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schlug: „Die Einführung der gewerblichen Schiedsgerichte gemäß ß. 108 der Gewerbeordnung ist ein dringendes Bedürfniß für die Gewerbetreibenden aller Klassen. Der Verbandstag richtet daher an alle Behörden und Gewerbetreibenden die dringende Aufforderung, gewerbliche Schiedsgerichte schleunigst einzuführen."
Berlin, 29. August. — Die Arbeitseinstellung der Berliner Maurergesellen ist mit dem gestrigen Tage nach sechswöchiger Dauer zu Ende gegangen, ohne daß die Meister auch nur im mindesten nachgegeben haben; den arbeitslustigen Gesellen ist endlich wieder gestattet, für ihre darbenden Familien Hammer und Kelle zu rühren, ohne von ihren arbeitsscheuen Kameraden auf die schimpflichste Weise insultirt zu werden. Aber welche Unmasse von Arbeitskraft ist inzwischen nutzlos vergeudet, welch unsägliches Elend haben die sozialistischen Wühlereien verbreitet! Rechnet man mäßig, daß nur 5000 Gesellen während der verflossenen sechs Wochen gefeiert haben, so ergiebt dies bei dem geringsten Lohnsatz von 1 Thaler pro Tag einen Ausfall an Arbeitsverdienst von 180,000 Thlr. und veranschlagt man dazu die Unterstützungen aus der Maurerstrikekaffe und von anderen Gewerken, sowie die aufgezehrten Ersparnisse der einzelnen Gesellen ganz gelinde mit 70,000 Thlrn, so kostet der nutzlose Strike rund eine Viertelmillion Thalerl Leider werden die Sozialisten auch hieraus keine Lehre ziehen, sie werden es nicht wahr haben wollen, daß diese koloffale Summe ein unerschütterliches Grundkapital für eine großartige Produktiv-Association gegeben hätte, den» damit würden sie ihr wüstes Geschrei nach Staatshülfe Lügen strafen. Daß das furchtbare Fiasko die Gemüther nicht beruhigt, die Leute nicht zum Nachdenken geführt hat, beweist die am Sonntag gefaßte Resolution, durch welche der Strike beendet erklärt wird, „weil wir alle unsere Ansprüche durchgesetzt haben", weil wir durch den Sieg dem ganzen lohnarbeitenden Volk nach Arnold von Winkelried eine Gaffe gebrochen haben."
Die Nachwehen der Arbeitseinstellung werden sich übrigens noch lange fühlbar machen, denn die Meister sind fest entschlossen, die Hauptfaiseurs nicht wieder zu dtzschästigen ; sie bemühen sich zu diesem Behufs, möglichst viele Gesellen von auswärts heranzuziehen. (Nrhr.-C.)
Das Neichskanzleramt hat verfügt, daß dis in den deutschen Staaten gelösten Gewerbescheine auch für Elsaß-Lothringen Giltigkeit haben.
Auf Grund der neuen Maß- und Gewichtsordnung müssen alle für den Ausschank von Wein, Bier und Branntwein bestimmten Gefäße jeder Art mit einem äußerlich eingeschliffenen, eingeschnittenen oder eingebrannten Strich versehen sein, welcher bei der Aufstellung des Gefäßes auf einer horizontalen Ebene den Sollinhalt begrenzt. Letztere muß überhaupt einer der zulässigen Maßgrößen entsprechen. Schankgefäße von 1, Vs, V« Ltr. bedürfen.keiner weiteren Jnhaltsbezeichnung; andere nach der Maß- nnd Gewichtsordnung zulässige Größen sind durch Einschleifen rc. des Inhalts nachLitres
in vorgeschriebener Weise besonders zu be- zeichnen. Der den Sollinhalt begrenzende Strich muß bei Wein- und Branntweinge- füßen wenigsten Vs. Centimeter, bei Schankgesäßen iür Bier wenigstens 1 Centimeter, bei Flaschen wenigstens 2 Centimeter unter dem oberen Rande liegen. Die Wirlhe sind für die Richtigkeit ihrer Schankgefäße verantwortlich und zur Bereithaltung vorschriftsmäßig geeichter und gestempelter Flüssigkeitsmaße von dem ihren Schankgefäßen entsprechenden Inhalt verpflichtet, damit die Schankgefäße vor dem Gebrauch untersucht und die verabreichten Quantitäten erforderlichen Falls nachgemessen werden können. Bei der polizeilichen Visitation sind von den vorhandenen Schankgefäßen beliebige Stücke herauszugreifen und zu prüfen. Bei dem Verkaufe der in verkorkten Flaschen oder Krügen enthaltenen Weine oder Biere kommen diese Vorschriften nicht in Betracht. Kontraventionen gegen diese mit dem 1. Januar 1872 in Geltung tretende Anordnung werden mit Geldbuße bis zu 10 Thlr. oder Gefängniß bestraft.
Pforzheim, 28. Aug. Wie wir hören hat die von Seiten des Gcmeinderaths veranstaltete Sammlung für ein Belfort- (Werder-) Denkmal in den bis jetzt be- besuchtcn Stadttheilen den erfreulichen Erfolg, so daß auf eine recht hübsche Gesammt- snmme gerechnet werden darf. (Pf.-B.)
Eine Thatsache von weittragender Bedeutung ist aus Baiern zu verzeichnen: Das neue Ministerium hat offen Stellung genommen zu der durch das Unfehlbarkeitsdogma in der katholischen Kirche heraufbeschworenen Bewegung.
Der Kultusminister von Lutz erläßt am 27. v. M. eine Denkschrift an den Erzbischof von München, welcher mit einem Schlage die Situation in nicht mehr mißzuverstehender Weise aufhellen muß. Es ist eine Antwort auf den Hirtenbrief vom 14. April, in welchem der genannte! Kirchenfürst im Hinweis auf die gemeinsamen Interessen von Staat und Kirche den König von Baiern geradezu um Schutz gegen die Anhänger Döl- lingers anfleht.
In einer sehr ausgedehnten, von höchst scharfer Logik sowohl, wie von einem gründlichen Studium der gesammten Unfehlbarkeitsliteratur zeugenden Abhandlung entwickelt der Minister die Gründe für seine Auffassung und kommt zu dem Schlüsse-,
Die Bedrohung der Grundsätze des baierischen Staatsrechts, welche in dem Dogma von der persönlichen Jnfallibilitüt des Kirchenoberhauptes liegt, und überdies die in der Außerachtlassung des kla- eotuin regium liegende Verletzung der Staatsverfassung nöthigt die Staatsregierung zu Maßregeln, die sie selbst sehr gerne vermieden haben würde.
Sie wird jede Mitwirkung zur Verbreitung der neuen Lehre und zum Vollzüge von Anordnungen verweigern, welche von den kirchlichen Behörden in Rücksicht auf die neue Lehre und zu deren Durchführung getroffen werden; sie wird an dem Grundsätze festhalten: daß den Maßregeln, welche die kirchlichen Behörden gegen die das Dogma nicht anerkennenden Mitglieder der katholischen Kirche ergreifen, jede Wirkung auf die politischen und bürgerlichen Ver
hältnisse der davon Betroffenen versagt bleiben muß, und wird erforderlichen Falls solche Vorkehrungen treffen, welche die Unabhängigkeit des bürgerlichen Gebietes vom kirchlichen Zwange verbürgen."
Hr. v. Lutz hebt am Eingänge seines Schriftstückes ausdrücklich hervor, daß „unter den sämmtlichen Mitgliedern der Staatsregicrung volle Uebcreiustimmung" bezüglich der Haltung gegenüber der in Rede stehenden Frage besteht. Irgendwelche Deutelei des Erlasses ist also nicht mehr möglich.
Die Betrachtungsweise des Hrn. v. Lutz ist ganz dieselbe, wie die der Döllinger- schen Richtung. Die klerikalen Organe werden ihm die Antwort nicht schuldig bleiben. Andererseits kann die ministerielle Kundgebung natürlich nicht verfehlen, die antiinfallibilistische Partei, welche ohnehin in der nächsten Zeit in München zu einem großen Congresse sich versammeln wird, neu zu beleben. Der Kampf wird also in größeren Dimensionen und heftiger, als je zuvor, entbrennen.
Ausland.
Versailles, I. September. Der folgenschwerste Act, welcher der französischen Nationalversammlung nach der Ratification des Friedens Vertrages Vorbehalten blieb, ist vorgestern und gestern vollzogen worden. Die Frage der Verlängerung der Thiers'- schen Vollmachten ist endlich gelöst.
Die Nationalversammlung hat allen Ungewißheiten des Landes, die sie übrigens, was ihre konstituirende Gewalt betrifft, zu theilen schien, ein Ende gemacht. Mit 434 Stimmen gegen 225 hat die Majorität, obgleich dem Amendement Dufaure beitretend, das zum Zwecke hatte Hrn. Thiers laut einen Beweis von Erkenntlichkeit und Vertrauen für die von ihm geleisteten Dienste zu geben, den ersten Paragraphen des Com- missiousantrages angenommen, der also lautet:
„Die Nationalversammlung, erwägend daß das Recht einer Constituante ihr zusteht, daß es einen wesentlichen Bestano- theil ihrer Vollmacht bildet und daß die Umstände allein sie an der Ausübung desselben verhindern."
Diese große Thatsache, deren Zeitgemäßheit und Gesetzlichkeit im Namen der Linken von Hrn. Pascal Dupont und Hrn. Gambetta bestritten wurde, besteht nichtsdestoweniger und eröffnet unserer Politik im Inlands eine neue Aera.
Mit 480 gegen 93 Stimmen wurde der gesammte Antrag Vitet mit dem Dufaure'- schen Amendement angenommen.
So ist denn die vielumstrittene Frage gelöst. Mit welchen Folgen aber — wer könnte es heute Voraussagen? Das bedeutendste Moment der großen Entscheidung ist jedenfalls: die Versammlung hat fortan den Charakter einer Constituante. Will man etwa den angeblichen Versicherungen Glauben schenken, daß sie von den daraus fließenden Rechten keinen Gebrauch machen werde? In der That, das wäre eine mehr als ungerechtfertigte Vertrauensseligkeit!
Der Vicekönig von Irland, Lo<d Spencer hat sich am Dienstag nach Wildbad zu seiner dort weilenden Gemahlin begeben.