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derer herangemacht hatten, um sie um ihr ganzes Habe auf diese Weise zu bringen. Auf Anregung des deutschen Generalkonsulats für Amerika sind Seitens der Reichsre­gierung die Einzelregierungen des Deutschen Reiches hievon in Kenntniß gesetzt und hat in Folge dessen der Minister des Innern die Spezialregierungen angewiesen, die oben erwähnten Thatsachen zur Kenntniß des Publikums zu bringen und das aus­wanderungslustige Publikum vor diesen Betrügern zu warnen. Es kann den Aus­wanderern nur angerathen werden, wenn sie nicht Willens sind, das deutsche Geld nach Amerika mit hienüber zu nehmen, wo es in gleich gutem Werth steht wie bei uns, die Einwechselung bei einem bekannten Bankhause, nicht aber bei einem ganz un­bekannten Händler oder einer Mittelsper­son vorzunehmen.

Die deutsche Münzreiorm ist durch das Gesetz vom 4. Dez. v. I., betr. die Ausprägung von Reichsgoldmünzen, erst angebahnt, dem Fortschritt und Aus­gang der Reform ist das lebhafteste Inte­resse aller Volkskreise zugewendet. Da in- deß schon die gehaltreichen Verhandlungen über jenes Gesetz ein fast erschöpfendes Ma­terial an wissenschaftlichen Belegen und praktischen Erwägungen darbieten, so ist eine nach Paragraphen geordnete Zusam­menstellung der amtlichen stenographischen Berichte äußerst willkommen. Dieselbe ist im neuesten (5.) Hefte von Hirth'sAn­nalen des Deutschen Reiches" enthalten; sie füllt mit den Anlagen und der Denk­schrift des Reichskanzlers vom 4. Mai d. I. 215 Seiten aus und bildet ein förm­liches Handbuch über die Münzfrage.

Württemberg.

Bekanntmachung, betreffend dir Schreibweise des Orts­namens Hirsau, Oberamts Calw.

Nachdem der Bitte des Gemeinderaths von Hirsau, Oberamts Calw, um Wieder­herstellung der in den neueren Ausgaben des Staats Hand buchs verlassenen alther­kömmlichen früheren Schreibweise des Orts­namens seiner GemeindeHirsau" ent­sprochen worden ist, wird dies hiemit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Stuttgart, den 7. Juni 1872. Königl. Ministerium des Innern. Sick.

Stuttgart, 10. Juni. Regierungs­rath Di essen dach b« der Centralst. für Hdl. u. G. ist zum Ingenieur für die Ma­schinenausstellung des D. R. bei der Wie­ner Weltausstellung von 1873 berufen und diese Berufung von Seiten Sr. Maj. des Königs genehmigt worden.

Stuttgart, 10. Juni. Vorige Woche weilte hier eine Deputation aus Belgien, im Aufträge der dortigen Regierung, um unsere Sch ul turnweise des Näheren kennen zu lernen. Dieselbe bestand aus 2 Professoren und einem Offizier und hatte in gleichem Aufträge schon Schweden, Däne­mark und Norddeutschland bereist.

Feuerlöschwesen. In Württemberg bestehen 227 Feuerwehren und treffen da­her auf 7800 Einwohner ein Feuerlösch- kpxps; in Bayern (exl. Pfalz) bestehen 728 Feuerwehren und kommen somit auf 5800 Einwohner eine Feuerwehr.

Ausland.

Aus der Schweiz und aus Ober Jtalien kommen Nachrichten über gewaltige Ueber- schwemmungen, Der Tessin und die Adda sind sehr angeschwollen und haben große Zerstörungen angerichtet.

Das Schreiben, in welchem Napoleon III. mittheilt, daß er die Uebergabe von Sedan befohlen, hat ihm eine Adresse ein­getragen. Ein Theil der Bewohner der genannten Stadt hat sich nachträglich schrift­lich bei ihm bedankt, daß er die Hochher­zigkeit gehabt, sie nicht zusammenschießen zu lassen.

Thiers hat in der Militär-Debatte der Nationalversammlung zu Versailles das Wort ergriffen, um für die fünfjäh­rige (statt der nach preußischem Muster vor­geschlagenen dreijährigen) Dienstzeit einzu­treten und seiner Ueberredungsgabe ist es gelungen, diesem nicht unwichtigen Para­graphen des Gesetzes die Mehrheit zu er­ringen.

Miszellen.

Herrenal b.

(Fortsetzung.)

Schon von den Falkensteinen, die aber nie eine Burg trugen, oder von der Prä­latenbank aus, erfreut man sich einer freund­lichen Aussicht in das Alb- und GaiSthal, auf die Klosterruinen und die Kullenmühle, auf den Maienberg und den Langmarts­grat und hört die unwillkürlichen Ausrufe: Ach wie göttlich, ach wie schön! Etwas versteckter ist der Hag- und Pfahl-Wald, deralte Brunnen", der Heiligenwald und der Tannschachen. Im Thals selbst be­wundert man die Bewässerungs- und Ent­wässerungs-Einrichtungen mit ihrem Rücken- und Hängbau, die über 40 Morgen sich ausbreiten.

Von dem alten Klostergebäude besteht noch als Ruine das sogenannte Paradies mit seinen gekuppelten Säulchen und seinem geschmackvoll gearbeiteten Auffenfries, da­rüber ein Lece domo erst v. I. 1462. In seinen inneren feuchten Räumen sind etwa 30 Grabsteine mit Wappen und In­schriften deren Entzifferung dem Alterthums­freunde Vergnügen macht.

In ihrer Art wichtiger siud die Epi­taphien in der gegenwärtigen Kirche, wie das des Bischofs Conrad von Speier, eines Eberstciners hinter dem Altar, der 1245 starb, und das des Eberhardt von Smal- stein und seiner Gattin Cunigunde aus dem 14. Jahrhundert. Das bedeutendste Grabmal ist aber der kolossale Sarcophag, auf welchem jetzt der Name Bernhardus Marchio de Baden inscribirt ist. Dieser starb in demselben Jahr mit Wilhelm III. von Eberstein 1431, welche beide die Büf­felhörner in ihrem Wappen führten.

An dem Klostergebände ist kein alter- thümlicher Gegenstand mehr zu bewundern, seit die steinerne Gedächtnißtafel von 1464 in den inneren Hosraum nach Neu-Eber- stein-Schloß gewandert ist. Dagegen sind die Kleinertz'schen Badeinrichtungen daselbst in den unteren Räumen sehr beachtenswerth. Man sieht hier Regen- und Staubbäder, natürliche und künstliche Douchen mit ver­

schiedenen Applikationen, fließende Sitz- und Vollbäder. Die Kleinertz'sche Anstalt ist auch Winters geöffnet, was bei der ge­schützten Lage und dem milden Klima Her- renalbs für manche Kuranden von Werth ist.

An der Stelle des von Herzog Christoph im Jahre 1564 erbauten Viehhofs ist jetzt die Villa Falkenstein eingerichtet mit ele­ganten Zimmern und Badkabineten und an dem oberen Gebäude ist der guterhal­tene Grabstein einer Aebtissin vonFrauen- alb, geb. Gräfin von Rabensberg-Andlau, gest. 1533, mit 4 Wappenschilden angebracht. Auch der Garten des H. Mahl ist hübsch. Reizend liegt gegenüber der Maienberg mit Garten und Haus, in welchem garnire Zimmer gemiethet werden können; die Gast­höfe zum Ochsen, zur Sonne und zum Stern, ingleichen einige Privalhäuser bieten e ensalls Wohnungen für Gäste dar.

Herrenalb wurde mit Genehmigung König Ruprecht's 1403 befestigt, wovon sich jetzt noch Spuren zeigen. Dagegen ist schwer zu ermitteln, wo die ehemalige Abtei stund, wahrscheinlich in der Nähe des aus dem 12. Jahrhundert stammenden Stallgebäudes, des einzigen ganz erhaltenen Ha ses aus der ältesten Zeit. Gleich alt dürfte die unter der jetzigen Sakristei be­findliche Krypta sein, welche wegen ihrer wunderschönen Rosetten besucht zu werden verdient.

(Schluß folgt.)

Are Sägmühle.

Eine schwäbische Geschichte von Lonise Pichler

Einen ganz eigenthümlichen Typus unter der Mannigfaltigkeit der Bilder, die das schwäbische Volksleben bietet, haben die Mühlen; besonders jene alterthümlichen Mühlen, die in einsamen Wald- und Fel- senthälern sich angebaut haben, wie man's in bergigten Gegenden zu treffen pflegt, wo die Dörfer auf wasserarmen Höhen stehen. Neben den Hauptzügen, die sie gemein haben mit den vereinzelten Bauernhöfen, zeigen sich noch besondere Eigenthümlich- keiten. Ein Müller, wie ein Hofbauer, ist in dem Dorfe seines Kirchspiels gewöhnlich ein Gegenstand der respektvollen Achtung, denn ein solcher pflegt eine Wohlhabenheit zu besitzen, die in den Dörfern längst der allgemeinen Armuth gewichen ist. Dafür aber halten sich zu gleicher Zeit die vom Dorfe schadlos durch ihr Bewußtsein geistiger Ueberlegenheit, da man auf den Einöden nicht nur der äußeren Weltkenntniß ent­behrt, sondern der Mensch selbst auch sich in der Regel nur wenig entwickelt. Die jungen Burschen gelten für schüchtern und täppisch; uud von den Mädchen sagt man achselzuckend:sie ist hall von der Einöde!" mit demselben Nachdruck, mit dem ein ge­bildeter Residenzzirkel über ein junges Frauenzimmer das Urtheil spricht: sie ist eine Landpomeranze!"

Diese beiden Eigenthümlichkeiten waren in hohem Grade aus einer Sägmühle zu finden, die in einem engen Waldthale von einem Sturzbache getrieben ward, der vom Wel zheimer Wald herab der nahem Rems zueilte.

Eine Sägmühle hat nicht die lebhafte