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ftitutionen des Reichs, Freiheit des Individuums, aber starke Staatsgewalt, Ge- wiffensfreiheit, aber nicht die Pflege des Kulturkampfes, jedoch keine Unterwerfung unter Nom. Die Versammlung spendete dem Redner reichen Beifall. Eine bedeutende Mehrheit der Stimmen für denselben ist in unserem Bezirke zu erwarten.
Württemberg.
Stuttgart, 30. Dez. Das heute ausgegebene Regierungsblatt Nr. 43 enthalt eine Verfügung des Kgl. Medizinalkollegiums, belr. die Einführung einer neuen Arzneilaxe. Vom 20. Dez. 1876.
Stuttgart, 28. Dez. Der St.Anz. sagt zu den gegenwärtig statthabenden Versuchen mit elektrischem Licht folgendes: Die Lichtquelle zu dieser Illumination wird auf mechanischem Wege durch eine von Mechaniker Gustav B>ur dahier gebaute, im Maschienensaale des Muster, lagers aufgestellte sogenannte Magnet-Jn- duktions-Maschine erzeugt, welche den zu einem elektrischen Lichte von solcher Jnten- sität nothwendigen elektrischen Strom liefert. Die elektrische Beleuchtung ist durch diese Art der Stromerzeugung in ein neues Stadium getreten, indem die fragliche Maschine durch jeden Motor (Wasserrad, Dampf- oder Gaskrast-Maschine, Thieroder Menschenkrafl) in Bewegung gesetzt, und mittelst einer beliebig langen Dralh- leitung die Lichterzeugung überall hin verpflanzt werden kann, auch die Kosten derselben überall, wo es sich um starke Lichterzeugung handelt, verhältnißmäßig sehr geringe sind. Herr Baur hat eine ähnliche Maschine zur Ausstellung wissenschaftlicher Apparate nach London gesandt, und für die von ihm daran angebrachten Verbesserungen volle Anerkennung gefunden. — Die obenermähnte Maschine kann täglich im Musterlager der Centralstelle eingesehen werden, auch gibt Herr Baur (Firma Baur u. Habe, Blumenstraße 13) auf Verlangen bereitwillig Auskunft.
Stuttgart, 1. Jan. Ergebniß der Wahl eines Landtagsabgeordneten der Residenz-Stadt Stuttgart: R.-Anw. L a u- tenschlager gewählt mit 6948 Stimmen; Dr. Dulk erhielt 4716.
Weingarten, 28. Dez. Der diesjährige Christabend brachte auch den Unteroffizieren und Soldaten der hiesigen Garnison Weihnachtsfreuden. In jeder Compagnie war ein Christbaum aufgeputzt, um den sich die Mannschaften schaanen. Aber auch für kleine passende Geschenke war gesorgt, so daß Freude und Jubel in den weiten Läsernenräumen herrschte. Daß auch die Soldaten ihren Christtag haben, mag deren Angehörige in der Heimat beruhigen.
Alts Hausen, 28. Dez. Ein be- klagenswerther Unglücksfall erreignete sich heute auf dem am Ende unseres Ortes gelegenen Weiher. Knaben spielten auf dem Eis, das mit denselben einbrach. 2 Söhne des Zimmermeisters Spiegel sanken unter und konnten nicht mehr gerettet werden.
Ausland.
Inmitten der Situation bildet die neue „türkische Verfassung" eine harmlose und
nichtsbedeutende Episode. Die Times führt aus, daß, so lange die christliche.Bevölkerung in der Türkei aus die Gnade der Muhsmedaner angewiesen sei, die angekündigten Reformen das theoretische Stadium nicht überschreiten würden; Garantien seien unerläßlich. Wenn die von Midhat Pascha ausgearbeitete Constitution das letzte Zugeständniß der Pforte bilde, so sei eine weitere Debatte nutzlos. — Die gleiche Anschauung herrscht unterschiedslos überrall. Die „Constitution" ist überladen mit liberalen Verheißungen und Grundsätzen, der einzige Artikel aber, nach welchem „der Islam die Staatsreligion bilden" soll, macbt jede ernsthafte Erörterung dieses constitutionellen Experiments unmöglich.
Miszellen.
Die Wurttrmbrrger vor Belgrad.
Im Rückblick auf die Geschichte der jüngsten Kämpfe zwischen Türken und Ser ben dürste für manchen Leser eine Erinne rung an eine Episode aus der Kriegsge schichte des vorigen Jahrhunderts, bei wel cher württembergische Soldaten eine Rolle aespiclt haben, nicht ohne Interesse sein. Am 24. Dezember 1785 wurde zwischen dem deutschen Kaiser Karl VI. und dem Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg ein Vertrag abgeschlossen, wornach letzterer sich verpflichtete, ein kompletes, mit guten Stabs- und allen anderen tauglichen Oberund Unteroffizieren versehenes Regiment von 2300 Mann in 17 Kompagnien dem Kaiser zur Verfügung zu stellen, welcher es der in Ungarn stehenden kaiserlichen Feldarmee einzuvcrleiben Willens war.
Am 28. Mai im Jahre 1716 traf das Regiment in Wien ein und wurde am folgenden Tage von dem Prinzen Eugen von Savoyen gemustert.
Von dort wurde im Juni nach Ungarn weiter marschirt, denn das Regiment sollte zu der bei Peterwardein zusammenzuziehenden kaiserlichen Armee stoßen, welche Festung die in beträchtlicher Anzahl anrücken- den Türken zu belagern sich anschicklen.
Am 5. August wurde bei Pekerwardein eine große Schlacht zwischen den Türken uvd den Kaiserlichen geschlagen, wobei auch das württembergische Regiment betheiligt war. Die türkische Armee wird nach blutigem Kampf, bei welchem den Württem- bergern 6 Fahnen in die Hände fielen, zurückgeschlage». Das Regiment, das einen Verlust von 95 Verwundeten batte, wurde wegen seiner tapferen Haltung vom Prinzen Eugen öffentlich belobt. Namentlich wurde den beiden Grenadierhauptleuten wegen ihrer mannhaften Haltung großes Lob zu Theil. Hauptmann v. Nothberg habe dem ersten Türken das Schwert entrissen und 18 Mann Tartaren und Türken damit niedergehauen.
Am 10. August begann die Armee ihren Vormarsch gegen das von 15,000 Türken besetzte Temeswar, dessen Belagerung am 1. September begann. Am 1. Oktober wurden, unter Betheiligung eines Bataillons vom württembergische» Regiment, die Vorwerke gestürmt.
Dem schon beschlossenen allgemeinen großen Sturm auf die Stadt selbst machte
die von den Türken am 13. Oktober angebotene Kapitulation ein Ende; denselben wurde ungehinderter Abzug aus der Festung gestattet.
Die Armee bezog nun Winterquartiere in der Umgegend von Temeswar. Im Jahr 1717 begann der Kampf von Neuem und im Juni 1717 rückte die Armee und mit ihr auch das würtlemb Regiment vor bis Belgrad, wo am 16. August eine große Schlacht geschlagen wurde, bei welcher das letztere sich wieder auszeichnete und einen türkischen Roßschweif erbeutete. Am 18. August kapitulirten die Türken und räumten Belgrad, das nun von den kaiserlichen Truppen besetzt wurde. Auch das württ. Regiment stellte ein Bataillon zu der Besatzung; letzteres betheiligte sich im Oktober 1717 im Verein mit den kaiserlichen Truppen an einer unblutigen Expedition in die serbischen Berge.
Im Jahre 1718 drohte der Krieg von Neuem auszubrechen, als die Friedensunterhandlungen begannen, denen am 15. Juli 1718 der definitive Friedensschluß mit der Pforte folgte. Am gleichen Tage brach das Regiment auf, um der getroffenen Vereinbarung gemäß nach Italien zu mar- schiren, von wo es zwei Jahre später in die Heimath zurückkehrte. (N. T.)
Aus dem podolischen Ghetto.
Eine alte Frau erzählt:
„Wenn Ihr über den Marktplatz geht, so seht Ihr, gerade vor dem Kloster der Dominikaner, einen dicken großen Holzblock aus dem Boden hervorragen. Er ist morsch und verwittert, und längst hätte man ihn weggeschafft, wäre er nicht eine Erinnerung «n eine furchtbar drangvolle Zeit.
Ihr wißt nichts von dieser alten Zeit — freut Euch dieses Glückes! Ich will es Euch nicht nehmen, und wenn ich heule etwas aus jenen Tagen berichte, so geschieht es nicht, um Euch das Herz zu beschweren, oder mit Zorn und Haß zu füllen. Das Leid ist verschwunden, u. die es gelitten haben, sind todt und begraben. Und bei uns steht geschrieben und einer unserer Weisen hat gesagt: „Verzeihet Denen, die an Euch gefrevelt und vergeltet ihre Frevelthat durch Gutthat!" Was ich erzählen will ist eine schöne edle Thalaus jener häßlichen düstern Zeit. An dieser That möget Ihr Euch freuen, denn sie war eine Heldenthat, so bell, so stolz, so groß, wie nur jemals eine auf Erden vollbracht worden ist.
Ein einfach jüdisch Weib hat sie vollbracht; der Drang der Zeit hat ihr weiches Herz gestählt und sie zu einer Heldin gemacht. Lea hieß das Weib und war die Gattin des reichen, frommen Samuel — das Geschlecht ist später, als die kaiserliche Herrschaft ins Land kam und deutsche Namen für unsere Familien festgesetzt wurden, „Rathhauser" genannt worden. Denn zur Zeit, als diese Geschichte sich begeben hat, da hatten wir noch keine solche Namen. Das war vor mehr als hundert Jahren, und wir lebten noch unter dem polnischen Adler.
Unser Städtchen gehörte schon damals dem adeligen Geschlechts der Bawarowsky,