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Trauben, alle aus der gleichen ital. Quelle stammend, werden zu unglaublich verschiedenen Preisen dem Pfund nach angeboren. (Schw. M)

Cannstatt, 13. Juli. Der Gedanke an die Eingemeindung Cannstatts nach Stuttgart wird hier nicht mehr einschlvmmern, bis diese Frage endlich gelöst ist.Residenz!« in sps* ist ein Aus­druck, der neuerdings öfters zu hören ist und der verrät, doß man sich di« Aufgabe der Selbstständig­keit unseres Vororts durchaus nicht so schrecklich denkt. Wohlfahrtseinrichtungen kann sich eine Gemeinde wie Cannstatt nicht ebensogut leisten wie eine Großstadt; man denke z. B. nur an Volksküchen, Knabenhorde, Ferienkolonien rc. ErholungSbedürftigte Kinder ärme­rer Residenz!« werden von einem Komite demnächst einige Wochen aufs Land geschickt während nicht minder stärkungsbedürftigr Kinder unsererResidenz!« in spe* sich selbst überlassen bleiben. So könnten noch viele Beispiele aufgeführt werden, dir darthun, daß sowohl bemittelte wie unbemittelte Volksschichten von einer Eingemeindung nur Nutzen hätten. Unsere Nachbarn in Berg sind in mancher Beziehung von uns hier zu beneiden.

Stockheim, O.A. Brackenheim. Die hie­sigen Weinberge stehen recht schön. Die Trauben sind dank der letzten warmen Tage recht vorgewachsen. Wenn auch einige Sorten wie Elbling und Lem­berg« durch das schlechte Weiter über die Blüte ge­litten haben, so wird bei anhaltend günstiger Witterung noch ein schöner Herbst zu erhoffen sein. Einige größere Gewand? der hiesigen besten Weinberglagen sind dies« Tage von Weinhändler Ludwig Albrecht in Bönnigheim käuflich erworben worden. Durch diese Aquisition erhofft man dem hiesigen ohnehin schon rühmlichst bekannten Produkte noch ein größeres und weiteres Absatzgebiet zu verschaffen.

Ulm, 14. Juli. Vom Schwurgericht wurde heute nach Stägiger Verhandlung, wobei 98 Zeugen zu vernehmen waren, der 32 Jahre alt« ledige Maurer Pfisterer von Stetten, O.A. Loupheim, angrklagt, in der Zeit vom 30. Juli bis 20. Oktober 1898 in Stetten 7mal vorsätzliche Brandstiftungen verübt zu haben, zu 12 Jahren Zuchthaus, 10 Jahre Ehrverlust und dauernde Stellung unter Polizeiauf­sicht verurteilt. Die Anklage vertrat Oberstaatsan­walt Hecker, der bei außerordentlich« Beherrschung deS riesigen Akt? »Materials in vierstündigem glänzen­dem Plaidcy« den Indizienbeweis führte, so daß die Geschworenen in sämtlichen 7 Fällen das Schuldig auSsprachen. Der gesamte Gebäude- und Mobiliar- schaden, der durch seine Brandstiftung verursacht wurde, beläuft sich auf gegen 68,000 Die wegen Beistandsleistung für Pfisterer Mitangeklagte Armen- häuSlerm Natter? r wurde freigesprochen.

Grimmelf ingen, O.A. Ulm, 14. Juli. Gestern Mittag 5 Uhr schlug der Blitz in eine der vier prächtigen, in den Ecken des Kirchhofs stehenden Tannen. Dieselbe wurde 2 Meter über dem Boden vollständig abgeknickt, in die Höhe gehoben und über die Mauer auf ein Getreidefeld geworfen. Einzelne

größere Splitter und Zweig« des Baumes fond man später über 100 Meter weit. Stück« in MannSgröße wurden über den ganzen Kirchhof hinweg auf die Straße geschleudert; eines flog, Kreuze beschädigend und einen Grabstein umwerfend, auf die Straße gegen einen vollen Heuwagen, hinter dem 2 Kinder Schutz gesucht hatten. Wie durch ein Wunder blieben sie unverletzt. Die Bewohner des benachbarten Hauses und heim eilende Leute, die sich in der Nähe befanden, kamen mit dem bloßen Schrecken davon.

Marburg, 14. Juli. Gestern ging über dem Lohn- und Eiegthole ein schweres Unwetter nieder. Der Blitz schlug verschiedentlich in die Tele­phon« und Telegraphen-Leitungen und zerstörte die­selben. In Dillenburg und Gießen brachen Brände infolge Blitzschlages aus. Auch einige Personen wurden vom Blitz getötet.

Bochum, 14. Juli. Auf der Zeche Reck- lingshausen I ist dcS Flötz Sonnenschein einge­stürzt, wodurch eine Anzahl Bergleute abgeschnitten wurden. Bis nachmittags wurden 9 Verletzte ge­borgen. Die Ursache dcS Erdsturzes ist in einer Erd- erschütterung zu suchen. Infolge derselben stürzten zahlreiche Schornsteine ein und viele Häuser erlitten Riffe und Sprünge.

Berlin, 15. Juli. Wie aus Ems gemeldet wird, wird sich der Kaiser bei der Einweihung der K aiser Wilhelm- Kirche durch den Prinzen Friedrich Heinrich von Preußen vertreten lassen.

Berlin, 16. Juli. Von der Nordland­fahrt deS Kaisers wird unterm 15. aus Molde gemeldet; nachdem der gestrige Tag sihr heiß war, kühlte sich nachmittags das Wetter ab, sodaß der Kars« Spaziergänge unternehmen konnte. An Bord ist alles wohl.

Hamburg, 12. Juli. (Ern Opfer der Liebe und des Spiels). Im Jahre 1897 wurde der Buchhalter N. in Begleitung seiner Geliebten, einer Chansonettensängerin, aus Homburg flüchtig, nachdem er zuvor seinem Vater, in Lessen Geschäft er Stellung Hatto, die Summe von 70000 unter­schlagen hatte. Das Pärchen begab sich mit dem Raube zunächst nach Brüssel, später von dort nach Paris und suchte sodann London auf, wobei stets di« Chansonnettensängerin als die rechtmäßige Gattin deS Defraudanten ausgegeben wurde. Vor etwa 14 Tagen wurde nun die junge Reisebegleiterin ihres Beschützers überdrüssig, weshalb sie ihm von dem Rest der seinerzeit veruntreuten Summe etwa 10000 entwendete und mit einem andern Herrn, dessen Bekanntschaft sie inzwischen gemacht, nach Amerika abdampfte. N, in dessen Besitz sich noch etwa 5000 ^ befanden, reiste hierauf nach Monaco, verspielte dort den ganzen Betrag und erhielt von der Spiel­bankdirektion das Übliche Reisegeld nach Paris. Dort angekommen schrieb der junge Mann sofort einen reumütigen Brief an seinen Vater, dem er alles be­richtete und dessen Verzeihung er erbat. Alsdann

machte er durch einen Revolverschuß in das Herz seinem verfehlten Leben ein Ende. Der bedauerns­werte Vater deS Selbstmörders hat sich vor einigen Tagen in Begleitung seines zweiten Sohnes nach Paris begeben, um die Leiche seines Erstgeborenen, der ihm so viel Kummer gemacht hat, nach der Heimat überzuführen.

Hamburg, 14. Juli. DieHamburger Börsenhall«* meldet: Von mehreren Brieftauben, welche mit dem Brieftaubendienst der Hamburg-Ame­rika-Linie heute morgen 4 45 Uhr mitteleuropäischer Zeit an Bord desFürst Bismarck* auf der Höhe ron Dov« ausgelassen wurden, traf die erste schon um 4 Uhr nachmittags mitteleuropäischer Zeit hi« ein. Dies« Taube hat also die Entfernung von 650 Kilometern in der Luftlinie in der kurzen Zeit von 11 Stunden 11 Minuten zurückgelegt.

Wien, 14. Juli. Die Schüler der deut­schen Gewerbeschule in Pilsen, welche vor­gestern einen Ausflug unternahmen, wurden in de m tschechisch?» Dorfe Ratschitz, wo sie im Durch­marsch deutsche Lied« sangen, von dortigen Bauern überfallen. Der Gemeindeobmann beschimpfte die Studenten, packt« den Studenten Pell« am Halse und würgt« ihn. Ein anderer Student welcher Pell» zu Hilfe kam, erhielt von dem Obmann «inen Säbel­hieb, sodaß er besinnungslos zusammenbrach. Die Bauern wollt?n denselben ins Wasser werfen, was aber schließlich verhindert wurde. Unter fortwährenden Beschimpfungen mußten die Studenten aiziehen.

Wien, 15. Juli. Hier geht das Gerücht, die Verlobung der Enkelin des Kaisers Franz Josef, nämlich der Er zherzogin Elisabeth mit demHerzog Robert von Württemberg flehe bevor.

Wien, 16. Juli. Anläßlich der von den tschechischen Vereinen in Wien gestern abend abge­haltenen großen Festlichkeiten kam eS zwischen deutsch- nationalen Studenten, welche gegen diese Festlichkeiten demonstrirten und den tschechischen Festteilnehmern zu wiederholten Zusammenstößen, sodaß die Polizei energisch einschreiten und viele Verhaftungen vor­nehmen mußte.

Belgrad, 15. Juli. Wegen Verschwö­rung gegen dieDynastie wurde gestern verhaftet der Bett« des Fürsten Nicola von Montenegro, Ma­scha Petrovic Niegus, der als Flüchtling eine Pension von der serbischen Regierung bezog, und di« Gemeinde- Aerzte Mitanikolic und vr. Wlado Georgievic. Der Prozeß gegen den Attentäter dürste nicht sobald durch­geführt werden, da die Untersuchung mindestens einen Monat dauern wird, um alle Fäden des ComplotteS klar zu legen. Aus 42 Städten, Kreisen und Be­zirken sowie von Vereinen kamen zahlreiche Glück­wunschdeputationen an den königlichen Hof.

Paris, 14. Juli. Die hiesigen Blätter fahren fort, von der bevorstehenden Reise Kaiser Wilhelms nachher französischen Küste zu erzählen und behaupten, während des Pariser Aufenthalts des kürzlich von hier abgereisten Fürsten Hohenlohe seien

Die Frühlingssonn' am Himmelszelt,

Verherrlichend die GotteStvelt,

Sie bäuchte uns das Mutteraug,

Das über dieser Schöpfung wacht.

Die uns so froh entgegenlacht.

Zum Burghof ging es dann mit HanS, zum alten Kastellan. Der griff dann wohl einmal zum Schlüsselbund, und zaghaft folgten wir. Im Rittersaal der riesige Kachelofen von grüngefärbtem Thon, mit manchem Rätselbild und dunklem Spruch verziert, ein Wunder dünkt' er uns. Und dann die Wappen alle mit dem Hirschgeweih und Jägerhorn I Wie ernst sie auf uns niederblickt?n, die alten Grafen, mit gütigem Blick der bärtige Eberhard, den wundersamen Palmbau« neben sich, kaum wagten wir die Augen aufzuschlagen.* Traurig hinüberblickend schloß Erno:

Unwiederbringlich seid ihr hin, der Kindheit holde Tage,

Der Mann zieht hin zum Kampf, verläßt die Heimat ohne Klage;

Dem teuren Heimatland ein schmerzlich Lebewohl,

Ten Heißgeliebten dort der Liebe letzten Zoll!

Eben erhob sich die Sonne; ihr durch schwarze Wolken gedämpftes Licht glich einer Feuersbrunst. In ihrer Glut erstrahlte die Doppelmauer, der alte Turm und der Hauptbau der Burg. Ein unheimliches Vorzeichen dünkte das dem Wanderer. Doch ehe er dieser Erscheinung, die mit der Biegung des Wegs aus seinen Augen verschwand, weiter nachzusinnen vermochte, vernahm er wilde» Geschrei und lautes Waffengeklirr. Wie er naher kam, eL war just bei dem heute längst verschwundenen Weiler Immenrode* sah er einen von zwei Frauen und einem Knechte begleiteten Ritter von Bauern umringt und bedroht. Einer, sie nannten ihn den Dibold von Immenrode, eS war ein alter Landsknecht, stach

* Dieser Ortsname, eine ausgerodete Waldfläche bezeichnend, ist in der beim Volk üblichen Wortableitung zum PersonennamenSimon Rot" verketzert worden. Die dortigen Gewände heißen heute noch in den Güterbüchern von Untertürkheim und Fellbach2m Simon Rot".

eben mit seiner Pike nach dem Ritter. Da sprang Erno mit gezücktem Schwert hinzu, schlug die Pike nieder und stieß den Dibold zurück.

Was fallet ihr,* rief er diesem zornig zu,friedliche Wanderer an? Sind wir etwa Räuber und Mordbrenner?*

Der Landsknecht hätte gerne seine Wehre gegen Jenen gerichtet, wenn er nicht vom Neckarthal her bewaffnete Männer hätte nahen sehen. So zog er sich denn murrend zu seinen Begleitern zurück, nicht ohne Erno einen tückischen Blick zuzuwerfen. ,

Dem will ich's noch eintränken*, hörten ihn ferne Gesellen murmeln.

Ich danke dir, mein wackrer Junge,* sprach der Ritter, und ferne Be­gleiterinnen nickten ihm holdselig zu,ich bin Jörg von Velbach und wer sind im Begriff, auf die Fildern gen Bernhausen zu reiten zur Hochzeit meines Vetters Reinhard im dortigen Schloß; da sahen wir uns plötzlich von diesen Strolchen

«»gefallen.^ ^te,"widerte der Waiblinger ruhig, aber ernst,die auch zum armen Konzen halten, wie ich. Wenn sie einen Ritter sehen, so kocht m ihnen schon daS Blut warum? Werl rhr, d,e Herren vom Adel, nur darauf sinnet euch aller Lasten zu entledigen, sie aber auf die Schultern des armen MannS zu wälzen. Dem Lande zahlt ihr keine Steuern, dagegen treibt ihr von uns unerbittlich ein, was eure Ahnen uns an Lasten aufgebürdet haben. Zieht rubia weiter, Herr Ritter, vergesset aber niemals mehr der Menschlichkeit und d« Gerechtigkeit; 's ist Christenpflicht, o Herr!* Mit diesen Worten winkte er dem Ritter, weit« zu ziehen.

Dieser wandte schweigend fein Roß. Di« Mgere der Frauen aber flüsterte der älteren zu:Ein hübscher Jung«, hat fast ritterlichen Anstand; schade, daß er sich zu solchem Volke hält!*

Erno steckte sein Schwert ein und rief den Bauern zu:Auf nach BeutelS- bach, wo ihr längst sein solltet!* Dibold hätte gern dem Waiblinger trotzig widersprochen, aber ein Blick auf die Türkheimer, die ihrem Genossen treulich anhingen, belehrte ihn eines Bessern. So beschloß er, seine Rache auf gelegenere Zeit zu verschieben. (Forts, folgt.)