419

Vater und unser Erlöser; von Alters her ist das Dein Name" bestimmt worden.

Stuttgart. 15. August. Die An­kunft des Wiener Männergesangvereins erfolgte heule Nachmittag. Der Liederkranz, Festdamen in Weiß, viele andere Damen und Herren harrten seiner am Königsbau. Der Schloßstraße entlang, über die Königs- straße und Plante bildeten sich dichtgedrängte Spaliere. Die Reife der Wiener muß von Ulm an eine via triumplialis gewesen sein; keiner der Herren erschien ohne Blumen­schmuck. Als die Vorstände der Wiener den Festdamen nahten, begrüßte sie ihre Sprecherin, Frl. Speidel, mit folgenden, von I. G. Fischer gedichteten Strophen: Nehmt den Gruß aus Frauenhand,

Den die Sympathie gewunden,

Welche Wien und Schwabenland Seit Jahrhunderten verbunden.

Heute, da des Liedes Kunst Uns in einem Geist erhoben,

Laßt uns doppelt ihre Gunst,

Doppelt ihre Kraft erproben.

Auf dem Schillerplatz waren viele Tausende versammelt und hier fand die offizielle Begrüßung statt, der Professor Blum Worte verlieh. Die Erwiderung des Will- kommengrußes sprach Notar Olschbaur, Vorstand des Wiener Mannergesangvereins. Abends fand ein glänzendes Banket in der Liederhalle statt, wobeiGemeinderath Gastpar die Gäste im Namen der Stadt begrüßte. Zahlreiche Wechselgesänge und Festspiele verliehen dem Abend eine herrliche künst lerische Weihe.

Stuttgart, 16. August. Unter großer Feierlichkeit fand im Liederhallegar­ten die Enthüllung des^Schubertdenkmals statt. Die Festrede sprach Dr. Elben, der in schönen Zügen ein Lebensbild des ge­feierten Tondichters entrollte. Gegen den Schluß der Rede traten drei der Festjung­frauen vor und zogen bei den letzten Wor­ten die Hülle ab. Herzlich erglänzte jetzt der weiße Marmor der Büste, mit Jubel und Freude begrüßten die Versammelten den festlichen Akt und das schöne Werk des Meisters Kietz, der leider heute in der Versammlung fehlte. Es war nur Eine Stimme der Anerkennung und des Lobes für das höchst gelungene und charaktervolle Bild. In bewegter Rede übernahm der Vorstand des Liederkranzes, Professor Blum, das Denkmal. Herrliche Gesänge, feierlich durch die Lust brausend, begleiteten und schloffen die erhebende Feier.

Geislingen, 13. Aug. Soeben ist hier ein trauriger Unglücksfall oorge- kommen. Stalionskommandant Walter, seil ca. 3 Wochen von Ehingen hieher versetzt, kam von einer Streife mit Zug XIII. aus dem Bahnhefe hier an und verließ den Wagen, während solcher noch etwas im Gange war und fiel der Art unglücklich, daß ihm beide Füße am Rumpfe abgefahren worden, was nach '/« Stunde seinen Tod zur Folge hatte. Seine hinterlaffene Fa­milie ist sehr zu bedauern.

Sind elf in gen, 16. Aug. Das neue, stattliche Turnhallegebäude samml dem Steigerthurm für die Feuerwehr, welche an den Turnplatz angebaut sind, sowie das davorstehende kleinere Feuerwehrmagazin am Rathhausplatze sind jetzt sämmtlich unter Dach gebracht und großentheils fertig.

Sau lg au, 16. Aug. Ein vom Feld heimkehrender Mähder wurde in vorletzter Woche vom Blitz getroffen. Der Blitzstrahl, durch die Sense angezogen, fuhr am Rücken des Getroffenen hinunter und warf ihn zu Boden. Obwohl kurze Zeit bewußtlos er­litt der Mann jedoch nicht die geringste Verletzung.

Die Ernteberichte aus Württemberg werden zu den günstigsten zählen, welche auf dem Wiener internationalen Saaten­markt mitgetheilt werden. Dinkel, die in Württemberg am meisten gepflanzte Brod srucht, ist in Beziehung auf Quantität und Qualität gut geratben; der Scheffel wiegt 160 bis 170 Pfd. während schon 150 bis 160 Pfd. als gutes Gewicht gel ten. Waizen und Roggen sind ebenfalls gerathen und von Gerste und Haber ist das nämliche zu berichten; die Heu- und Oehmdernte ist die reichste seit vielen Jahren und Obst gibt es in großer Menge, wenn auch nicht überall. Die Trauben sind um 8 bis 14 Tage, im Vergleich zum vorigen Jahre voraus; das schwarze Gewächs, Trollinger, Klevner, Limberger sowie weißer Kißling stehen überall besonders schön, dagegen versprechen die Elben, Silvaner und Portugieser wenig Ertrag. (St. Anz.)

Ausland.

Noch befinden sich 67,000 Türken in russischer Kriegsgefangenschaft, da die Pforte kein Geld hat, die für Verpflegung der­selben von Rußland geforderten 15 Milli­onen Francs zu zahlen; aber es bedarf der Rückkehr dieser alsdann brotlosen Sol baten nicht, um in den türkischen Provinzen einen militärisch ausgebildeten Kern für Emeuten zu liefern. Schon jetzt ist es schwer festzustellen, ob die bewaffneten Banden, welche in Bosnien, Albanien, Ru­melten und in den griechischen Provinzen entweder den Guerillakrieg führen oder das Räuberhandwerk mit Sengen und Brennen betreiben, mehr oder minder im Aufträge der Pforte, von derselben heimlich unter­stützt oder doch in dem Bewußtsein handeln, von ihrer Regierung schlimmstenfalls höch­stens einmal des Scheines wegen zur Re- chenschast gezogen zu werden. Die Gräuel, welche die Türken in Thessalien u. Epirus verüben, werden das Einschreiten Frank­reichs und vielleicht auch anderer Mächte wohl endlich herbeisühren, besonders wenn cs sich bestätigt, daß die Türken Tscher- kessen nach EpiruS geschafft haben. In Bosnien, der Herzegowina und Albanien hat die zweideutige Haltung der Pforte gegenüber der österreichischen Okkupation einerseits Empörungslustige ermuthigt, andrerseits anarchischen Bestrebungen Thür und Thor geöffnet. Das echt orientalische Doppelspiel, welches die Pforte beim Ab schließen von Verträgen schon oftmals mit Vortheil angewentzei, soll auch jetzt wieder immer neue Verwickelungen schaffen, ans denen sich vielleicht schließlich ei» Profit ergiebt;

Paris, 15. Ang. Eine Sehens­würdigkeit anläßlich der Welt - Ausstellung ist auch ein Luftballon. Derselbe ist von einer Größe, wie bisher noch keiner existirte. Er steigt von dem place äes carousLels (em Theil des Tuilerien-Hofes) aus jeden

Tag ungefähr 1015 mal mit ca. 50 Personen beladen, etliche 600 Meter in die Höhe, von wo er jedesmal wieder durch ein starkes Tau, das an demselben befestigt, vermittelst einer großen Dampfmaschine heruntergezogen wird. Es kostet eine solche Tour, wobei man kein weiteres Risiko hat. als daß etwa das Tau reißen könnte, 20 Franks und wird derselbe auch sehr häufig von Lustreiselustigen benützt.

Paris, 15. Aug. Der durch seine Schwimmlour von Dover nach Calais als ein äußerst kühner Schwimmer bekannte Capi« tän Boyton, hat sich anläßlich der Welt- Ausstellung auch auf der Seine producirt, indem er ÜoZeut s. Leine als Abgangs­station nehmend, heute Mittag gegen 3 Uhr im Herzen der Stadt bei der Kirche Rotre-Vame und um 4 Uhr auf dem Ausstellungsplatz eintraf. Ergötzlich war es anzusehen, wie er, in Begleitung seines eigenen Schiffes, von Bravorufen und Beifall-Klatschen einer ungeheuren Menschen­menge empfangen, seine Künste nach einan­der producirte. Er nahm zuerst nach dem er die Flagge, die er an einem seiner Füße stecken hatte, in das Boot abgegeben, einen kleinen Neger auf seine Brust und schwamm ohne daß es ibn besonders belästigt hätte, eine gute Strecke weit, sodann ließ er mehrere Raketen steigen, schoß mit großer Geschwindigkeit aus einer doppelläufigen Flinte etliche Schüsse ad, rauchte und trank während des Schwimmens. Wohl dem­jenigen Schiffbruchleidenden, der einen sol­chen Schwimmanzug hat, er kann so leicht nicht untergehen.

Miszellen.

Aie Tochter des Hstfriesen.

Novelle von Emilie Heinrichs.

(Fortsetzung.)

Ost blickte sie der Vater prüfend an und meinte dann wohl, die städtische Luft habe seinem Kinde nicht gut gethan doch beruhigte er sich bald wieder, da er Theda immer heiler und geschäftig sah was wußte der alte Fischer auch von dem geheimen Leid und Weh eines -unglücklich liebenden Herzens?

Sie hatte nichts mehr von Adalbert gehört, der sicherste Beweis für sie, daß seine Liebe nichts weiter gewesen, als ein auflackerndes Strohseuer der Leidenschaft. Und nun hatte er auf einmal vor ihr gestanden unter dem Dache ihres Vaters, als habe er es gemußt, daß ihre Beschützer fern und sie allein mit ihrem ringenden, verzweifelnden Herzen gewesen.

Ja, sie hatte in der Thal das Schwerste überwunden, als sie ihn, den ihre Seele über Alles liebte, mit ruhigen Worten von ihrer Schwelle wies; kein Rachegefühl, nur die Nothwendigkeit war's, und ihr Stolz mochte in diesem furchtbaren Augen­blick, wo sie die Brücke zwischen sich und ihrem Glücke für immer abgebrochen hatte, eine Genugthuung empfinden, als sie ihm nachblickte in der herabsinkenden Abend- dämmerung, ob daS gequälte Herz auch aufschrie in Verzweiflung und Schmerz.

Es mußte sein", flüsterte sie,wohl mir, daß der Vater nicht daheim ist: lieber unglücklich sein als erniedrigt!"