Beilage zu Nr. 92 -es ,MMler."
Donnerstag, den 5. August 1875.
Kronik.
Württemberg.
Nachdem in jüngster Zeit noch eine gröbere Anzahl bedeutenderer Waldstreu- bere htigungen in einigen Oberamtsbezirken des Schwarzwaldkreises durch Ablösung beseitigt worden ist, kann über den Stand der Ablösung der bisher auf den Staatswaldungen des Landes gelasteten Streu-, Gräserei- und Waidgerechtigkeiten folgende Mittheilung gemacht werden.
Bekanntlich äußerte die überwiegende Mehrzahl der Berechtigten schon lange vor hem Erscheinen des Ablösungsgesetzes vom 26. März 1873 eine lebhafte Abneigung gegen die Ablösung ihrer Berechtigungen und war hienach anzguehmen, daß die Berechtigten non dem ihnen, wie dem belasteten Waldeigenthümer, gesetzlich zuste henden Recht, die Ablösung zu verlangen, wenig Gebrauch machen würden. Um so interessanter ist die Thatsache, daß die Berechtigten zum Theil alsbald, fast durchaus aber inner Jahresfrist nach der Verabschiedung des Gesetzes die Ablösung ange- meldet haben, während dieselbe von Seiten der belasteten Staatsfinanzverwaltung nur in sehr wenigen Fällen, welche mit anderen schon angemeldeten Rechten in einem gewissen Zusammenhang standen, angenieldet wurde.
Die hienach von Seiten der Berechtigten angeregten Ablösungsverhandlungen nahmen zwei Jahre in Anspruch. So groß und vielseitig die Schwierigkeiten waren, welche einem beträchtlichen Theile der Ablösungen im Wege standen, so ist es nunmehr doch gelungen, — einen Oberamtsbezirk ausgenommen — fast alle bedeutenderen auf den Staatswaldungen lastenden Gerechtigkeiten abzulösen, so weit dieselben unter das Gesetz vom 26. März 1873 fallen. Gegen 700 einzelne Streu-, Gräserei- und Waidegerechtigkeiten, welche theils Gemeinden, theils Privaten auf eine Staatswaldfläche von ungefähr 180,000 Morgen zugestanden sind, wurden mit einem Aufwand von etwa IV- Milliooen Mark abgelöst. Alle diese Ablösungen sind im Wege gütlicher Uebereinkunft der Partieen zu Stande gekommen und ist nur in einem Oberamtsbezirk das amtliche Schätzungsverfahren eingeleitet morden.
Von Interesse dürste noch eine Mittheilung darüber sein, in welcher Weise die Ablösung der fraglichen Waldrechte nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen auf die früheren Berechtigten gewirkt hat.
Art. 81 des Gesetzes räumt dem Berechtigten das Recht ein, auf die Dauer einer Uebergangszeit bis zu 5 Jahren sein Bedürlniß an Waide, Gras oder Streu aus den Waldungen des Belasteten in dem der Ablösung zu Grund gelegten Quantum und gegen Ersatz des bei der Ablösung berechneten Preises zu beziehen. Nun ist' bei Waldwaideablösungen in gar keinem Fall von der vorstehenden Uebergangsbestimmung Gebrauch
gemacht worden, bei den abgelösten Gräserei- und Streunutzungen aber haben die Berechtigten in etwa der Hälfte der Fälle freiwillig auf jeden ferneren Bezug von Gras und Streu nach den Bestimmungen des Art. 81 verzichtet; in den übrigen Fällen endlich, in welchen sich die Berechtigten den fünfjährigen Bezug der Gras- und Streunutzung vorbehielten, haben sie während des Uebergangszeitraums die der Ablösung zu Grund gelegte Menge bis jetzt niemals ganz, sondern meist nur etwa zu V« desjenigen Quantums beansprucht, welches sich vertragsmäßig hätten beziehen können. Sie finden es also vortheilhafter, sich schon in der Uebergangszeit einen anderweitigen Ersatz des abgelösten Genusses zu verschaffen, als die Gras- und Streu- nutzung im Staatswald gegen Rückerstattung des der Ablösung zu Grund gelegten Preises forlsetzen. Hieraus dürfte hervorgehen, daß die Grundlagen der bisherigen gütlichen Ablösungen allen billigen Anforderungen der früheren Berechtigten entsprechen.
So wird der Jahrhunderte lange Waide- und Streukampf, welcher von den Berechtigten theils unter sich, theils gegen den Waldeigenthümer geführt wurde, mit der Ablösung einem fast durchaus friedlichen Abschluß entgegengehen.
Möge die Entlastung des Waldes hier wie anderwärts nicht nur dem. Wald, sondern auch den seitherigen Berechtigten zum Nutzen gereichen. (St.-Anz).
Die Darstellung künstlicher Edelsteine, schreibt der „St.-A.", bildet, wie dem Norden unseres deutschen Vaterlandes geschrieben wird, in England und Frankreich nunmehr einen eigenen Industriezweig. Rubinen, Saphire und Smaragde stellt man jetzt aus Thonerde her, welche in Krystallgestalt zu erhalten zuerst einem Chemiker in Paris gelungen sein soll. Ein bedeutender Handel wird in Amerika mit künstlichen Diamanten getrieben, welche eine Produkt aus krystalli- firter Borsäure sind. Bei käuflicher Erwerbung von Edelsteinen wird man daher mit aller Vorsicht zu Werke geben, und zur Abwendung von pekuniärem Schaden reelle Sachverständige beizuziehen nicht versäumen.
Miszellen.
Der Ummeister von Strajzburg.
Historische Novelle von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung).
Große Männer werfen große Schatten, und dieser Schatten war sicherlich bei dem edlen, verdienstvollen Bürgermeister, dem Märtyrer deutscher Selbstständigkeit verzeihlich, wie man die Vaterliebe wohl niemals verdammen wird.
Und diese stolze Jungfrau, das Kleinod seines Hauses sollte sich so weit vergessen haben, den Sohn des Todfeinds und Ver-
räthers zu lieben, das greise Haupt des Vaters durch eine solche entehrende Neigung mit Schmach zu bedecken?
„Es ist nicht, es kann nicht sein," sprach Herr DominicuS, den entsetzlichen Gedanken von sich abwehrend, „Haß und Eifersucht haben dem Stadtschreiber die schnöde Verleumdung eingegeben; Gott verzeche dem Unseligen diese Sünde."
Er wollte die Gattin aufsuchen, da trat sie schon in's Zimmer, bleich und zögernd wie eine Angeklagte.
Der Bürgermeister schaute sie erschrocken an, als wolle er aus ihren kummervollen Zügen fein Todesurtheil lesen.
Dann strich er sich hastig über die Stirn und fragte ganz ruhig: „Du hast mir unserer Tochter geredet?"
„Ja, mein theurerer DominicuS!" erwiderte die Gatlin tonlos.
„Es ist nichts als Verleumdung, elende Lüge!" fuhr Jener fort.
„Katharina verweigerte mir trotzig jegliche Auskunft."
„Weil sie die Beleidigung nicht zu fassen vermag, weil sie es für unerhört findet, daß ihre Eltern so Entehrendes von ihr denken möge» ?"
„Möglich, daß es so ist, wie Du sagt», Dominicus!" nickte Frau Brigitta, einen Seufzer zurückdrängend.
Der Bürgermeister erblaßte und blickte sie starr an.
„Nur eine Möglichkeit setzest Du voraus ?" fuhr er empor, „so werde ich selber mit ihr reden, mir soll sie die Auskunft nicht verweigern."
Frau Brigitta ergriff die Hand des Gatten und sprach mit leiser, bebender Stimme:
„Du hast kein Recht, ihr einen harten Vorwurf zu machen, — mein theurer Freund! waS ich so lange befürchtet, es scheint sich zu bewirklichen, der eigenwillige Charakter unsers Kindes, der von keiner starken Hand gezügelt und in die rechte Bahn des Gehorsams bei Zeiten, da das Rohr noch schwach war und sich biegen ließ, gelenkt worden, — droht jetzt die Schranken des väterlichen Hauses zu durchbrechen und seinen eigenen Weg, — aller Sitte zum Hobn, zu wandeln."
„Ich verstehe diesen Vorwurf," ent- gegnete Herr Dominicus, „und habe ihn verdient. Doch hoffe ich trotz alledem, daß Du Dich geirrt hast, mein theures Weib! Ein Charakter, wie der unseres Kindes, kann wohl seine eigene, absonderliche Bahn wandeln, doch niemals vom Pfade der Ehre abweichen, niemals einen Mann lieben, dessen Vater Schimpf auf die eigene Familie häufen wollte und dafür dem Henker verfiel; einen Mann, der aus seiner tödtlichen Feindschaft gegen mich niemals einen Hehl gemacht und, könnte es dennoch wahr sein, nur seiner Rache damit hätte genügen wollen, indem er einen solchen Streich gegen mein Glück vollsührte. Siehst Du ein, meine kluge Brigitta," setzte er mit einem tröstenden