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Berlin, 21. August. In Folge des Auftretens der Cholera und deren immer größere Verbreitung ist den Provinzial- Negierungen die Weisung zugegangeu, den Ortspolizeibehörden unter Bezugnahme auf die im Reglement vom Jahre 1836 ent­haltenen sanitätSpolizeilichen Vorschriften noch besonders folgende Maßregeln drin­gend anzuempfehlen: strenge Ueberwachung der Wochenmärkte und Verkaufsstellen in Bezug auf unreifes Obst und schlechte Nah­rungsmittel; durchgehende gründliche Des­infektion und Reinigung der Höfe, tägliche Desinfektion und möglichst oftmalige Ent­leerung aller Abtritte, Dunggruben rc., sowie Reinigung aller Straßen und Plätze, tägliches Ausspülen der Rinnsteine mit Wasser; Ernennung von Comissioneu, welche täglich diese Desinfektionen und Reinigun­gen entweder streng überwachen oder selbst aussühren; Bereitstellung geeigneter Per­sönlichkeiten zur Pflege etwaiger an der Cholera Erkrankter und Einrichtung von Lokalen zur Aufnahme der Letzteren; Zusammentreten der Sanitäts-Commissio­nen; Beförderung der Einrichtung von Suppenanstalten für die Armen.

In Bayern hat die beinahe seit dem Ende des Krieges anwährende Miiiisterkrisis ihre Lösung gefunden. Grat Heguenberg- Dux ist zum Ministerpräsidenten berufen und hat dieses Amt angenommen. Von ihm läßt sich erwarten, daß er die aus­wärtigen Geschäfte in deutsch-nationalem Sinne leiten und im Innern eine Politik befolgen wird, die dem Schwindel der Ul. tramontanen, die in Bayern die Anmaßung haben, sich fürPatrioten" auszugeben, herzhaft entgegentritt. Döllingers Bestäti­gung als Rector der Universität München ist bereits ein Sieg des in der neuen Re­gierung zur Geltung kommenden Systems;

Die Petermann'schen Mittheilungen Nr. VIII. enthalten einen sehr sehr lesens- werthen Artikel von vr. Wagner über das Reichsland Elsaß-Lothringen nach den definitiven Bestimmungen des Friedensver­trages vom 10. Mai 1871. Darnach stellt sich das Areal des Reichslandes auf 1,449,800 Hektaren oder 263,s Quadrat Meilen, die Einwohnerzahl auf 1,597,766 Seelen.

Cholerafälle sind bereits vier in Berlin konstatirt worden, von denen zwei einen tödtlichen Ausgang hatten. Das Po­lizeipräsidium mahnt in einer Bekanntma­chung zur Vorsicht und empfiehlt: 1 Des­infektion zur Vernichtung des Ansteckungs- stoffes und Sorge für reine Luft. 2) Ver­meidung von Erkältungen, Durchnässungen und Diätfehlern. 3) Vermeidung unreinen Trinkwossers. 4) Schleunige Beschaffung ärztlicher Hilfe bei den erstell Anzeichen der Krankheit. 5) Unterbringung solcher Kranken, deren Häuslichkeit nicht alle zur Heilung erforderlichen Mittel bietet, i» Heilanstalten. 6) Benützung der Leichen­hallen zur schleunigen Entfernung der Lei­chen aus ungeeigneten Wohnungen.

Das deutsche Heerwesen wird na­mentlich bezüglich der Kavallerie mancherlei erheblichen Abänderungen entgegen geführt. Man beschäftigt sich mit Umgestaltung von

Kürasner-Negimenteru in leichte Kavallerie und hier wieder ist man mit Vermehrung der Ulanen- und Dragoner-Regimenter und Verminderung der Husaren beschäftigt. Je­doch schweben über alle diese Dinge noch die Unterhandlungen. Man hat bisher nur gutachtliche Berichte eingefordert und empfangen. So viel steht aber fest, daß an eine gänzliche Beseitigung der schweren Kavallerie, als der Kürassiere nicht ge­dacht wird.

Württemberg.

§ Aus Anlaß der bevorstehenden Ein­führung des Metermaßes hat die K. Forst­direktion die Bedingungen für den Verkauf der Gerb rin de, unter Mit­wirkung der K. Eeutralstclle für Gewerbe nud Handel und nach Vernehmung von Lachverständigen einer Revision unter­worfen. Die Rinde wird in drei Elasscn verkauft: 1 Glanzrinde, worunter alle Rinde von Stangen bis zu 12 Cm. Durchmesser am Stock (sammt Rinde gemessen) begriffen fit, sie mag aufgerissen sein oder nicht, 2. Raitelrinde oder Mittelrinde d. h. sämmt- liche Rinde (sowohl des Schaftes als der Aeste) von stärkeren Stangen oder Raiteln, welche mehr als 12 und bis zu 24 Em. Durchmesser am Stock haben. 3. Grobrinde, worunter man die Rinde des Schaftes und sämmtlichcr Aeste und Zweige von allen denjenigen Stämmen begreift, welche mehr als 24 Cm. Stockdurchmesser haben. Die verschiedenen Sorten von Rinde werden schon beim Fällen und Schälen getrennt gehalten; der Verkauf der Glanz- und Raitelr.in.de geschieht dem Centuer nach in der Art, daß wofern nicht ausdrücklich beide Sorten zu getrenntem Kaufe ausgeboten werden, bei der Steigerung nur der Preis der Glanzrinde unmittelbar festgesetzt wird. Der Preis der Raitel-Rinde beträgt überall siennZehentel des Preises der Glanz-Rinde. Die Rinde wird in Büscheln gebunden, welche eine Länge von I Cm. und ein durchschnitt­liches Gewicht von 3033 Pf. erhalten. Der Verkauf geschieht nur gegen baar und zwar vor Abfuhr der Rinde. Hinsichtlich des Abwiegens der Rinde in halbtrockenem Zustande sind besondere Vorschriften ge­geben zur Sicherung von Verkäufen und Käufer.

§ Bei dem heurigen Volksfeste wird eine neue Erfindung, die wenn sie sich er­probt, die Landwirthschaft in einem sehr wichtigen Theile auf eine ganz neue Grund­lage stellen wird. Herr Fabrikant Eck­hart in Stuttgart hat auf verschiedenen Domänen Seiner Majestät des Königs Proben mit einer neuen Art von Düngung gemacht. Die Düngung ist sein Geheimnis), die Proben sind über alle Erwartung gut ausgefallen, wenn sich vollends noch die Berechnung des Erfinders, daß die neue Düngung wohlfeiler als die bisher ge­bräuchliche sei, als richtig Herausstellen sollte, so ist da eine Erfindung von ungeheurer Tragweite gemacht. Die Besucher des Cannstadter Volksfestes werden Proben zu sehen bekommen.

Mit drm 26. d. M. tritt zwischen Hcil- bronn, Stuttgart, Eßlingen und Friedrichs- Hafen einer-, Wien und Linz andererseits, sodann zwischen Wildbad und Canstatt einer- und Wien andererseits über die neu

eröffneteLinie München Simbach (Braunau-) Wels eine direkte Personen- und Reiscge- päckabfertiguug ins Leben. Die Billete werden nur für die I. und II. Kl. der Schnellzüge ausgegeben; sie sind 5 Tage gütig und berechtigen innerhalb dieser Zeit zum Aufenthalt auf den rückseits aufge- druckteu Stationen.

Ulm, im August. (Schwäbische In­dustrie-Ausstellung.) Um den im besten Zuge befindlichen Verkaufsgeschäften und dem fortwährend starken Andrange von Besuchern der Ausstellung kein vorzeitiges Ende bereiten zu müssen, hat die Ausstel­lungs-Commission in Uebcreinstimmung mit einer großen Anzahl namentlich auswärtigir Aussteller sich entschlossen, die Ausstellung, deren Tauer ohncdieß kurz bemessen war, nicht schon am .3., sondern erst Ende Sep­tember zu schließen. Diese Aeuderung entspricht zugleich den von zahlreichen land- mirlhschaftlicheu und Gewerbe - Vereinen ausgesprochenen Wünschen, bei Gelegenheit des Cannftatter landwirthschaftlichen Festes die schwäbische Industrie-Ausstellung zu besuchen, und der Rücksicht auf das Land­volk, welches zu einem großen Theile bis­her durch Feldgeschäfte am Besuche der Ausstellung gehindert war. Maßgebend war ferner die Rücksicht auf die erst später aus den Bädern und von Reisen heim- kehreudcn Industriellen u. s. m., aus deren Reihen vielfach die Bitte an die Commission gerichtet wurde, die Möglichkeit zum Besuche der Ausstellung sowie zu Ankäufen und Be­stellungen noch länger offen zu halten.

Schwäbische Industrie-Ausstellung.

Ulm, im August 1871.

Eine Verwechslung der Anschlagzettel hat im Möbelbcricht zur Folge gehabt, daß zu dem von Dünger (Ulm) ausge­stellten Sekretär auch eine Garnitur von Möbeln gezählt wurde, welche gleich den blauen Plüschmöbeln zu der Ausstellung von Jls (Ulm) gehören, was wir nachträglich bemerken, obwohl sie schon verkauft sind.

Einer der Glanzpunkte des Ganzen ist die von Straub u. Sohn (Geislingen) ausgestellte Sammlung von versilberten und kupferbroncirten Metall waaren. Dieselbe nimmt einen sehr geräumigen und aufs eleganteste eingerichteten Salon voll­ständig ein und müßte mit dem Raume nicht gespart werden wir würden es uns zum Vergnügen machen, eine dctail- lirte Beschreibung dieser zauberhaft schönen Leistung zu geben. Denn sie bietet vom großen und prächtigen Altarleuchter und Kommunionkelche bis herab zum kleinen Tischleuchter und zur Zuckerdose eine blen­dende Auswahl voil Stahlspiegeln, Ser­viceplatten, (einzelne von diesen sind Cise- lirarbeit), Toilettespiegeln, Tischglocken, Cigarrenbechern, Sparbüchschen, Schmuck­schalen, Tafelaufsätzen w., daß man der freudigsten Bewunderung lange nicht Meister werden kann. Dieselben Artikel, die ver­silbert sind, finden sich auch aus Kupfer und broncirt vor. Eine Beigabe, die streng genommen zur Maschinen-Ausstellung ge­hören würde, ist hier noch zu verzeichnen: vier photographische Abbildungen der Mi­litärbäckerei Ulm, welche, nach Wieghorst' schein System (Heißwasserheizung) construirt sich vortrefflich bewährt und namentlich