284

Einkehr, die in andern Mühlen ein so reg­sames Leben hervorbringt; der ganze Ver­kehr mit der Außenwelt fiel hier dem Knecht anheim, der Tag für Tag die gefertigten Bretter an Ort und Stelle führte; schaffte eiu Bauer seine Stämme auch selbst zur Mühle, so hielt er sich doch nicht länger auf, als er brauchte, um sie abzuladen. Auch schon das einförmige Geräusch der Säge, das in langgezogenen Tönen durch den einsamen Tannenwald zitterte, mußte auf das Gemüth anders einwirken, als das muntere Geklapper einer Mahlmühle am freudlichen Flußufer.

Diese einsame Lage bewirkte, daß Alles, was man in der Umgegend über die Ver­hältnisse der Müllersfamilie wußte, eine sagenhafte Unbestimmtheit hatte; nur das stand fest, daß der Sägmüller der reichste Mann des Kirchspiels war, schon vom Vater und Aehni her, und daß die Mühle ihm Jahr aus Jahr ein einen schönen ununter­brochenen Erwerb gewährte. Er selbst schien zufrieden mit der Mühle, mit seinem Hause und seiner Einsamkeit. Im Dorfe sah man ihn fast nie, einige Sommersonntage aus­genommen, wo er die Kirche besuchte. Vom Morgen früh bis Abends handirte er um seine Mühle, so unverdrossen und schwei­gend als die Säge selbst.

Ob er je eine Ahnung davon halte, wie viel Poesie in dieser Mühle, in dieser Wald­einsamkeit, in diesem rauschenden Bach sich erschloß, wäre zu bezweifeln; aber eben so wenig kam ihm je in den Sinn, es dort einförmig zu finden.

Von lebhafterem Wesen war sein Weib, eine verständige, kraftvolle Natur, die als eines Hofbauern Tochter an die Einsamkeit von Jugend auf gewöhnt war, aber inner­halb der engen Grenzen ihres Gesichts­und Wirkungskreises die Schärfe ihres Blickes, die Stärke ihres Willens nur desto mehr concentrirt hatte. Sie regierte das Haus, und beaufsichtigte den kleinen Feld­bau, ohne daß der Müller, der nur um seine Sägstämme sich bekümmerte, ein Wort dawider einzuwenden versuchte. Uebrjgens war die Sägmüllerin durchaus keine Haus­tyrannin, sondern im Gegentheil besorgt, wo sie ungestört schaltete, es auch Jedem behaglich zu machen. Einmal im Jahre ließ sie sich in die Stadt auf den Jahr­markt führen; dreimal ins Dorf zur Kirche, an Ostern, Pfingsten und Kirchweih, denn sie war schlecht zu Fuß; das Fahren aber konnte bei dem besonderen Zustand der Wege, die nur auf Holzfuhren berechnet waren und nicht für menschliche Glieder, als ein Wagniß gelten, das seine Selten­heit selbst entschuldigte. Uebrigens war sie eine gottesfürchtige Frau und hielt die häusliche Erbauung streng ausrecht.

Das einzige Kind endlich war ein hüb­sches, stilles, junges Mädchen, des Vaters Augapfel, der Mutter Stolz, als die ein­zige Erbm der Sägmühle.

Sie hatte ein zartes, liebewarmes Ge­müth; die Vögel waren kirre gegen sie, urd ließen sich täglich von ihr Futter streuen; manchen Käfer, der zappelnd im Mühlbach schwamm, hatte sie als Kind, zum Entsetzen der Mutter, mit eigener Lebensgefahr ge­rettet. Da sie aber keinen Umgang mit

Kindern hatte, so entwickelte sich bei ihr nie die gewöhnliche kindliche Lebhaftigkeit. Stundenlang konnte sie als kleines Mädchen am mosigen Rande des Mühlbachs sitzen, und verzückt in den Himmel schauen, der so mild blau durch den Tannenwald blickte. Fragte man sie dann:An was denkst Du denn, Rösle?" so antwortete sie:Ich weiß nicht!"

^Fortsetzung folgt.)

In den Schweizer Zeitungen macht folgende halb vergnügliche, halb ärgerliche, aber wahre Geschichte die Runde. Ein bekannter Staatsmann der Schweiz saß jüngst im Kaffeehaus in Nizza und hörte fran­zösische Offiziere über die Fehler im letzten Kriege streiten. Der Hauptfehler war, sagte Einer, daß wir die Schweiz besetzt haben, wir hätten die 80,000 Mann anderswo besser brauchen können! Der Schweizer wollte ein Rad schlagen, als er das hörte. Glauben Sie denn wirklich, fragte er, daß ihre Landsleute die neutrale Schweiz besetzt haben? Sie sind ja hin­übergedrängt und von uns internirt wor­den! O, antwortete man ihm, glauben Sie auch an das Mährchen und daran, daß 80,000 Franzosen sich unfreiwillig hätten internsten lassen?

Amerikauische Blätter erzählen von fol­gendem Eisenbahnprojekt eines Mr. Burrus aus Wisconsin. Es ist eine Bahn vom atlantischen Ocean bis zum Westen mit einer Spurbreite von 30 Fuß. Vom Osten aus soll diese gerade auf den Eriesee zu­führen, und zwar eine Strecke in den See hinein bis etwa 25 Fuß unter der Wasser­oberfläche. Hier hört die Eisenbahn auf, aber durch eine einfache Vorrichtung wird der Bahnzug in ein Dampfschiff verwandelt, welches beim Eingang in den Erieseegra­ziös von dem Schienenwege in's Wasser geleitet, und auf das gegenüberliegende Ifer zuschwimmt. Hier nimmt die Am­phibie dann natürlich wieder den Charakter als Lokomotive an. Der Erfinder verspricht eine stündliche Fahrgeschwindigkeit von 125 Meilen zu Lande und 25 Meilen zur See.

(Uebergaunert.) Kürzlich fuhr in Ham­burg ein alter, mehr dumm als gutmüthig aussehender, sorgfältig gekleideter korpu­lenter Herr in einem Omnibus. Zwei Gauner schwatzten ihm eine Uhr für 8 Thlr. auf, die nicht 2 Thlr. Werth hatte. Der alte gab ihnen einen Zehnthalerschein und ließ sich 2 Thlr. wieder herausgeben. Die Gauner stiegen darauf aus, kamen aber bald athemlos zu der Stationsstelle des Omnibus und fragten den Kondukteur nach der Richtung, welche der alte Herr eingeschlagen habe, denn der Zehntha­lerschein war falsch, die 2 Thlr., die sie herausgegeben hatten, aber ächt!

Ist es nicht unglaublich, daß in unserem Deutschland Millionen Menschen, die beim Ackerbau beschäftigt sind, sich mit Kartof­feln und Häringen begnügen, während sie sich, beinahe ohne Kosten und mit nur äußerst geringer Mühe, ein vortreffliches Fleisch fürs ganze Jahr und einen guten

Pelz für den Winter verschaffen können? Ist es nicht unglaublich, daß bei uns die Erziehung eines Kaninchens, dieses dank­barsten aller Thiere, so ganz uud gar ver­nachlässigt ist, während in England, Frank­reich, Holland und Belgien mehr als 100 Millionen Kaninchen jährlich zu immer steigenden Preisen verbraucht werden und der Handel mit ihren Fellen bedeutende Kapitalien in Bewegung bringt? Wenn man die überaus große Wichtigkeit dieses Thierchens begriffen haben wird, so wird man die Ueberzeugung gewinnen, daß aus keinem unserer Hausthiere sich ei» größerer Nutzen mit geringer Mühe ziehen läßt; es verträgt die strengste Einsperrung und jedes Klima, es läßt sich mit den mannig­faltigsten und billigsten Stoffen ernähren, ^ es ist von sanftem Charakter, überaus rascher Entwicklung und unübertroffener Fruchtbarkeit, erheischt weniger Sorgfalt als irgend ein anderes Hausthier; außer seinem delikaten, von allen Feinschmeckern gewürdigten Fleische, liefert es ein für die Hutfabrikation sehr gesuchtes Haar und je nach der Nace ein kostbares Pelzwerk, wel­ches Rußland uns seit lange unter oen ausgesuchtesten Namen zuschickt. Es muß ^ und wird in naher Zukunft das Kaninchen in die Rechte eintreten, die ihm gebühren; durch den Genuß seines Fleisches, welches ebensoviel oswakowe, Princip des Bouil­lons, enthält, als das Rindfleisch, werden die Kräfte des Arbeiters verdreifacht, der weniger bemittelten Klaffe wird eine neue, gewinnreiche Erwerbsquelle eröffnet, der wohlhabenden Klasse und den Feinschmeckern ein neues delikates Gericht zur Verfügung gestellt; es wird endlich durch die Verbrei­tung der Kaninchenzucht ein fühlbarer und segensreicher Einfluß auf den nationalen Wohlstand ausgeübt werden, denn das Kaninchen ist in noch größerem Maße im Thierreich dasselbe, was die Kartoffel im Pflanzenreich ist, eines der kostbarsten Ge­schenke der Vorsehung.

Brodprrise der Bäcker in Calw.

4 Pfund weiß Brod 21 kr.

4 Pfund schwarz Brod 19 kr.

Frankfurter Course vom 10. Juni. « Geldsorten.

Friedrichs'dor . . . . 9 fl. 57Vr 58V-kr.

Pistolen.9 fl. 40 42 kr.

dto. doppelte . . . 9 fl. 40 42 kr.

Holland. 10 fl.-Stück . . 9 fl. 53 55 kr

Dukaten ...... 5 fl. 3335 kr.

al marka . . . 5 fl. 3436 kr. >

20-Frankenstücke . . . . 9 fl. 2223 kr.

Englische Souvereigns U fl. 5052 kr. ^

Ruß. Imperiales . . . 9 fl. 4244 kr.

Dollars in Gold ... 2 fl. 25'/»26V-kr. Frankfurter Bankdiskonts 4"/^

Goldkours der K. Württ. Staatskassen- Verwaltung.

Friedrichs'dor ... 9 fl. 57 kr.

Pistolen .... 9 fl. 39 kr.

20-Fmnkrnstücke . . 9 fl. 21 kr.

Rand-Dukaten . . 5 fl. 32 kr.

Stuttgart, den 1- Juni 1872.

Nedaction, Druck und Verlag von Ink. Me eh in Neuenbürg.