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^ampfer bemerkt worden. Die eingehen­den Details, welche man mit Sehnsucht erwartet, werden erst volles Licht über die traurige Affaire bringen. Jedenfalls muß unter dem alten Schwensen eine muster­hafte Ordnung auf dem Schiffe geherrscht haben, sonst hätten in der Aufregung und beim Sinken innerhalb 1015 Minuten schwerlich so viel Menschenleben den Wellen entrissen werden können.

Karlsruhe, 1. Dez. Gestern Abend nach 8 Uhr trafen die kaiserlichen Majestäten hier ein, wurden am Lahm Hof von der Großherzogl. Familie empfan­gen und durch die beflaggte und mittelst großer Gasbrenner hell erleuchtete Karl Friedrichsstraße ins Schloß geleitet. Der Kronprinz des deutschen Reiches ist nicht gekommen. Heute Vormittag I I Uhr fand die Prüfung und Einsegnung der Prinzessin Viktoria in der festlich geschmückten Schloß­kirche statt. Zu der feierlichen Handlung waren die Spitzen der staatlichen, städtischen und militärischen Behörden, die Präsidenten der Kammer», die Vorstände des Frauen Vereins und der hiesigen Töchterinstitute und viele Beamte geladen. Wie man hört, findet morgen die Kommunion der Neu- konfirmitten statt, an der auch die fürstlichen Eltern und Großeltern theilnehmen.

Pforzheim, 1. Dez. Der hier bestehende Geflügelzuchtverein hat auf den 7. 8. und 9. Dezember in der Turnhalle eine Geflügelausstellung veranstaltet. Die selbe wird nach Bekanntmachung des Aus- stellungskomite's in einer großen Zahl von «us den verschiedensten Provinzen Deutsch­lands, sowie auch aus dem Auslande ein gelieferten Prachtexemplaren beschickt werden.

Württemberg.

Stuttgart, 30 Nov. Ueber den Besuch der Kaiserin - Königin am hiesigen Hofe erfahren wir noch Folgendes: Ihre Kaiserliche Majestät wurde von des Königs Majestät auf dem Bahnhof gegen 3 Uhr abgeholt und Abends bei der Rückreise wiederum dorthin begleitet. Zum Empfang wie bei der Abreise fanden sich die hier anwesenden Königlichen Prinzen und Prin­zessinnen, der Hofstaat, der Staatsminister des Aeußern, der Königlich Preußische Ge­sandte und die Generalität aus dem Perron ein. Die Kaiserin wurde beim Eintritt in das Königliche Schloß von Ihrer Majestät der Königin, deren Hofstaat und dem Oberst­hofmeister des Königs empfangen und in die Gemächer der Königin geleitet. Nach längerem Verweilen daselbst und nach Vor­stellung des aus den Gräfinnen von Brandenburg und von Münster, sowie dem Echlotzhauptmann Grafen Matuschka be­stehenden Kaiserlichen Gefolges machte Ihre Kaiserliche und Königliche Majestät Besuche bei den Prinzessinnen des Königlichen Hauses, geleitet von Seiner Hoheit dem Prinzen von Sachsen-Weimar. Nach Rückkehr der Kaiserin in das Residenzfchloß begab Sich Höchstdieselbe von den zur Verfügung ge­stellten Appartements aus zum Diner im Familienkreise, während die Hofstaate Mar­schallstasel hielte». Nur allzuschnell war die Stunde der festgesetzten Abreise heran­gerückt und ein Extrazug entführte die er­lauchteste Dame zu der auf den I. Dez. chrstimmtm Familienfeier nach Karlsruhe,

wie wir sicher sind, mit der befriedigenden Ueberzeugung, bei unseren Königlichen Maje­stäten den herzlichsten Empfang gefunden, und mit der Gewißheit die ergebensten Ge­sinnungen bei Allerhöchstdens.lben zurück- gelassen zu haben. (St. Anz.)

Stuttg art. Sitzung der Kammer der Abgeordneten v. 26. Novbr. (Schluß aus Nr. 144).

Reg.-Kommissär v. Kohlhaas erin­nert zunächst an den schon mehrfach erwähn­ten Kammerbeschluß vom 16. Okt. 1876, worin die Kammer der Negierung gegen­über die Bitte ausgesprochen, im Schuld- klag - und Exkulionsmesen darauf hinzu- wirken, daß das Bestehende, wo es möglich sei, erhalten bleibe. Die Regurung habe sich damals durch den Herrn Ministerprä­sidenten in entgegenkommender Weise ge­äußert. Daß sie Wort gehalten, beweise die Regierungsvorlage. Bei Ausarbeitung dieser feien zwei Wege offen gestanden: Uebertragung des Gerichtsvollzieherdienstes an die Ortsvorsteher einerseits, andererseits Bestellung besonderer Beamten zur Versetz­ung dieses Dienstes. Gemäß ihrer früheren Zusage sei die Regierung zum Beschreiten des elfteren Weges veranlaßt gewesen. Das, was der Abgeordnete Beutler wolle, sei ein dritter Weg, der all das negire, was die Regierung mit ihrem An trag habe erreichen wollen. Es habe sich für die Regierung darum gehandelt, den Zusammenhang der bestehenden Organisa­tion zu erhalten. Redner betont, daß rc. Beutler heute mit seinen Aeußerungen bei jener Kammerverhandlnng sich im Wider­spruch befinde. Wenn das, was Beutler damals gesprochen, von Werth gewesen, müsse es heute noch von Werth sein (ver­liest die damalige Rede rc. Beutlers). Redner kommt nun auf die verschiedenen Ausführungen der Gegner und sucht die selben der Reibe nach zu widerlegen, den Regierungsstandpunkt als den allein richti gen hinsiellend. Bittet die hohe Kammer um Ablehnung der Anträge Beutlers und um Zustimmung zu der Regierungsvorlage, wie solche die Kommission amendirt hat.

Beutler erwidert dem Herrn Re­gierungs-Kommissär: Jener Verhandlung i» der Kammer sei er sich wohl bewußt. Der Herr Ministerpräsident habe sich da­mals dlos dahin geäußert, wie sich der Gerichtsvollzieyerdienst etwa gestalten werde Er, Redner, sei heute mit dem, was er damals gesagt, nicht im Widerspruch. Er habe damals gesagt, daß er es für ein Unglück halten würde, wenn das Schuld­klage- und Exekulionswesen den Ortsvor­stebern abgenommen werde. Daran aber, daß das letztere dem Octsvorsteher blos in der Eigenschaft eines Vollstreckers, eines Vollziehers bleiben solle, habe er nicht ge dacht. Daß der Ortsvorsteher die Gerichts- vollzieherssunklionen in Begleitung Unter­gebener ausüben könne, wisse er, Redner, wohl, aber das ändere an der Sache Nichts. Man solle sich nur auch vergegenwärtigen, was es auf dem Lande für einen Eindruck ! machen müsse, wenn aus einmal der Schult j beiß statt des Büttels Dinge besorge, welche bisher der letztere besorgt habe. Wenn gesagt worden sei, die Zustellungen u. s. w. haben in der Wohnung oder im Geschäfts

lokal des Betreffenden zu erfolgen, so frage er, Redner, wo das GeschästSIokol eines Knechtes sei? Antwort: im Stall oder in der Scheuer! (Heiterkeit!) Mit dem Ge­richtsvollzieherdienste muthe man dem Orts­vorsteher Handlangerdienste zu. Der Herr Abgeordnete der Stadt Hellbronn )abe zugegeben, daß über die Frage ob die Ablehnung des Gerichtsvollziehersamts Seitens des Ortsvorstehers an die Zustim­mung der bürgerlichen Kollegien geknüpft werden soll, nicht abgestimml worden sei. Das sei aber der Kardinaipunkt in der Heilbronner Verhandlung gewesen. Wenn das Erfordernd der Zustimmung der bürger­lichen Kollegien in der Regierungsvorlage beseitigt werden, so habe er Redner - gegen dieselbe nichts mehr einzuwenden. Schließt mit der wiederholten Bitte, die Kommissionsanträge abzulehnen.

Eintritt in die Spezialdebatte. Art. 28 5

In denjenigen Gemeinden, in welchen ein Gerichtssitz sich nicht befindet, sind die Ortsvorsteher die Zustellungsbeamten (Ge, richtsvollzieher) für diejenigen Zustellungen, welche innerhalb des Gemeindebezirks mittelst Behandigung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt werden sollen (Civilprozeßordnunz §8. 152-159, 162174, 180)."

Für diejenigen Zustellungen, welche am Gerichtsktze mittelst Behändigung durch einen Gerichtsvollzieher zu bewirken sind, für die Zuste llungen durch Aufgabe zur Post (Civilprozeßordnung 88- 160, 161, 175) und für die Vermittlungen von Zu­stellungen durch die Post (Civilprozeßord­nung 88- 116180) werden den Gerichten besondere Zustellungsbeamte beigegeben."

Die Kommission beantragt Zustimmung. Der Gegenantrag Beutter's lautet:

In jever Gemeinde, in welcher ein Gerichlssitz sich nicht befindet, ist ein Zu­stellungs-Beamter (Gerichtsvollzieher) für diejenigen Zustellungen aufzustellen, welche innerhalb des Gemeindebezirks u. s. w." wie im Entwurf Abs. 2.

Die Debatte wird geschloffen und in namentlicher Abstimmung Beutlers Antrag mit 69 gegen 19 Stimmen abgelehnt und hierauf die Kommissionsanträge zu Absatz 1 und 2 angenommen. Art. 29:

Die Ortsoorsteher sind je für ihren Gemeindedezirk die Vollstreckungedeamten (Gerichtsvollzieher)."

Die Kommission beantragt unveränderte Annahme.

Beutter beantragt, den Artikel so zu fassen:

In jeder Gemeinde ist ein Vollstreck­ungsbeamter (Gerichtsvollzieher) für den Gemeindedezirk auszustellen.")

Nach kurzer Debatte zwischen Frhrn. v. Darnbüler, Frhrn. v. Stetten und Beutter wird des letzteren Antrag abge­lehnt und der KommisfionSanirag ange­nommen.

Art. 30 setzt fest, daß der Ortsvor- sieher mit Zustimmung der bürgerlichen Kollegien Ucbernahme oder Fortführung des Gerichtsvollzieherdienstes ablehnen kann, und setzt und enthält weiterhin Bestimmungen über die vorzunehmende Neuwahl, die der Bestätigung des Amtsrichters bedarf, gegen deren Versagung weiterhin dem Gemeinde­rath der Beschwerdeweg an da- Landge«