— 272
edle Fürst, dem sichtlich eiue schwere Last § ihre Gestalt aufsiel — obwohl er allem
vom Herzen fiel, „dem Himmel sei Lob und Preiß, Ihr seid gerettet, Graf Werdenberg."
„Das bin ich," erwiederte dieser, „obwohl es auf nichts Anderes abgesehen war, als mich zu ermorden. Und sicherlich wäre dies Bubenstück gelungen, wenn nicht der tapfere Jüngling, der uns die Einladung zur Jagd nach Gammertingen gebracht, zu meiner Hilfe herbeigeeilt und die Meuchelmörder in die Flucht geschlagen hätte. Nachher brachte mich diese seltsame Frau hier in einen sicheren Versteck und verband meine Wunden, denen ich sonst vielleicht erlegen wäre. Aber wo ist der jugendliche Held.. .?"
Doch er konnte nicht vollenden, denn bereits lag der junge Haus zu seinen und des Herzogs Füßen, und neben ihm kniete Agnes, die Försterstochter, das Gesicht von Seligkeit übergossen, während ihr Vater fast ebenso erregt, auf der anderen Seite stand.
„Durchlauchtigster Herzog." rief Agnes, deren Gesicht die dunkelste Purpurröthe färbte, „ich habe mein Wort gelöst, binnen drei Stunden Licht in dieses Mysterium zu bringen."
„Und ich, mein gnädigster Herr," setzte der Förster von Anweil hinzu, „löste meinen Schwur, mit meinem Leben für die Wahrhaftigkeit meines Pflegesohus zu bürgen."
Der Herzog betrachtete die Gruppe mit äußerst freundlichem Lächeln; dann flüsterte er dem Fürsten von Sigmaringen ein paar Worte zu, und befahl sofort den Stiefbruder des Grafen von Werdenberg vorzuführen. Kaum jedoch hatte er diesen Befehl erlheill, so entstand ein furchtbares Getümmel in der Gegend, wo der Stiefbruder stand, und man sah, daß dieser sich den Umstehenden gewaltsam widersetzte und nach der Ausgangsthüre des Saals zu drängte.
„Die Thür besetzt," donnerte jetzt der Herzog, „und die Schwerter gezogen. Wer ohne meine Erlaubniß den Saal verläßt, der wird ohne Gnade niedergehauen. Und nun tritt heran, du unseliger Alaun, der du verdächtig bist, dem eigenen Bruder nach dem Leben getrachtet zu haben. Oder wärest Du auch jetzt, nachdem alle deine Beschuldigungen sich als elende Lügen erwiesen haben, noch frech genug, dich für unschuldig zu erklären? Nieder auf deine Knie, Mann, nieder sage ich, und flehe deinen Bruder an, daß seine Langmuth Gnade für Recht ergehen lasse!"
„Ich bin unschuldig," rief der Stiefbruder des Grafen, mit bissigem Trotze in der heißeren Stimme, aber es doch nicht vermögend, die Augen zu erheben. „Es mag sein, daß mein Bruder Meuchelmördern in die Hlmbe gefallen ist, aber ich stand nicht in Verbindung mit ihnen. Daraus verpfände ich meine Seligkeit als Christ und meine Ehre als Edelmann.
Bis dahin war die Zigeunermutter schweigsam und ruhig, fast verdeckt durch dis Gruppe vor ihr, dngestanden, dem jüngeren Grafen von Werdenberg aber hatte sie wie absichtlich den Rücken gekehrt, so daß dieser, wenn ihm auch vielleicht
Anscheine nach allzusehr mit sich selbst beschäftigt war, als daß er den Umstehenden hätte seine Aufmerksamkeit schenken können — sie unmöglich des Näheren hatte betrachten können. Doch jetzt drehte sich das hohe Weib plötzlich um, und die Herren, die vor ihr standen, zur Seite schiebend, stand sie mit Einem Schlage und wie aus dem Grabe hervorgewachsen, vor dem Stiefbruder des Grafen, denselben mit ihren glühenden Augen fast durchbohrend.
(Fortsetzung folgt.)
Nach der Erklärung des Bischofs Du- panloup wird Preußen niemals die erste Nation, sondern stets nur die erste Kaserne der Welt sein.
Wie fein wußte der Bischof in diese Worte das dankbare Bekenntuiß zu kleiden, daß der größte Theil der französischen Armee bis vor Kurzem in Preußen Wohnung und Kost gefunden hat? (B. W.)
Nach einem Fachblatle sollen aus dem Hause eines Gärtners Ratten und Mäuse verschwunden sein, sobald er einen Voc- rath Petroleum in den Keller gebracht halte; ebenso seien die Schnecken aus seinem Garten gewichen, als er diesen mit Wasser aus Petroleumfässern besprengte. So sollen auch durch Besprengung mit Wasser, dem man ein wenig Steiuöl beimischt, Reitwürmer (eourtilieres), Engerlinge und fast sämmtliches Ungeziefer zu vertreiben sein. Es wäre immerhin der Mühe werth, eine Probe zu machen.
Geheiligte Esel. Der König Laku von Siam ward einmal durch das Geschrei eines Esels aus dem Schlafe geweckt, und dadurch gegen einen Feind gewarnt, der im Begriff stand, über ihn herzufallen. Zum Dank für diese Rettung befahl der Herrscher der Gläubigen, daß von jetzt ab der Esel als ein geheiligtes Thier und sein Name eine besondere Auszeichnung auch für Menschen sein solle. Als nun bald darauf ein Gesandter aus China an den Siamesischen Hof kam, ward er von dem Minister folgendermaßen an- gekündigl: „Gcoßmächtigster Laku, Beherrscher der Gläubigen und des Universums, König der weißen Elephanteu und Bewahrer des heiligen Zahnes! Ein ungeheurer Esel ist aus China angekommen und wünscht vor das Antlitz Deiner Erhabenheit zu treten."
Ein ungebetener Gast. Als der Schänkwirts) Z ... in der Ackerstraße in Berlin früh seinen Parterre gelegenen Laden öffnete, war er nicht wenig erstaunt, einen ungebetenen Gast darin vorzufinden, der, ganz ungenirt schnarchend, sich auf den Dielen einlogirt hatte. Bevor unser Schänkwirt!) jedoch Lärm schlug, revidirle er zunächst, da er in dem Schlafenden einen Dieb vermuthete, seine Ladenkasse, fand aber diese sowohl, als auch die sonst vorhandenen werthvollen Effecten unberührt vor, dagegen halte sich der Mann recht wacker an den pommerschen Schinken, Würsten und dergleichen delecirt, ebenso waren einige Weißbierkrnken und Schnapsfläschen geleert, deren Inhalt wohl auch den Nacht
vogel so tief in Morpheus Arme versenkt hatte. Aus seinen Träumen gerüttelt, erzählte er denn auch ganz treuherzig, nur den Wunsch gehegt zu haben, sich einmal recht tüchtig satt zu essen und er sei, weil er beim Trinken des Guten zu viel gethan, vom Schlafe überrascht worden. Der Schinkenliebhaber bat um Gnade und erklärte sich, da er ohne Arbeit sei. gern bereit, den ungerichteten Schaden, durch häusliche Verrichtungen sogleich wieder gut zu machen — und so geschah es auch! Eine Stunde später standen Wirth und Gast eifrig beim Flascheuspülen und zum Frühstück gab's wieder Schinken und Nordhäuser, diesmal aber nicht heimlich! Wie viele Staatsanwälte und Strafanstalten brauchten wir weniger und wie dedeutend könnte der Staatshaushaltsetat im Justizwesen gekürzt werden, wenn alle Diebstähle so gemüthlich geschlichtet würden!
— Das englische Hofjournal berichtet über ein merkwürdiges Ständchen, dos der Königin Viktoria am Morgen ihres am 24. v. M. stattgefundenen Geburtstages auf Schloß Balmoral gebracht wurde. Der Chor bestand aus 100 schottischen Dudelsackpfeifern.
Preise der Lebensbedürfnisse in Stuttgart.
ci. d. Wochenmarkt am 1. Juni:
1 Kilo Butter 1 Kilo Rindschmalz ) Kilo Schweineschmalz 1 Liter Milch 5 Eier für 1 Kilo Mehl Nro. 1 1 junge Gans I Ente 1 Huhn 1 Kilo Erbsen 1 Kilo Linsen 1 Kilo Welschkorn 1 Kilo Wicken 100 Kilo Kartoffel
1 fl. 8 kr. 1 fl. 12 kr. 52 kr. 5 kr. 8 kr. 18 kr. 1 fl. 30 kr. 1 fl. - kr. 48 kr. 14 kr. 14 kr. 8 kr. 8 kr. 5 fl. — kr.
1 Kilo Mastochsenfleisch ohne Zug. 52 kr.
mit r/lo Zugabe 44 kr.
1 Kilo Schweinefleisch ohne Zug. 46 kr.
mit */r» Zugabe 42 kr.
1 Kilo Kalbfleisch ohne Zugabe 44 kr.
mit Zugabe 40 kr.
3 Kilo Kernenbrod 32 kr.
3 Kilo Schwarzbrod 30 kr.
1 Pr. Wecken wiegen 100 Gramm. 50 Kilo Heu 1 fl. 45 kr.
50 Kilo Stroh 1 fl. 24 kr.
1 Bund — 10 Kilo 17 kr.
1 Marktkl. Buchenholz 30 fl. — kr.
1 Marktkl. Birkenholz 25 fl. — kr.
1 Marktkl. Tannenholz 17 fl. — kr. Bemerkungen.
1 Kilo — 2 Pfund.
1 Marktklfrr. — 3,so Raummeter.
Goldkours der K. Württ. Staatskafsen- Vcrwaltung.
Friedrichs'dor . . . S fl. 57 kr. Pistolen .... 9 fl. 89 kr. 29-Frankenstücke . . 9 fl. 21 kr. Rand-Dukaten . . 5 fi. 32 kr. Stuttgart, den 1- Juni 1872.
Redaktion. Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.