Der Vater beschloß deshalb, sich irgendwo Beschäftigung zu verschaffen, um die Ein­nahmen zu vergrößern. Anfangs freilich hatten die beiden Gatten große Mühe sich mit diesem Gedanken vertraut zu machen: nach und nach verlor er jedoch sein Ab­schreckendes und je mehr sie sich die Sache überlegten, desto leichter erschien ihnen dis Ausführung ihres Planes. Endlich »ach mancher Seelenqnal, die gekränkter Stolz und fehlgcschlagene Hoffnungen ihnen ver­ursacht, erhielt Mr. H. eine Stelle als Commis aus einem Comptoir mit einem jährlichen Gehalt von hundert Pfund.

Täglich begleitete ihn seine hübsche Frau bis zum Ausgang des kleinen Gar­tens; täglich ging sie ihm mit dem Kinde aus dem Arm entgegen und empfing ihn mit den süßesten Worten, um ihn für seine Mühe und Anstrengung zu belohnen. So lebten sie viele Jahre lang in aller Stille und untadelhaft, bis die Tochter in voller Blüthe stand. Sie nährte die innigste Hingebung für ihre Eltern, aber leider auch das lebendigste Gefühl des gegen sie be­gangenen Unrechts, in welchem jene sie falscherweise bestärkt und erbte damit all' die leidenschaftliche Empfindlichkeit, die in dem Charakter der Eltern lag.

Als sie ihr vierundzwanzigstes Jahr erreicht hatte, starb ihre Mutter. Es war ein furchtbar schwerer Schlag und die Ar- muth, die ihnen während 26 Jahren ge­droht, trat ihnen nun schreckhaft nahe. Freilich fand sich nach Mistreß H's Tod ein bisher unvermutheter Schatz und Mr. H. hatte ja noch immer seine Stelle auf dem Comptoir:- aber wie lange konnte das dauern?

Da Mr. H. seinen Trost nicht in der Religion suchte, war der Schmerz über den Tod seiner Frau ohne Grenzen; er war nicht zu beschreiben kaum denkbar. Mr. H. war ein Mann von heftigen Leiden­schaften und unbeugsamem Willen; er trau­erte wie Einer, der keine Hoffnung mehr kennt und sich nicht trösten lassen will. Er vergaß, daß ja ein gegenseitig Opfer statt­gefunden er dachte nur an die Stellung, die sie um seinetwillen verloren, an den Verlust, den sie ohne Murren ertragen; ja, er vergaß das Kind, das sie so überschwenglich geliebt, und beschloß, den kleinen verborgenen Schatz zu verschwen­den, den sie mit liebevollster Sorgfalt und strengster Selbstverleugnung zu seiner und ihrer Tochter Verwendung ausgespart. Er ließ, wie zum Spott, ihre sterblichen Reste in eine kostbare Leichentracht hüllen und ihren Sarg, der mit seinem prachtvollen Wappen geschmückt war, auf einem glän­zenden Leichenwagen mit sechs rabenschwar­zen Pferden bei Fackelschein nach seinem Familienbegräbnisss führen. Ein einziger Wagen, in welchem er selbst mit seiner tieftrauernden Tochter saß, bildete den gan­zen Conduct.

Obgleich seine Verwandten ihm nich! den schwachen Trost versagten, seine ver­storbene treue Gattin in ihrem Familien­begräbnisse beisetzen zu lassen, thaten sie doch keinen Schritt zur Versöhnung mit dem Hartgeprüsten. Es ist wahrscheinlich chas er diese peinliche Gelegenheit benützte,

ihnen die Tochter der Frau vorzustellen, die sie im Leben verstoßen, aber wenn er es gethan, wurde er schmerzlich enttäuscht, denn es folgte kein Zeichen von Vergebung und mit seiner Gattin ging die letzte Hoff­nung auf Versöhnung zu Grabe. Mit kum­mervollem und gebrochenem Herzen kehrte er mit seinem Kinde in die öde Wohnung zurück.

Im Gefühle des bittersten Schmerzes über den erlittenen Verlust konnte er mehrere Stunden lang in sich versunken dasitzen und bei dem geringsten Geräusch als eine Beute der peinlichsten Seelenqual erschro­cken auffahren. Sein Nervensystem war heftig erschüttert und er wandte sich von seiner Tochter liebevollen Trostspenden, wenn auch nicht mit Unwillen, so doch mit so sichtbarer Ungeduld ab, daß der Kum­mer nicht wenig gesteigert wurde, den sie so eifrig zu bekämpfen suchte, um desto wirksamer ihren geliebten Vater beruhigen und aufmunteru zu können.

Ein Schreiben vom Chef des Hauses, auf dessen Comptoir er arbeitete, brachte ihn doch einiger Maßen wieder zu sich. Mehr als je sah er die Nothwendigkeit ein, sich anstrengen zu muffen, denn sein Salair als Commis war nun alles was ihm blieb. Des Lebens gewöhnliche Be­dürfnisse mußten geschafft werden und die Mittel dazu waren beinahe gänzlich er­schöpft; er fühlte, daß er kämpfen mußte, um der Natur zu Hülfe zu kommen und beschloß deßhalb, seine Stelle wieder an­zutreten. Am nächsten Morgen begab er sich auf das Comptoir und begann aufs Neue seine mühsamen Verrichtungen.

(Fortsetzung fotgt.j

Eine Promenade Garidaldi's.

(Von Hans Wachenhusen.)

Im Kriege gelten alle Mittel, alle Waffen, das haben uns namentlich die Herren Franzosen gezeigt, die, sich den Teufel um das Völkerrecht kümmernd, im 1859er Kriege, als ich im Hauptquartier Giulai's (unseligen Andenkens) war, auf die armen Oesterreicher mit Kugeln schoßen, welche Bolzenform hatten, oben gespalten waren und Wunden verursachten, an denen jede Kunst des Arztes verzweifelte. Alle Mittel, alle Waffen gelten also, und das Geld ist namentlich in allen Kriegen eine siegreichere Waffe gewesen, als es heute die gezogenen Kanonen sind.

Alle Welt errinnert sich desGaribaldi'- schen Siegeszuges von der Insel Sicilien über die Meerenge, durch Calabrien, nach Neapel. Ich, der ich diesen Zug mitmachte, habe von demselben bereits mancherlei er­zählt, aber die Gemüther waren damals so entzündbar, Alle sahen sie nur Licht und wollten nicht von dem geringsten Schatten wissen, und da es meine -Manier ist, stets die Wahrheit zu schreiben, selbst da, wo es vielleicht besser wäre, einen Schleier darüber zu decken, so hat man mir denn damals Manches sehr übel ge­nommen, was mich indeß nicht hat abhal­ten können, auch ferner der Wahrheit ihr Recht zu geben.

Heute sind die Gemüther schon ein

wenig abgekühlt und ich darf also auch eineu Moment berühren, der mir ans je­ner tumultuarischen Zeit von Garidaldi's Einzug in Neapel noch lebhaft im Gedächt- niß schwebt.

Wer Garibaldi's ganze Kriegskunst näher zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, der weiß, daß List und Täuschung des Feindes seine Hauptwaffen sind. Wie gerade und ehrlich er persönlich auch ist, liebt er doch die Schleichwege, wenn es gilt, seinen Gegner zu duxiren; das bewies er, als es sich im Jahre 1860 darum handelte, die neapolitanischen Kreuzer in der Meerenge von Messina zu täuschen, indem er allnächtlich im Dunkel seine Leute in kleinen Booten hinüber auf das calab- rische Ufer bugsirte, während er bei Tage sich den Anschein gab, als habe er gar keine Eile mit dem Betreten des Festlan­des. Tags sah er bei uns im Lager von Torre del Faro, bei der Cheryldis, so still aus, als würden wir noch Monate lang im Sande liegen; mir badeten uns in den blauen Wellen unterhalb des Monte Cap- pucini, wir sahen dem Fange des Thun­fisches zu, wir schliefen unter den indischen Feigen, unter den Granaten und Magno­lien und würden ein Schlaraffenleben ge­führt haben, wenn nur die Verpflegung nicht so hundeschlecht gewesen wäre, die eben nur aus Wassermelonen bestand, von denen man die Kolik bekam, und aus fau­len Fischen, die bei uns zu Hause keine Katze gefressen hätte. Trotz dieser schein­baren Stille aber wurde allnächtlich der Uebergang ganzer Abtheilungen nach Ca- labrien bewirkt, und als das Gefecht bei Reggio stattfand, waren schon Tausende von Garibaldianern auf dem Festlands.

(Fortsetzung folgt.)

Rache einer verschmähten Gelieb­ten. In Boston erregte vor einigen Wo­chen eine literarische Erscheinung seltenster Art gerechtes Aufsehen. Eine Dame näm­lich, die von ihrem Geliebten treuloser Weise verlassen worden war, ließ die von ihm erhaltenen zahlreichen Liebesbriefe, welche nicht nur von zarten Betheuerungen in überschwenglichsten Ausdrücken wimmelten, sondern auch sonstige Privatissima enthiel­ten, drucken und gab sie, mit dem vollen Namen des Verfassers, zum Besten einer Versorgungsunstalt verwahrloster Kinder heraus. Das compromittirende Buch hat einen reißenden Absatz gefunden; der Ab­trünnige aber mußte, um dem Gelächter zu entgehen, die Stadt verlassen.

Als Curiosum erfahren wir, daß am Tage der Abreise des Schah's von Persien in Wiesbaden von der Militärbehörde die ParoleSchweinfurt" ausgegeben wurde.

Ausgenommen von der neuen französi­schen Begräbnißordnung ist der gesunde Menschenverstand. Dieser kann sich zu je­der Zeit begraben lassen. (V. W.)

Hiezu eine Beilage:

Der General-Anzeiger für Württemberg Nr. 19.

Nedaction, Druck und Vertag von Zak. Me eh in Neuenbürg.