262

kcnnung für die deutsche Kriegführung und sogar für die Milde derselben ist.Wenn alle Franzsen, wie wir dachten, schreibt der reuige Bordauxer, so würden wir die Preußen als unsere Verbündeten für ewige Zeiten zu gewinnen suchen und Hand in Hand mit ihnen Europa für immer von der Geißel des Krieges befreien". Hier­nach scheint unsdas naturgemäße Ge­tränk des Norddeutschen," wie Herr v. Bismarck den Bordeauxwein einmal nannte, für die nächste Zukunft mit dem Zusatz vaterländischen Sprits gesichert. (B. T.)

Straß bürg. Wie wir erfahren, hat die Anwesenheit Sr. Ex. des Grafen Moltke in unserer Stadt hauptsächlich die Feststel­lung der sortificatorischen Werks für die Festung, sowie die Hinausschiebung der Werke und die Anlegung neuer Forts bei Mundolsheim, Hausbergen u. s. w. zum Zweck. Kehl soll in den Festuugsrapon lnreingezogcn und die Festung überhaupt so angelegt werden, daß bei einer eventuel­len Beschießung die Stadt selbst außer Gefahr bleibt. (MH. E.)

Aus der rheinischen Stadt München- Gladbach wird geschrieben: Ein auffallendes Beispiel des Segens er Schutzpocken-Jmpfuug liefert das hiesige Pockcnhaus. Von den 14 daselbst untergebrachtcn Kranken waren ein Erwachsener und zwei Kinder noch nicht geimpft. Dieselben wurden von einem ge­fährlichen Fieber ergriffen, von Kopf bis zu den Füßen war Blatter an Blatter, namentlich sind die Gesichter der Kinder so entsteht, daß sie kaum noch wiederzu- crkennen sind. Bei den übrigen, bereits geimpften Personen nahm die Krankheit einen gutartigen, ganz leichten Verlauf. Möge die Mittheilung derartiger günstiger Resultate dazu beitragen, daß doch Niemand versäume, sich des so segensreich erweisenden Präservativ-Mittels, der Impfung resp. Revaccination zu bedieuen.

Württemberg.

Stuttgart, 29. Mai. Nach einem hier umgehenden vielverbreiteten Gerüchte würde der deutsche Kaiser, Oheim der Königin Olga, gleichfalls zu der Feier der silbernen Hochzeit unseres hochverehrten Königspaares in Friedrichshafeu eintreffen. Die Abreise der Majestäten nach Friedrichshasen zum Sommeraufenthalt und zu den Vorberei­tungen für die Festfeicr soll vorerst auf den 20. Juni festgesetzt sein. Dian glaubt daher, daß die württemb. Felddivision noch vor jener Zeit hieher zurückgekehrt sein würde, da Ihre Majestäten doch wohl dem Einzug derselben vorher werden anwohnen wollen. Mau vcrmuthet cs schon deßhalb, weil um diese Zeit auch der Kaiser Wil­helm von Berlin nach Ems abzureisen ge­denkt, nachdem der Einzug in Berlin vorüber sein wird. Da nun auf der neuerdings bekannt gewordenen Liste der in Frank­reich zur Besatzung zurttbleibendcu deutschen Truppen die württembergische Felddivision nicht mehr aufgeführt ist, so dürfte die Rückkehr in die gleiche Zeit fallen.

Nachdem der Heimmarsch der württ. Felddivision begonnen hat, können vom 2. d. M. an Privatpäckereien an Angehörige der Felddivision nicht mit der Feldpost befördert werden. Die Spedition von gewöhnlichen

Briefen und von Geldbriefen an die aus- marschirten Truppen begegnet auch ferner­hin keinem Anstande. Den Angehörigen des in Straßburg garnisonirenden 8. Ins. Reg. können Privatpäckereien fortwährend zu­geführt werden.

Das Reg.-Blatt für Württemberg vom 2. Juni enthält eine Verfügung des Mini­steriums des Innern, betreffend die Ge­schäftsführung und Berücksichtigung der Ge­meinde Eichungs-Aemtcr und eine Bekannt­machung desselben, betreffend die Verhält- uißzahlen für die Umrechnung der bisherigen württembergischenLandeSmaaßeund Gewichte in die durch die neue Maaß- und Gewichts- ordnuug festgestellteu neuen Maaße und Ge­wichte, ferner eine Bekanntmachung des De­partements des Kirchen- und Schulwesens, betreffend die Einsetzung eines Kuratoriums für die Weinbauschule in Weinsberg.

Z Ein neuer Industriezweig ist für die Mechanik die Nähmaschine. Welch' unge­heure Bedeutung die kleine, erst seit An­fang der üOger Jahre in Aufnahme ge­kommene Maschine gewonnen, mag aus der einfachen Thatsache hervorgehcu, daß im Laufe des Jahres 1870 in Nordamerika nahezu 6000,000 Maschinen neu herge­stellt wurden. Mit dem neuen Artikel be­schäftigen sich auch mehrere Firmen in Württemberg und in Stuttgart; sie sind im Staude, ebenso gute, ja noch bessere Waare zu liefern, als die Nordamerikaner und dabei doch bedeutend billigere Preise zu stellen. -

Ulm, 2. Juui. In Neu-Ulm hatte sich dieser Tage ein Conscribirter sreigespielt. In seiner Freude trank er schnell nach ein­ander zwei Gläser Bier aus, siel um und war todt.

Stuttgart, 31. Mai. Nach den Erhebungen des hiesigen amerikanischen Konsulats hat die Ausfuhr Württembergs nach den Vereinigten Staaten Nordamerikas in den ersten drei Monaten d. I., nament­lich in Leder und Lederwaaren, sowie in getrockneten und eingemachten Früchten gegen seither sehr wesentlich zugenommen. Die GesammtauSsuhr betrug in dem genannten. Zeitraum 920,182fl. 4 kr., gegen 486,284fl.' 8 kr. im ersten Quartal 1870 u.P91,912fl. 37 kr. im gleichen Zeitraum 1869. Haupt- gegenstände der Ausfuhr bildeten: Korsetten mit 261,729 fl. 53 kr., Leder und Leder­waaren mit 114,923 fl. 21 kr., getrocknete und eingemachte Früchte mit 99,676 fl. Farben und Farbwaaren mit 37,429 fl. 30 kr., Baumwoll- und Halbbaumwoll- waaren mit 26,104 fl. 2 kr., Weine 20,702 fl. 22 kr., Bücher und Zeitungen mit 2286 fl. 40 kr., Troguerien mit 7729 fl. 37 kr., Goldmaaren mir 5573 fl. 9 kr. und Metall- waaren mit 1188 fl. 30 kr.

Zu Calw fand am 27. Mai die Ein­weihung des von dem Generalkonsul E. v. Georgii v. Georgeuau in Stuttgart gestif­teten und seiner Vaterstadt geschenkten Georgeuäum" statt. Es ist dies ein mit erheblichen Kosten aufgeführtes Gebäude, welches Büchersäle, Lesezimmer, UnterrichlS- säle re., überhaupt die zur Fortbildung dienlichen Lehrmittel in zweckmäßigen,schönen Räumen enthält. An das Gebäude schließt sich ein schöner Garten mit Springbrunnen

! Pavillons u. dgl. an, der dem Publikum geöffnet ist. Die Einweihungsfeier verlief in gelungener Weise unter entsprechenden Reden des von einer Deputation geleiteten Stifters, des Stadtvorstandes und des Geist­lichen, und unter Gesängen. Der Calwer Verschönerungsverein halte seinerseits zu Ehren des Tages einen Weg von den Gar­tenanlagen des Georgenäum bis zu dem Gimpelstein" und auf diesem Anhalts­punkt selbst einen PavillonGeorgcnhöhe" angelegt, der von der Festgesellschaft im Anschluß au die Eröffnungsfeier besucht wurde.

Schweiz.

Bern, 30. Mai. Der Bundesrath hielt heute geheime Sitzung, veröffentlicht aber kein Bulletin. Dem Vernehmen nach soll die Verhaftung Pyat's und Groufset'S nach Genf befohlen haben.

Ausland.

Die ersten Gerüchte über die Zerstörun­gen in Paris mögen etwas übertrieben sein. Im Großen und Ganzen bleibt kein Zweifel, daß die ältesten und an Monumenten reich­sten, sowie die neuesten und schönsten Theile der Stadt furchtbar verwüstet worden sind. Von deinhistorischen" Paris, wie die Besucher der Weltausstellung von 1867 es gesehen haben, ist mindestens die Hälfte vernichtet, unrettbar untergangen. Tie Einzelnheiten dieses schauerlichen Kampfes, der Paris vom 22. bis 29. Mai durchtobte, sind großentheils noch nicht bekannt. Wir werden wohl noch genug darüber erfahren. Was vor Allem in die Augen füllt, ist die bestialische Wuth, mit der gegenseitig ge­kämpft worden. Die Insurgenten kannten ebenso wenig Schonung; sie kämpften mit dem Bewußtsein, daß sie auf jeden Fall verloren feien. Weiber und Kinder nver- boten sich in Scheußlichkeiten. Wie viel Opfer in diesen Tagen gefallen sind, wird man wohl nie erfahren. In den letzten Tagen war eine förmliche Raserei des MordenS auSgebrocheu. Mau spricht von 50,000 Insurgenten, die gefallen, Weiber und Kinder eingerechnet. Unmöglich ist das nicht. Augenzeugen versichern, der furchtbare sozialistische Juni-Aufstand im Jahre 1848, den Cavaignac niedcrschlug, sei unbedeutend gewesen im Verhältnis^ zu dem Abschlachten des Mai 1871. Man meldet, die Leichen seien so zahlreich, daß man sie nicht beerdigen könne und bei der herrschenden Hitze die Pest befürchte. Es liegen Beweise vor, daß schon früher die Kommunisten" entschlossen waren, Paris zu vernichten, wenn sie sielen. Tie Zer­störung der Hauptgebäude war längst vor­bereitet, und wenn sie nicht überall gelang, so lag dies nur daran, daß es an Brand­material und Händen fehlte. Wieviel Pri­vatgebäude vernichtet worden, läßt sich noch gar nicht angeben. Was wird nun in Paris geschehen? Wird Thiers sich halten? Wird Blae Mahon die militärische Diktatur au sich reißen? Wird die orlcauistische Partei einen Versuch machen, die Oberhand zu gewinnen? Ohne Gewaltmaßregeln ist Paris nicht zu regieren, denn es bleibt noch genug politischer Zündstoff übrig. All gemein erwartet man in Frankreich ein'