt worden seien. Von einem Redakteur der Eoening Post interviewt, erklärte der Admiral Dewey: Der General Luna sei der letzte General der auf den Philippinen sei. Er ver­füge nur über schlechte Truppen. Aguinaldo sei zwar sehr intelligent, er sei aber nur ein Instrument in Händen Anderer, die schlauer seien als er. General Otis wolle auf einmal zu viel unternehmen; er wolle zugleich General, Gouverneur, Richter u. s. w. sein. Ueber seine eventuelle Kandidatur bei der bevorstehenden Präsidentenwahl antwortete er lächelnd: Diejenigen, welche glauben, ich werde kandidiren, kennen mich schlecht. Ich bin kein Politiker und mein einziger Wunsch ist der, als einfacher Matrose zu sterben.

Standesamt ßalw

Geborene:

19. Sept. Emil, Sohn des Melchior Hingel, Jpser- meisters hier.

21. Hedwig Frida, Tochter des Karl Stücke!,

TaglöhnerS hier.

23. Pauline Luise, Tochter des Paul Treftz,

Malers hier.

25. Richard Karl Walter, Sohn des Richard

Reichel, vr. msä., hier.

27. Emil Georg und Emilie Pauline, Kinder

des Karl Böttinger, Jacquardwebers hier.

Getraute:

28. Sept. Christian Jmanuel Buhl, Schreinermeister

hier, und Maria Johanna Buob von Liebenzell.

G estorb e n e:

18. Sept. Emil Rudolf Knoll, Sohn des Albert Knoll, Maschinenstricker hier, 14 T. a.

22. Jakob Sprenger, Traubenwirt hier,

54 Jahre alt.

22. Gottlieb Hennefarth. SohndeS Gott­

lieb Hennefarth, Mechanikers hier, 5 Tag alt.

23. Christian Valentin Wochele, hier, 76 I. a.

23. Paul Eugen Pfrommer, Sohn des Friede.

Pfrommer, Bäckermeisters hier, 5M. a. 28. Johannes Maier, Sohn des August Maier, Schirm- und Korbmachers von Wartenberg, Amts Donaueschingen, 20. T. a.

«»ttesdt-ttkte

am 18. Sountag nach Trinit» 1. Okt.

Vom Turm: 88. Predigtlied 324, Ich weiß an wen re. 9 Ahr: Vormittags-Predigt, Herr Dekan R o o s. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr: Bibelstunde im VereinshauS, Herr Stadtpfarrer Schund.

Das gehört vor ein anderes Tribunal," sagte der Beamte kalt,hier sind Sie verpflichtet, zu sprechen. Durch ein hartnäckiges Schweigen erst würden Sie sich zum Mitschuldigen des Angeklagten machen. Bis jetzt sind Sie es noch nicht; vorläufig liegt nicht das Geringste gegen Sie vor. Was den Angeklagten betrifft, so würden wir auch ganz gut ohne Ihre Mitwirkung zum Ziele ge­langen. ES würde die« aber viel Zeit und Mühe in Anspruch nehmen, und bi» dahin müssen Sie dann in Untersuchungshaft verbleiben, womit Ihnen jedoch schwerlich gedient sein würde, anderer Verwicklungen, in die gerade Sie geraten würden, gar nicht zu gedenken. Beantworten Sie mir deshalb jede Frage klar und offen. Das ist der kürzeste Weg, um zum Ziele zu gelangen. Zuerst: In welcher Beziehung standen Sie zu einem gewissen Willibald Zorndorf?"

Rose erschrak so heftig, daß alles Blut aus seinen Wangen wich. Gleich­zeitig überkam ihn wie ein elektrischer Schlag dar freudige Gefühl, daß er ja jetzt in keiner Weise mehr an seinen Eid gebunden sei, denn mit der Verhaftung Willibald's mußte ja Alle», was schon bekannt war, auch ohne ihn an den Tag kommen. So antwortet« er denn freimütig:

Ich war früher mit ihm auf der Forstakademie zusammen; wir sahen uns täglich, ohne gerade befreundet zu sein; dann sind wir indessen auseinander gekommen und haben un» lange Zeit nicht gesehen."

Wann waren Sie das letzte Mal mit ihm zusammen?" fragt« Waldow mit durchdringendem Blick,ich bitte, verschweigen Sie mir nicht». Ein offene« Geständnis ist, ich wiederhol« Ihnen, unter den obwaltenden Umständen da« Beste für all« Teile."

Rose säumt« nun nicht länger, Aller, wir er über den Mord de» Blaffer wußte, dem Beamten mitzuteilen, der die Angaben de« jungen Manne» sorgfäl­

tig niederschrieb. Dann zog er die Klingel und befahl dem eintretenden Polizei- diener, den Angeklagten hereinzuführen.

Einige Minuten später trat, von dem Polizisten geführt, durch die auf den Corridor hinausführende Thüre Willibald Zorndorf herein. Er war an den Händen gefesselt und warf wütende Blicke auf den zusammenschauernden Rose. Du hast gepfiffen, elender Wicht!" schrie er mit fürchterlicher Stimme,hast Dich nicht entblödet. Deinen Eid zu brechen I aber wart-, auch ich kenne jetzt keine Rücksicht mehr, und werde vor aller Welt Deine Schandt Haien aufdecken."

Bitte, mein Herr," sagte Waldow in kaltblütigem Tone,ereifern Sie sich nicht unnötiger Weise, e» wird sich alles finden. Vor allen Dingen muß ich Ihnen bemerklich machen, daß hier durchaus nicht gepfiffen wird, sondern ein Jeder antwortet auf das, war er gefragt wird. Viel zu sagen hat dieser Herr durchaus nicht, denn daß Sie und kein Anderer der berüchtigte Wilddieb au« dem KarlSbergischen Forste sind, wußten wir, und daß Sie ein Mörder sind, haben haben Sie zur Genüge bewiesen, als Sie aus ihrem Backofen hervor auf die armen Soldaten schossen, deren einzige» Vergehen darin bestand, daß sie Ihnen ein bessere« Quartier verschaffen wollten. Eie und kein Anderer find der Mörder des Blaffer. Einer, der so schußfertig mit seiner Waffe zur Hand ist, läßt Keinen darüber im Zweifel, daß das Morden sein Handwerk ist. Setzen Sie sich auf die Bank dort, Eie kommen bald an die Reihe."

Er wandte sich mit diesen Worten seinen Papieren zu, in deren Inhalt er sich mit derselben Ruhe zu versenken schien, als sei außer ihm kein Mensch anwesend. Zorndorf fuhr fort, Rose mit Blicken unauslöschlichen Hasses zu be­trachten.

(Fortsetzung folgt.)