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Ausnahmen von der Gewerbe­steuer finden statt bezüglich der vom Staat selbst betriebenen Gewerbe. Steuerfrei ist ferner der Handel mit Produkten aus eigenen und gepach­teten Grundstücken, sowie mu den davon ernährten Thieren uud deren Er­zeugnissen, sei es, daß die Produkte r o h in dem Zustand, in welchem sie von der Natur geliefert werden oder in einem anderen Zustand verkauft werden, der noch in dem Kreise des land- und forstwirthichaftlichen Betriebs liegt. Steuer­frei ist also z. B. der Verkauf von selbst erzeugtem Wein, Obstmost, Butter, Käse, Schmalz, gedörrtem Obst, Hanf, Flachs, aufbereitetem Holz, nicht aber auch der Verkauf von Mehl, Brod, Brettern u. s. w. Der Handel mit aufgekauften 'Produkten, Thieren und deren Erzeugnissen unterliegt der Steuer wie jedes andere Gewerbe.

Als steuerpflichtig wird jede Person angesehen, welche im Lande ein Gewerbe betreibt. Wer durch Faktoren, Geschäftsführer, Verwalter oder andere Stellvertreter ein Gewerbe führt, wird be­handelt, wie wenn man das Gewerbe in Person betreiben würde. Pächter von Staalsgmverben sind nicht ausgenommen. Nichtwürttemberger werden wie Inländer behandelt. Mann und Frau mit je besonderem Gewerbebetrieb sind je besonders steuerpflichtig, ebenso ein Haus­kind, welches aus eigene Rechnung ein Gewerbe beireibt. Wenn eine Person mehrere Gewerbe betreibt, so ist sie für jedes derselben steuerpflichtig. Bloße Zweiggeschäfte sind mit dem Ha up t- geschäft als eigenthümliche Zubehör­den einzuschätzen.

Handwerker, welche außer ihren eige­nen Fabrikaten auch mit fremden handeln, unterliegen in dem Falle, daß der Handel mit fremden Fabrikaten das Haupt- und die eigene Fabrikation blos das Nebenge­schäft ist, auch als Handelsleute der Gewerbesteuer.

Die Sleuerpflicht ist in dem Steuer- distrikr, d. h. in derjenigen M a r k u n g s- gemeinden zu erfüllen, in welcher das Ge­werbe betrieben wird. Bei Erstarckung eines Geschäfts über mehrere Markungen oder bei Zweiggeschäften auf anderen Mar­kungen entscheidet der Ort der Betriebs- leitung. Der Steueranschlag wird verhältnißmäßig auf sämmtliche Markungs- gemeinden repartirt.

Inländische Hausirer werden im Wohnort, Besitzer von Wanderla­gern am Orte des V e r k a u f s l o k a l s nichtwürttembergische Hausirer am Orte, wo sie das Gewerbe beginnen be­steuert.

(Fortsetzung folgt).

Stuttgart, 18. Febr. Wir ma­chen unsere Leser auch an dieser Stelle darauf aufmerksam, daß die Zehngulden- nolen der württembergischen Notenbank durch Bekanntmachung der Direktion zum Umtausch gegen Hundertmarknoten oder zur Einlösung gegen baares Geld ein- gcrufen sind und bienach vom 15. Sept.

d. I. an die Eigenschaft als Banknoten verlieren. (St.-Anz.)

Stuttgart, 17. Febr. Die Ver­sendung der fünf Ansrufe: an die deutschen Schützen, an die deutschen Schützen im Auslande, an die Schützen der Eidgenossen­schaft, an die Schützen in Oesterreich-Un­garn , an die Schützen in Amerika- ist jetzt vollendet. Die Kunde von der Ab­haltung des V. deutschen Bundesschicßens in der schwäbischen Hauptstadt durste jetzt die Runde durch die ganze civilisirte Welt gemacht haben. Dem Vernehmen nach sol­len die Arbeiten ans den verschiedenen Schieß- und Festplätzen beginnen, sobald die deut­sche Schießkommission von den Plänen Einsicht genommen und deren Genehmi­gung ausgesprochen hat. Der Beginn der äußeren Arbeiten dürfte mit dem Anfang des nächsten Monats zusammenfallen.

Stuttgart, 18. Febr. Der schöne Neubau zum Hotel Marquardt, in seinem Aeußern schon seit einiger Zeit vollendet, steht jetzt auch im Innern soweit fertig da daß nur hin und wieder noch ein Anstrich fehlt. Das Ameublement ist gleichfalls fertig, uud darf nur noch an Ort und Stelle gebracht werden. Das Etablissement in seiner neuen Gestalt zählt unbedingt zu den großartigsten in Deutschland; für Stuttgart neu ist insbesondere die Ein­richtung eines sogenannten Elevator in dem Hotel, nämlich einer Hebmaschine, welche auf hydraulischem Wege die Gäste vom Parterre aus in die oberen Stockwerke em­porträgt , ohne daß sie einen Fuß zu regen brauchen. Die Herstellung dieses Elevator war mit großen Schwierigkeiten gleich beim Beginn des Baues verknüpft, denn da, entsprechend der Höhe der Stockwerke, bis zu denen der Hebeapparat emporleiten soll eine Einsenkung in die Erde stattfinden mußte, war eineGrubevon84 Fuß Tiefe auszuheben und schon bei 28 Fuß stieß man auf Was­ser, dessen Auspumpung mühsam bewerk­stelligt werden konnte, das aber jetzt zu einer für den Bedarf des Hotels sehr er­sprießlichen Quelle gefaßt ist. Die Eröff­nung des Neubaues wird am 6. März (Geburtsfest seiner Majestät des Königs) stattsinden, zugleich auch die festliche Ein­weihung des neuen prachtvollen Speisesaales.

B iberach, 19. Febr. Am vorigen Markte standen die Viktualienpreise dahier also: '/s Kilo 1 Pf. Ochsenfleisch 18 kr. Rindfleisch 14 kr., Schweinefleisch 18 kr. Kalbfleisch 12 kr., Butter 28 kr., Rind­schmalz 34 kr. , Schweineschmalz 2836 kr., 1 Sri. Aepfel 54 kr. bis 1 fl., 50 Kilo 1 Ztr Kartoffeln I fl. 24 kr. bis 1 fl. 30 kr., ein Paar Tauben 14 kr., 1 Huhn 24 kr., 1 Henne 20 kr., 1 Ente 48 kr, I Ei 2 kr. Weißbrod für I kr. 74 Gramm; Schwarzbrod für 2 kr. 170 Gramm. Winterbier 1 Liter 7 8 kr., Weißbier 1 Liter 3 kr.

Neuenbürg, 22. Febr. Der Aus­schuß des Lese-Vereins, bemüht, den Mit­gliedern und deren Familien edlere Ge­nüsse zu bereiten, veranstaltete letzten Frei­tag wieder eine sehr amüsante Unter­haltung durch Vorführung lebender Bilder. Entfernt von den Centralpunktcn der Künste und Wissenschaften, in unserem kleineren

Kreis vorhandener Kräfte, dürfen wir ei­nen nur bescheideneren Maßstab der Er­wartungen a,üegen; müssen aber gestehen, daß beim Anschauen dieser Bilder unsere Erwartungen sich übertroffen sahen. Zeigte schon das äußere Arrangement der Bühne künstlerisches Geschick, so steigerte die Dar­stellung der einzelnen Bilder zur andauern­den Bewunderung. Wir sahen:Die Heimkehr des Kriegers" eine jener unver­geßlichen Sccnen aus der allen denkwürdi­gen Zeit des Jahres 1871;Ln passant" (Phantasie im Nococostil des 18. Jahrh., nach der Frauenzeitung);Dornröschen" Scene aus dem letzten Akt.Der Tanz auf der Alm" (nach dem Bild in der Gartenlaube). Sämmtliche Bilder lebens­voll, lieblich, frisch, wahr und naturgetreu wiedergegeben; die Mitwirkendcn ihrer Rollen Meister; das Malerische, Licht uud Schatten in der Ausführung effekivoll. Zum Schluffe improvisirten die Darstellen­den sich zu einer anmuthigen Gesammt- Grnppe. Stürmischer nicht enden wollen­der Applaus lohnte die Direktion und die Mitwirkenden, denen wir für die schönen Stunden zum besten Danke verpflichtet sind. Wir entbehren hier der Kunst- notabilitäten großer Städte, konnten aber an diesem Abend doch sagen:Willst Du in die Ferne schweifen? Sieh das Gute ist so nah."

Miszellen.

Js der Herr von Kalchmeiß no n i t a u f g ' st a n d e n? - In einer der stillsten und friedlichsten Gassen des stillen und friedlichen neunten Bezirkes so er­zählt ein Wiener Blatt vernahm man in früher Morgenstunde an einem der letz­ten Tage ganz ungewohntes Wagengerassel. Um 5 Uhr fuhr ein Fiaker in die Gaffe ein und hielt vor dem Hause Nr. 6. Wenige Minuten später kam ein zweiter Wagen und hielt vor demselben Thore, dann ein dritter, vierter und so fort. Innerhalb einer Viertelstunde hatten sich vor Nr. 6 sechszehn Wagen, Ein- und Zweispänner, versammelt. Die Bewohner der Gasse, durch das in derselben und schon gar um solche Tageszeit ganz unerhörte Näderge­rassel und Peitschengeknall aus dem Morgen­schlummer geweckt, sprangen aus den Bet­ten und eilten an die Fenster. Die Kut­scher waren über ihr MassenZusammentreffen nicht minder erstaunt und ihre Verwun­derung steigerte sich noch, als sie einander versicherten, Alle von einem Herrn v. Kalchmeiß, derzum Schnellzug auf die Südbahn muß", hieher bestellt worden zu sein. Endlich wurde das Thor geöffnet. Sechszehnstimmig wurde anden Hausmeister die Frage gerichtet:IS der Herr von Kalchmeiß no nit aufg'standen?"Der Herr von Kalchmeiß? Der Nam' is mir ganz neu, den Herrn kenn' i nit." Die Wagen kehrten um und fuhren davon. Der Lärm war diesmal noch größer, denn zum Rädergerassel und Peitschenknall ge­sellte sich noch ganz infernalisches Gefluche. Zu was für einer Sorte von Späfseu gewisse rare Herren noch immer aufge­legt sindbei die Zeiten!" _

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. M eeh in Neuenbürg